II, Theaterstücke 27, Fink und Fliederbusch. Komödie in drei Akten (Journalisten, Der Unsichtbare und die zwei Schatten), Seite 253

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27. Einkund Fliederbusch
Dr. Max Goldschmidt
Büro für Zeitungsausschnitte
BERLIN N4
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Die Welt am Montag, Berlin
A Anril 1927
Der Oberbürgermeister
als Schmock.
Gustav Freytags Schmock kann schreiben rechts und
schreiben links. Schnitzlexs Herx Fliederbusch polemi¬
siert als Herr Finkim oratt der feindlichen Partei so heftig
„gegen sein eignes Ich, daß er sich schließlich selbst zum Duell
herausfordern muß. Wer amüsiert sich nicht über diese
armen Teufel aus der Journaille, die ihr bißchen Gesin¬
nungslumperei treiben, um zu ein paar Groschen oder zu
einer kleinen Karriere zu kommen! Wer aber käme auf
den Gedanken, daß die Schmock= und Fliederbuschmethoden
jemals von einem Manne gehandhabt werden könnten, der
das hochrespektierte Amt eines Oberbürgermeisters
von Regensburg bekleidet und sogar mehrfach schon
für den Posten des bayrischen Ministerpräsi¬
denten in Aussicht genommen war!
Dieser Dr. Hipp hat es lange Zeit hindurch fertigge¬
bracht, das Blatt seiner Partei, den bayrisch=volkspartei¬
lichen „Regensburger Anzeiger“ zu inspirieren und gleich¬
zeitig das Oppositionsblatt, das stramm=republi¬
kanische, freigeistige „Regensburger Echo“ mit scharf stili¬
sierten Beiträgen zu versorgen, die natürlich ohne seinen
Namen erschienen. Es war überaus neckisch, wenn er dann
seine eigenen Parteigenossen in den Rippen kitzelte
und seinem bürgermeisterlichen Kollegen eins
„auswischte; oder wenn er auf eine zureichende Wohnung
für den „Stadtöbersten“, wie er sich selbst schalkhaft
benamste, mit warmen Worten plädierte. Er fingerte das
so geschickt, daß kein Mensch dahinterkam; und erst, als er
mit dem „Regensburger Echo“ gelegentlich einer Polizei¬
affäre in Konflikt geriet und seine ehemalige Zuflucht durch
ein Beschlagnahmeverfahren drangsalierte, brach das Ge¬
schwürchen auf: das „Echo“ gab die Tatsache, daß der Herr
Oberbürgermeister sein eifriger und zielbewußter Mit¬
arbeiter gewesen war, preis und veröffentlichte sogar
einen besonders reizvollen Beitrag aus seiner geschätzten
Feder im Faksimile.
Was nun? Das Parteiblatt Dr. Hipps ist in schwerer
Verlegenheit; es sucht den Stadthäuptling mit seiner „be¬
Greiflichen Nervosität“ zu entschuldigen. Wie schwächlich,
solche Ausflüchte zu machen! Sollte man sich im bayrischen
Vaterlande, wo die Gesinnung stark, die Begabung aber
meist recht schwach zu sein pflegt, nicht glücklich preisen, daß
man einen so talentierten Mann sein eigen nennt?
Er wäre der geborene Pressechef; sogar in Berlin
könnte man ihn brauchen. Man übte bei uns nur zeitweise
den plumpen Brauch, einzelne Blätter durch Geldzuwen¬
dungen „offiziös“ zu machen; man pflegte ihnen dann
an der Nase anzuseh'n, daß sie gekauft waren. In die
gegnerische Presse hineinzukommen, das ist das Kunst¬
stück: auf zwei Instrumenten gleichzeitig virtuvs zu
spielen!
Dem Dr. Hipp blüht eine Zukunft. Und das eine, was
ihm bisher noch fehlte, wird er jetzt wohl gelernt haben:
daß man sich, wenn man dieses Handwerk treibt, nicht zur
Kieker.
Unzeit mausig machen darf!