A
ICHSPOST, WIEN
Ausschnitt 30f 10/9
2700N 1915
vom:
Theater, Kunst, Musik.
Der nächste Spielplan des Hofburg¬
theaters.
Heute ewpfing Herr Direktor Thimig die
Vertreter der Presse und schilderte ihney die Pläne, die er
für das nächste Spieljahr des Hofburgtheäters hegt. Zunächst
setzte er auseinander, daß die Bildung eines neuen Spiel¬
planes auf“ erhebliche Schwierigkeiten stoße,
da sich
jetzt schon die, durch die Einberufungen verursachten
Abgänge im kütstlerischen und technischen Personale schwer
fühlbar machen und mit weiteren Einberufungen gerechnet
werden muß. Immerhin hofft das Theater, im nächsten
Spieljahre einige bedeutsame Neuheiten herauszubringen.
Zunächst soll eine Neuinszenierung des „Götz von
[Verlichingen“ über die Bretter gehen. Sie wird auf
der späteren Goetheschen Fassung vom Jahre 1773 fußen,
welche bekanntlich die Umfassung etwas bühnengerechter zu
machen sucht. Die Regie wird der neue Regisseur des
Theaters, Herr Holz, führen. Den Götz wird Herr Reimers
spielen. Hiezu meinen wir, daß es dem großen Publikum
ziemlich einerlei sein, wird, welche Götzbearbeitung man
ihm bietet, so daß diese „Neuheit“ wohl bloß in den Augen
der Literarhistoriker eine solche bilden wird. Dem weitaus
größeren Teil der Theaterbesucher wird durch die Freude
über die „andere" Bearbeitung das Bedauern darüber nicht
aufgewogen werden, daß Baumeister nicht mehr den
Götz spielt. Sodann wird das Theater daran gehen, einen
Zyklus
sämtlicher Grillparzerscher
Bühnenwerke zu bringen. Eine alte Ehrenschuld,
welche dem österreichischen Klassiker nun endlich abgetragen
werden soll! Dieser umfangreiche, in der Tat bedeutsame
Plan erfordert lange Vorarbeiten, mit denen zeitlich be¬
gonnen werden wird. Im Jänner 1916 soll der
Zyklus mit dem „Bruderzwist im Hause Habs¬
burg“ beginnen, der seit vielen Jahrzehnten nicht mehr
auf dem Theaterzettel gestanden hat.
Diesen Plan be¬
grüßen wir umso herzlicher, als er manches, dem Geist der
Zeit angemessenes Drama bringen wird.
Sparlich sind in dem bisher festgesetzten Spielplan
absolute Neuheiten vertreten. Viele fremdländische Autoren
scheiden durch die Kriegsereignisse völlig aus, eine Lücke,
die, wie Herr Thimig bemerkte, deutlich fühl¬
bar ist. (Wir für unseren Teil finden den Verlust
der Herren Shaw, Courteline usw. nicht für sonderlich be¬
klagenswert). Der Einlauf an deutschen Manuskripten ist
gering und unter dem Wenigen findet sich so gut wie nichts
Wertvolles. Die meisten Autoren haben sich auf „zeitgemäße“
Stoffe geworfen. Wir haben mehrfach darauf hingewiesen,
daß derartige, im Kanonendonner flink zurechtgezimmerte
Aktualitäten für die Bühne keinen Gewinn bedeuten können.
Im übrigen will, meint Herr Direktor Thimig, das Publi¬
kum im Theater nicht an den Krieg erinnert sein, sondern
sucht Entspannung.
Als erste absolute Neuheit wird ein Einakterzyklus
„Komödie der Worte von — Schnitzler in
Szene gehen und zwar schon Mitte Oktober. Wir wollen
zu dieser Eröffnung heute keine andere Bemerkung beifügen.
als die, daß unserer Ansicht nach das Hofburgtheater gerade
reichlich genug mit dem Geiste Arlur Schnitzlers gesegnet
ist und daß die Aufnahme dreier neuer Schnitzlerstücke
durchaus keinen Fortschritt in der sittlichen Reinigung
unserer Bühnen erhoffen läßt, auf die wir nach diesem
Kriege mit allen Kräften hinarbeiten werden.
Das zweite Wort wird der dänische Dichter Julius
Magnussen mit dem Lustspiel „Seine einzige
Frau“ haben. Dann wird das Schauspiel „Das
Bild des Ramses“ zur Uraufführung gelangen,
dessen Verfasser Graf Franz Dubsky ist, ein Neffe
der Dichterin Ebner=Eschenbach.
Schließlich wird noch eine Einstudierung des Ibsen¬
schen „Peer Gynt“ in der Uebersetzung von Fulda
versucht werden, doch bedarf dieser nordische „Faust“ be¬
känntlich eines so ungeheueren schauspielerischen und szeni¬
schen Apparates, daß es fraglich erscheint, ob die noch ver¬
fügbarea Kräfte des Theaters sich als zureichend erweisen
werden. Wir würden uns freuen, wenn die erste Peer¬
Gynt=Aufführung in Wien endlich zustande käme, nachdem
wir fortgesetzt mit soviel unerquicklichen Ibsen=Dramen ge¬
plagt worden sind.
Dies sind die Pläne des Hofburgtheaters für das
nächste Spieljahr. Was wir dazu zu bemerken haben, soll
demnächst gründlicher gesagt werden, gleichwie wir das bis¬
herige Wirken des Hofburgtheaters in der Kriegszeit in den
nächsten Tagen würdigen werden.
Mr.e
Ausschnitt aus: ie emtel Jebrüct, Air
vom: 2•0Rs45
Theater und Kunst.
M
Hinter den Kulissen.
(Der neue Schnitzler im Burgtheater, — Walden=Rollen. — Der
Schnelldichter des Volkstheaters.
Die größte Theatergage. — Ide
Rolands Talente.
Fra##
Ein medizinisch=dramatischer Konflikt.
Konstantin und die Hühner. — Leiden eines Dramaturgen.)
Im Burgtheater wird bekanntlich Artur Schnitzler in der
nächsten Woche mit drei neuen Einaktern erscheinen. Harry Walder
spielt in allen Stücken die Hauptrolle. Er freut sich sehr darauf,
weil ihm nach langer Zeit wieder Gelegenheit geboten ist, seine
Gestaltungskraft zu zeigen. Und Stücke mit Walden=Rollen werden
nicht viele geschrieben, am allerwenigsten von einheimischen Dichtern.
Vor zwei Jahren hatte er mit dem „Häßlichen Ferante“ beson¬
deres Glück Der feindliche Autor beeilte sich nach dem großen
Wiener Erfolg, zu dem der Künstler durch seine interessante
Leistung wesentlich beigetragen hatte, ein neues Lustspiel zu
schreiben. Es wurde von Direktor Thimig noch im Frieden an¬
genommen, aber im Krieg mußte es natürlich ins Archiv
wandern. Auch in dem Stücke zweier anderer feindlicher Autoren,
der Herren Caillavet und Flers in der Komödie „Die Fahrt ind
Blaue“ war eine gute Rolle für den Künstler enthalten. Auch
sie siel in die tiefste Versenkung. In einem Journalistenstück, das
Schnitzler im vorigen Jahre geschrieben hat und das erst
später vor das Publikum gelangt, soll ebenfalls eine Walden¬
Rolle enthalten sein.
Im Deutschen Volkstheater kommt heute ein neuer Mann
zu Wort. Jahrelang sind seine Stücke in Archiven herumgelegen.
Endlich erblicken sie das Rampenlicht Herr Hans Saßmann
wanderte mit seinen dickleibigen Manuskripten von Bühne zu
Bühne Er fand verschlossene Türen. Jetzt öffnen sie sich plötzlich
angelweit — er spaziert heuer in drei Wiener Theater. Den
Anfang macht heute abend das Deutsche Volkstheater, dann folgt
die Residenzbühne mit „Sphinx“, einer phantastischen Komödig
erotisches Problem behandelt. Und für sein drittet
die ein
Stück: „Die Schenke“ interessiert sich Hanfi Niese,
für die hier eine dankbare schauspielerische Aufgabe erblüht. Es
ist ein Vagantenstück, das unter Landsknechten spielt, in einem
sehr farbigen Milieu.
Der Dichter hat vor ein paar Monaten dieses Stück und
noch ein paar andere dem Dramaturgen des Josefstädter Theaters
geschickt. Der Begleitbrief weckte schon Interesse. Herr Saßmann
schrieb, daß er schwer krank sei und da seine Tage gezählt wären,
läge ihm sehr viel daran, ein Urteil über sein bisheriges Schaffen
zu hören. Die Kritik des Dramaturgen fiel sehr günstig aus.
Inzwischen hat sich der Autor erholt, so gründlich, daß
er vor acht Tagen in der Lage war, ein Stück in
vierundzwanzig Stunden zu schreiben. Das war nämlich
so: Bei den Proben der Komödie „Der Retter“ im
Volkstheater ergab es sich, daß dieses Stück nicht abendfüllend
sei. Man brauchte dringend einen Einakter. Ein passender war
nicht zur Stelle. Da meinte Herr Kramer: „Am besten wäre es,
wenn Herr Saßmann selbst einen schreiben würde.“ Man berieft¬
den Autor und da keine Zeit zu verlieren war, setzte er sicht
sofort hin und begann Hals über Kopf zu dichten. In vier¬
undzwanzig Stunden war das Werk fertig. Es ist sogar länger
geworden, als man dachte. Wer schnell dichtet, dichtet
doppelt.
Der Star, dessen Persönlichkeitswert sich in Ziffern aus¬
drücken läßt, verschwindet allmählich aus unserem Theaterleben.
Fast scheint es, daß auch hier der Krieg eine Umwertung aller
Werte geschaffen hat Man weiß, welcher Schauspielerkultus
früher bei uns getrieben wurde, man feierte die Lieblinge fast über
das Normalmaß hinaus — heute hält sich die Begeisterung, da
sie anderweitig beschäftigt ist — in entsprechenden Grenzen. Es
gibt natürlich bei uns noch immer Schauspieler, die ein sogenanntes
sicheres Geschäft bedeuten, die selbst einem schwachen Stück ein
finanzielles Rückgrat geben können. Man fragt: „Spielt heute
Frau & — oder Herr 9)?“— und geht ins Theater. Aber solche
Popularität mit Vorverkaufsgebühr ist doch ziemlich selten.
Frau Ida Roland zählt seit der „Zarin“ zu den wenigen,
deren Zugkraft — um im groben Theaterjargon zu sprechen —
sich in der „Kassa“ deutlich ausspricht. Sie weiß das sehr genau
und bezieht auch, fast könnte man sagen, die höchste Gaue, die
ICHSPOST, WIEN
Ausschnitt 30f 10/9
2700N 1915
vom:
Theater, Kunst, Musik.
Der nächste Spielplan des Hofburg¬
theaters.
Heute ewpfing Herr Direktor Thimig die
Vertreter der Presse und schilderte ihney die Pläne, die er
für das nächste Spieljahr des Hofburgtheäters hegt. Zunächst
setzte er auseinander, daß die Bildung eines neuen Spiel¬
planes auf“ erhebliche Schwierigkeiten stoße,
da sich
jetzt schon die, durch die Einberufungen verursachten
Abgänge im kütstlerischen und technischen Personale schwer
fühlbar machen und mit weiteren Einberufungen gerechnet
werden muß. Immerhin hofft das Theater, im nächsten
Spieljahre einige bedeutsame Neuheiten herauszubringen.
Zunächst soll eine Neuinszenierung des „Götz von
[Verlichingen“ über die Bretter gehen. Sie wird auf
der späteren Goetheschen Fassung vom Jahre 1773 fußen,
welche bekanntlich die Umfassung etwas bühnengerechter zu
machen sucht. Die Regie wird der neue Regisseur des
Theaters, Herr Holz, führen. Den Götz wird Herr Reimers
spielen. Hiezu meinen wir, daß es dem großen Publikum
ziemlich einerlei sein, wird, welche Götzbearbeitung man
ihm bietet, so daß diese „Neuheit“ wohl bloß in den Augen
der Literarhistoriker eine solche bilden wird. Dem weitaus
größeren Teil der Theaterbesucher wird durch die Freude
über die „andere" Bearbeitung das Bedauern darüber nicht
aufgewogen werden, daß Baumeister nicht mehr den
Götz spielt. Sodann wird das Theater daran gehen, einen
Zyklus
sämtlicher Grillparzerscher
Bühnenwerke zu bringen. Eine alte Ehrenschuld,
welche dem österreichischen Klassiker nun endlich abgetragen
werden soll! Dieser umfangreiche, in der Tat bedeutsame
Plan erfordert lange Vorarbeiten, mit denen zeitlich be¬
gonnen werden wird. Im Jänner 1916 soll der
Zyklus mit dem „Bruderzwist im Hause Habs¬
burg“ beginnen, der seit vielen Jahrzehnten nicht mehr
auf dem Theaterzettel gestanden hat.
Diesen Plan be¬
grüßen wir umso herzlicher, als er manches, dem Geist der
Zeit angemessenes Drama bringen wird.
Sparlich sind in dem bisher festgesetzten Spielplan
absolute Neuheiten vertreten. Viele fremdländische Autoren
scheiden durch die Kriegsereignisse völlig aus, eine Lücke,
die, wie Herr Thimig bemerkte, deutlich fühl¬
bar ist. (Wir für unseren Teil finden den Verlust
der Herren Shaw, Courteline usw. nicht für sonderlich be¬
klagenswert). Der Einlauf an deutschen Manuskripten ist
gering und unter dem Wenigen findet sich so gut wie nichts
Wertvolles. Die meisten Autoren haben sich auf „zeitgemäße“
Stoffe geworfen. Wir haben mehrfach darauf hingewiesen,
daß derartige, im Kanonendonner flink zurechtgezimmerte
Aktualitäten für die Bühne keinen Gewinn bedeuten können.
Im übrigen will, meint Herr Direktor Thimig, das Publi¬
kum im Theater nicht an den Krieg erinnert sein, sondern
sucht Entspannung.
Als erste absolute Neuheit wird ein Einakterzyklus
„Komödie der Worte von — Schnitzler in
Szene gehen und zwar schon Mitte Oktober. Wir wollen
zu dieser Eröffnung heute keine andere Bemerkung beifügen.
als die, daß unserer Ansicht nach das Hofburgtheater gerade
reichlich genug mit dem Geiste Arlur Schnitzlers gesegnet
ist und daß die Aufnahme dreier neuer Schnitzlerstücke
durchaus keinen Fortschritt in der sittlichen Reinigung
unserer Bühnen erhoffen läßt, auf die wir nach diesem
Kriege mit allen Kräften hinarbeiten werden.
Das zweite Wort wird der dänische Dichter Julius
Magnussen mit dem Lustspiel „Seine einzige
Frau“ haben. Dann wird das Schauspiel „Das
Bild des Ramses“ zur Uraufführung gelangen,
dessen Verfasser Graf Franz Dubsky ist, ein Neffe
der Dichterin Ebner=Eschenbach.
Schließlich wird noch eine Einstudierung des Ibsen¬
schen „Peer Gynt“ in der Uebersetzung von Fulda
versucht werden, doch bedarf dieser nordische „Faust“ be¬
känntlich eines so ungeheueren schauspielerischen und szeni¬
schen Apparates, daß es fraglich erscheint, ob die noch ver¬
fügbarea Kräfte des Theaters sich als zureichend erweisen
werden. Wir würden uns freuen, wenn die erste Peer¬
Gynt=Aufführung in Wien endlich zustande käme, nachdem
wir fortgesetzt mit soviel unerquicklichen Ibsen=Dramen ge¬
plagt worden sind.
Dies sind die Pläne des Hofburgtheaters für das
nächste Spieljahr. Was wir dazu zu bemerken haben, soll
demnächst gründlicher gesagt werden, gleichwie wir das bis¬
herige Wirken des Hofburgtheaters in der Kriegszeit in den
nächsten Tagen würdigen werden.
Mr.e
Ausschnitt aus: ie emtel Jebrüct, Air
vom: 2•0Rs45
Theater und Kunst.
M
Hinter den Kulissen.
(Der neue Schnitzler im Burgtheater, — Walden=Rollen. — Der
Schnelldichter des Volkstheaters.
Die größte Theatergage. — Ide
Rolands Talente.
Fra##
Ein medizinisch=dramatischer Konflikt.
Konstantin und die Hühner. — Leiden eines Dramaturgen.)
Im Burgtheater wird bekanntlich Artur Schnitzler in der
nächsten Woche mit drei neuen Einaktern erscheinen. Harry Walder
spielt in allen Stücken die Hauptrolle. Er freut sich sehr darauf,
weil ihm nach langer Zeit wieder Gelegenheit geboten ist, seine
Gestaltungskraft zu zeigen. Und Stücke mit Walden=Rollen werden
nicht viele geschrieben, am allerwenigsten von einheimischen Dichtern.
Vor zwei Jahren hatte er mit dem „Häßlichen Ferante“ beson¬
deres Glück Der feindliche Autor beeilte sich nach dem großen
Wiener Erfolg, zu dem der Künstler durch seine interessante
Leistung wesentlich beigetragen hatte, ein neues Lustspiel zu
schreiben. Es wurde von Direktor Thimig noch im Frieden an¬
genommen, aber im Krieg mußte es natürlich ins Archiv
wandern. Auch in dem Stücke zweier anderer feindlicher Autoren,
der Herren Caillavet und Flers in der Komödie „Die Fahrt ind
Blaue“ war eine gute Rolle für den Künstler enthalten. Auch
sie siel in die tiefste Versenkung. In einem Journalistenstück, das
Schnitzler im vorigen Jahre geschrieben hat und das erst
später vor das Publikum gelangt, soll ebenfalls eine Walden¬
Rolle enthalten sein.
Im Deutschen Volkstheater kommt heute ein neuer Mann
zu Wort. Jahrelang sind seine Stücke in Archiven herumgelegen.
Endlich erblicken sie das Rampenlicht Herr Hans Saßmann
wanderte mit seinen dickleibigen Manuskripten von Bühne zu
Bühne Er fand verschlossene Türen. Jetzt öffnen sie sich plötzlich
angelweit — er spaziert heuer in drei Wiener Theater. Den
Anfang macht heute abend das Deutsche Volkstheater, dann folgt
die Residenzbühne mit „Sphinx“, einer phantastischen Komödig
erotisches Problem behandelt. Und für sein drittet
die ein
Stück: „Die Schenke“ interessiert sich Hanfi Niese,
für die hier eine dankbare schauspielerische Aufgabe erblüht. Es
ist ein Vagantenstück, das unter Landsknechten spielt, in einem
sehr farbigen Milieu.
Der Dichter hat vor ein paar Monaten dieses Stück und
noch ein paar andere dem Dramaturgen des Josefstädter Theaters
geschickt. Der Begleitbrief weckte schon Interesse. Herr Saßmann
schrieb, daß er schwer krank sei und da seine Tage gezählt wären,
läge ihm sehr viel daran, ein Urteil über sein bisheriges Schaffen
zu hören. Die Kritik des Dramaturgen fiel sehr günstig aus.
Inzwischen hat sich der Autor erholt, so gründlich, daß
er vor acht Tagen in der Lage war, ein Stück in
vierundzwanzig Stunden zu schreiben. Das war nämlich
so: Bei den Proben der Komödie „Der Retter“ im
Volkstheater ergab es sich, daß dieses Stück nicht abendfüllend
sei. Man brauchte dringend einen Einakter. Ein passender war
nicht zur Stelle. Da meinte Herr Kramer: „Am besten wäre es,
wenn Herr Saßmann selbst einen schreiben würde.“ Man berieft¬
den Autor und da keine Zeit zu verlieren war, setzte er sicht
sofort hin und begann Hals über Kopf zu dichten. In vier¬
undzwanzig Stunden war das Werk fertig. Es ist sogar länger
geworden, als man dachte. Wer schnell dichtet, dichtet
doppelt.
Der Star, dessen Persönlichkeitswert sich in Ziffern aus¬
drücken läßt, verschwindet allmählich aus unserem Theaterleben.
Fast scheint es, daß auch hier der Krieg eine Umwertung aller
Werte geschaffen hat Man weiß, welcher Schauspielerkultus
früher bei uns getrieben wurde, man feierte die Lieblinge fast über
das Normalmaß hinaus — heute hält sich die Begeisterung, da
sie anderweitig beschäftigt ist — in entsprechenden Grenzen. Es
gibt natürlich bei uns noch immer Schauspieler, die ein sogenanntes
sicheres Geschäft bedeuten, die selbst einem schwachen Stück ein
finanzielles Rückgrat geben können. Man fragt: „Spielt heute
Frau & — oder Herr 9)?“— und geht ins Theater. Aber solche
Popularität mit Vorverkaufsgebühr ist doch ziemlich selten.
Frau Ida Roland zählt seit der „Zarin“ zu den wenigen,
deren Zugkraft — um im groben Theaterjargon zu sprechen —
sich in der „Kassa“ deutlich ausspricht. Sie weiß das sehr genau
und bezieht auch, fast könnte man sagen, die höchste Gaue, die