II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 8

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26.1. Kondedie der gorteZuklug
Kollegen der beiden, einem Stiefkind des Schicksals, hin, dem der
Grunde liegt. Schnitzler war niemals witziger, als in diesem
eine Augenblick ihrer Gnade Sonnenschein für seinen ganzen kom¬
Wirbelsturm von parodistischen Einfällen. Harry Walden
ie der Worte“
menden Lebenslauf sein soll. So glaubte sie (sofern ich die über¬
hielt sich als Konrad Herbott dem Schnitzlerschen Urbild ebenbürtig.
spitzte Selbstverteidigung der Dame beim ersten Anhören oder Be¬
Es war ein Volltreffer von Dichter und Darsteller. Frau We¬
deuten nicht mißverstehe) in der Untreue treu geblieben zu sein,
delsky als Gattin und Tiedtke als milder Klugredner in der
steheim. 7.
im übrigen durch ihre sonstige untadelige Lebensführung Per¬
Rolle des Direktors waren die Vollkommenheit in Person.
jährung ansprechen zu können. Unheilbar gekränkt durch die harte,
„Das Bacchusfest“ scheint Seitensprünge in Schriftsteller¬
späte, unerwartete Rache des Gatten, dem sie den eigentlichen
Ehen als unvermeidliche Natürlichkeiten erklären zu wollen. Ein
Wien, 12. Oktober.
Nebenbuhler gar nicht nennt —, ihr Beichtiger wird, kurios ge¬
Literat, Felix Steufner, der seiner Gattin gelegentlich wieder ein¬
der Taten ein gefährlicherer
nug, der fälschlich als Ehebrecher verdächtige Ormin — geht sie
mal ein paar Wochen sich entzogen hat, sticht einen philiströsen
benken als der Sammelname,
freiwillig aus dieser Welt. Für die Sophistereien und Subtili¬
Doktor der Chemie, den sich die Verlassene mittlerweile als Tröster
führung im Burgtheater
täten dieser Frauenseele, die sich für sauber zu halten scheint, dürf¬
gefallen ließ, mit einem Uebermaß von Zungengeläufigkeit aus.
ählt hat: „Komödie der
ten sich, selbst wenn sie so überlegen vorgetragen wurden wie von
Text: unerläßliche Notwendigkeit, um nicht zu sagen Heiligkeit
eneral=Nenner seiner jüngsten
Frau Bleibtreu wenig Gläubige finden.
von gelegentlicher Saturnalien=Freiheit in unseren, wie in alten
n „Stunde des Erken¬
Tröstlich, nicht bloß als Gegenstück zu dieser Verkannten, wirkt
Zeiten. Nachdem seine Suada den Lästigen ausgiebig hinaus¬
n Szene“ und des tragi¬
die „große Szene“: ihr Held ist, um ein vielbelächeltes Wort
befördert und die gekränkte Gattin mit neuer Zärtlichkeit für den
cheinlich ironisch: allemal geht
Otto Brahms zu wiederholen, ein „Cäsar deutscher Schauspielkunst“.
Ausnahmsmenschen in der Einbildung erfüllt hat, entladet sich der
viel Heuchelei, bestenfalls wie
Einer der Virtuosen, die halb Kind, halb Hanswurst wie Triumpha¬
Groll des (trotz aller Ehestands=Philosophie) grimmig Gereizten
oßen Worten von Liebe und
toren durch die Lande ziehen, die kompakte Mehrheit der Weiblein
in dem Wutschrei: „Ich hasse Dich!“ Der Zuhörer, der vor Jahr
uns der Dramatiker in jedem
widerstandslos zu ihren Füßen sehen. Sie müssen die hingebendste
und Tag über ähnliche windige Burschen in Schnitzlers Lustspiel:
entwickeln seine Wortführer,
Mustergattin naturnotwendig betrügen, arglos mit aller Welt,
„Literatur“ ins Reine gekommen, nimmt diesen Ausbruch so
roßen Szene“, dem weitaus
angefangen beim eigenen Ich, Komödie spielen und in kritischen
wenig tragisch wie die nicht minder tobsüchtige Antwort der
klassen; zuletzt in wilden Hohn
Augenblicken bewußt und unbewußt zu jeder Gemeinheit und In¬
Gattin. Das Pärchen ist einander wert: seiner Komödie der
litzler in seinem Ehezucht= oder
famie sich verstehen. Konrad Herbott hat nach einem sehr bösesten
Worte wird ehebaldigst eine Versöhnungs=Komödie ohne Worte
lägt, führt uns in einen an¬
Streiche — er verführte die blutjunge Braut eines braven Bürgers¬
folgen. Mit Lessing zu reden: Ein Schlußkapitelchen. Je zyni¬
ntelangen Erfahrungen gleich
sohnes — seiner unübertrefflichen Frau versprochen, sie wenigstens
scher, desto besser.
Erkennens“ zu Aerzten; „Große
nie mehr zu belügen. Im nächsten Moment meldet sich der be¬
Wie lange diese Gaben Schnitzlers unsere Theatergänger anziehen
husfest“ zu Literatur=Zigeunern.
trogene Bräutigam und fragt unter vier Augen den Mimen auf
werden, ist leicht zu sagen. So lange sie so meisterhaft gegeben
d, wie ich besorge, auch künst¬
Ehr und Gewissen, ob er der Geliebte seiner Verlobten gewesen?
werden, wie im Burgtheater. Die „Große Szene“ hat nun gar
Medizinern, ziemlich unsicher
Die „große Szene“, die Herbott seinem Besucher vorgaukelt, die
die Gewähr, ein langlebiges Virtuosenstück für alle leidlichen
ichsten, mindestens für den Zu¬
Frechheit, mit der er ihm einen für diesen Fall vorbereiteten, mit
„Mauernweiber“ zu werden. Im übrigen aber hoffen wir, daß
dem Luderchen von Braut vorher abgekarteten erzverlogenen Brief
uns Schnitzler bald wieder anderes, seinem „Professor Bernhardi“.
in allen Spielarten und Tönen seiner Kunst vorliest, gehört —
des Erkennens“. Doktor
Gemäßeres bescheren wird. Sein bedeutendster Wiener Kunst¬
widerspruchsvoll das klingt — zum Unglaublichsten und zugleich
seine Tochter ausgeheiratet.
genosse Schönherr vollendet eben sein, lange vor Ausbruch des
lebenswahr Gemutendsten, was man auf der Bretterwelt sehen
eise angetreten, sagt er seiner
Weltkrieges begonnenes, im Tiroler=Jahr 1809 spielendes, zeit¬
kann. Die Gattin, eine reine Natur, die Zeugin dieser naiven
s verlassen. Zehn Jahre lang
gerechteres, gewaltiges Werk „Ein Volk in Not“. Und wir alten Herren
eigend getragen, daß sie ihm
Niedertracht geworden, will für immer von diesem genialen Qua¬
geben die Zuversicht nicht auf, daß die große deutsche Kunst in diesem
es Grachtens vom Geschick mit
dratlumpen sich trennen. Der Unband aber überwältigt jeden
Weltkrieg so wenig feiern wird wie während der Revolutions¬
Professor Ormin —, untreu
Widerstand. Als er seine Frau, der er in einer früheren Versöh¬
und napoleonischen Kriege, in denen mit die dauerhaftesten Stücke
f Frau Clara das Wort des
nungsszene gesagt, er wolle heute abend den Hamlet für sie allein
Schillers, der Abschluß des ersten „Faust“, der „Prinz von Hom¬
ers zu, der nach Auerbachs
spielen, nicht in der Loge sieht, läßt er den Vorhang nicht aufziehen,
burg“ und einige Schöpfungen Beethovens reiften, die Herz und
sagte: „Than han i's, aber
das ganze Publikum mit dem Erzherzog obenan warten, rast heim
Ohr ungezählter Hörer, nicht zuletzt Bismarcks und Moltkes, labten.
g'moant hat“. Sie war in
und ruht nicht, bis die Widerspenstige im Hauskleid ihm folgt.
Heute wie dazumal soll es heißen: Deutschland in der Welt voran!
einziges Mal untreu. Doch
Schon einmal, im „Freiwild“ hat Schnitzler Schmierenvolk mit
Deutschland in der Kunst voran!
Ormin. Aus Angst, dieses
überlegener Laune vor Augen gestellt. Seine Charakteristik von
eliebten halber, ihren Gatten,
Konrad Herbott und seinen Leuten ist ein weit höher stehendes
Die Berliner Premiere des Schnitzlerschen Zyklus findet am
sie sich einem unscheinbaren! Virtuosenstück, dem glücklichste Beobachtung der Wirklichkeit zu ] 22. Oktober im Lessinatheater statt.