II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 9

26.1. Kongedie der Norte—zyklus
(ouellenangass onne Gewahr.)
Ausschnitt aus:
130KT 1375
vom:
Artur Schnitzlers „Komödie der Worte“ eine neue
Reihe von Einaktern, hat gestern gleichzeitig mit Darmstadt die
Wiener Uraufführung gehabt. Von Anton Bettel¬
heim wird uns dazu gedrahtet: „Kranke Ehen“ zeigt Schnitz¬
ler in jedem Einakter. In der „Stunde des Erkennens“
treibt ein grausamer Arzt nach der Verheiratung seiner Tochter
seine Gattin wegen ihres verjährten Treubruches aus seinem
Haus. Im „Bachusfest“ versucht ein Literat seine Frau, die
Seitensprung mit Seitensprung heimzahlt, durch wunderliche
Theorien der Saturnalien=Freiheit umzustimmen. In dem weit¬
aus wirksamsten witzigen Schauspielerstück „Große Szene“
parodierte Schnitzler die Komödiennatur eines Wandervirtuosen.
Die Darstellung des Burgtheaters war mustergültig; zumal Harry
Walden triumphierte in drei Hauptrollen.
(Quellenangabe ohne-Gewähr.)
S
Ausschnitt aus:
vom:
130KT 1275
gsres
Schnitzlers „Komödie der Worte“.
Ueber die Uraufführung von Arthur Schnitzlers neuem
Einakterzyklus „Komödie der Worte“ am Wen Burg¬
theater (auch am Darmstädter Hoftheater ist die Ko¬
mödie mit Beifall in Szene gegangen) telegraphiert uns unser Kor¬
respondent: Drei kleine meisterhafte Theaterstücke, die freilich
alle das Problem der ehelichen
Treue erörtern.
Eine
bürgerliche Ehe, die vor vielen Jahren einmal gebrochen
wurde und die nun etwas verspätet gleichsam mit einem
plötzlichen Knall auseinanderfällt, bringt das erste Stück „Stunde
der Erkenntnis“. Zwei Künstlerehen, die gleichfalls gebrochen
werden, die sich aber trotzdem als haltbar erweisen, sehen wir in den
anderen Stücken: „Die große Szene" und „Das Bachusfest“.
Was allen drei Stücken ihren großen Wert verleiht, das ist die
außerordentliche Kraft der Menschenzeichnung; sie war kaum jemals
in anderen Werken Schnitzlers lebensvoller. Hervorzuheben sind
auch die Anmut des Dialoges, die hohe geistige Kultur und die
reine, gütige Menschlichkeit, die ihn durchleuchten.
Im ersten Stück halten drei Menschen, die eigentlich unauflösbar
zusammengehören, die aber doch längst einander fern und fremd ge¬
worden sind, eine Abrechnung, die erschütternd wirkt, weil sie im
engsten Nahmen drei Lebensschicksale bis zum tiefsten Grund aufrollt.
Der Höhepunkt des Abends, wie der drei Stücke, ist aber im zweiten¬
Einakter, der die Ehe eines großen Schauspielers schildert. Der große
Schauspieler überzeugt einen jungen Mann, dessen Braut er verführt
hat, mit kunstvoller Lüge von der Unschuld des schuldigen Mädchens.
Er entzündet sich im Verlauf seiner Rede an seiner eigenen Plauderei,
er bewundert sein eigenes Spiel und ist davon so hingerissen, daß er
stellenweise selbst all die Lügen glaubt, die er sagt. Seine Frau, die
ihm den Betrug fast schon verziehen hat, ist von hellem Entsetzen erfaßt,
da sie ihn mit solcher Bravour lügen hört. Ihr bürgerliches Wesen
erschauert nun, da sie tief in die Quellen der Künstlernatur schaut.
In der Darstellung schien die alte Burgtheatertradition des künst¬
lerischen Gesprächstones wieder aufgeblüht. Harry Walden. der
die drei Hauptrollen gab, überraschte durch seine Wandlungsfä#leit,
der Erfolg war, besonders nach dem zweiten Stück, ein stürmischer.
Felix Salten.
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(Suellenangabe Stle Se.E.
Neues 8 Uhr Blatt,
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150K1 1915
vom:
Burgtheater.
Artur Schnitzler hat unter dem verbindender
Titt „Komödié der Worte“ Ahi Einakter zur Auf¬
fühlung bringen lassen. Komödie der Worte? Ist das nicht
einfTitel, der an sich gegen die Werke spricht? Mit Worten
läßt sich bekanntlich wacker streiten, läßt sich ein System
bereiten, die zünftige Kritik, erlaubt aber nicht, daß das
Theater allein nur aus Worten bestehe. Selbstverständlich
ist der Sinn des Titels im Schnitzlerschen Sinne, in seiner
seinen gedanklichen Art schon ein Gleichnis; das erste, dem
dann in den Stücken selbst viele, viele folgen.
Unser Wiener Dichter der Wiener Seele, wie sie heute
zwischen dem Burgtheater und den traulichen, behaglichen
Häuschen an den Gehängen des Kahlenberges oder Hermanns¬
kogels auf und nieder schwebt, ist in den drei Akten, die er
zu einem Theaterabend vereinigte, über die geistige und
materielle Welt seiner letzten Werke nicht hinausgegangen.
Irgend welche kritische Bemerkungen sind unangebracht. Der
Dichter datiert ihr Entstehen nicht: wer weiß, wann und
seit welcher Zeit die drei Akte, innerhalb und zwischen der
Entstehung großer Stücke sie ihm erwuchsen? Diese drei
Komödien der Worte muten an wie Paraphrasen, Variationen
des „weiten Land“ des „Zwischenspiel“. Man muß das
verstehen: es mag den Dichter gelockt haben, unmittelbar
nach Vollendung eines großen Werkes, seine Gestalten noch
einmal, nur auf anderen Schicksalsbahnen wandeln zu
lassen. Wie naheliegend bei einem Dichter von dem immer
vergeistigter, raffinierter werdenden inneren Gesicht Schnitzlers!
Erinnern wir uns: Schnitzler, ein Geist und Gemüt, erfüllt
von den Schönheiten. Melancholien, (ich muß leider das
verdächtige Wort gebrauchen!) Kulturen Wiens, ging, wie
alle Dramatiker Oesterreichs von altersher, vom Theater
aus. Die „Liebelei“ ist erfüllt vom Theaterwelt (der alte
Weyrin, Logenbesuch im Burgtheater u. s. w.): „Freiwild“.
ist bekanntlich völlig ein Stück vom Theater. Dann ward
aus dem Theater die Welt der Masken und Schnitzler
schrieb jene seinen psychologischen Dramen in Helldunkel,
die für alle Zeiten seine Art und Natur bleiben werden.
Fortschreitend in die Versenkung der Seele, kan und kommt
er heute zu den nun schon fast branndunkeln Spielen mit
Symbolen und Abstrakten. Zumeist jener der Liebe und
ihrem Fluche — der gebrochenen Treue. Komödien der
Treue sind auch die neuen Einakter „Stunde de###
Erkennens“, „Große Szene“, „Das Bacchust
fest“. Sie zeigen uns den Dichter von keiner neuen Seite.
anziehendstem Gewinn, eine neue Arbeit Schnißlers zu
empfangen.
Stücke der ehelichen Treue, vom erotischen Krieg,
Bekenntnisse aus der ehelichen Gefangenschaft sind die drei
Akte. In „Stunde des Erkennens“ in tragischer Tönung,
in „Große Szene“ komödienhaft, in „Das Bacchusfest“
satirisch-ironisch. Wundervoll, pointiert, tiefgeschürft die Auf¬
deckung der Mannesfeele. Wahrhaft ein Verrat an den
letzten Geheimnissen der Mannesart! Was bleibt benn den
Frauen an uns zu erkennen übrig, wenn ein Schnitzler so
alle Schleier lüftet? Indes — es geschieht mit der
kultiviertesten Geste, mit einem goldenen Schlüssel mensch¬
lichen Scharfsinnes.
Das Burgtheater läßt den Stücken eine tüchtige Dar¬
stellung angedeihen. Herr Walden spielte den messerscharfen,
kalten Arzt der „Stunde des Erkennens“ den „tollen
Hanswurst“ des Stückes vom Komödianten und endlich
den Schriftsteller des „Bacchusfest“. Er steht immer irgend¬
wie im Stande einer ge= und zerbrochenen Ehe. Walden
ist eindringlich und bedeutend als Arzt, interessant, scharf¬
Grau¬
kantig und von der angestrebten verversen
samkeit als Autor des „Bacchusfest" und Mann
einer im Durchgehen begriffenen Frau. Walden ist