II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 29

eenenenchecheneneneneenen
Ideen= und Gestaltenwelt zu befassen. Während niemals“
die Tugenden der Deutschen in hellerem Lichte gestrahlt
haben, während alle, Männer wie Frauen, täglich bewun¬
derungswürdige Proben von Heldenmut, Selbstverleugnung,
Treue, Aufopferung geben, findet S.s Muse nichts Besseres,
als Menschen vorzuführen, die faul bis ins Mark sind,
erbärmliche, von ihrem kleinlichen Selbst aufgeblähte Wichte,
bei denen nichts als die Brunst groß ist und die in unauf¬
hörlichem leeren Wortschwall vor den Zuhörern ihre nur
für sie interessanten Erlebnisse und unsauberen Gelüste ent¬
hüllen. Die Einakterreihe „Komödie der Worte“, nebenbei
bemerkt, einer jener bei dem Verf. beliebten, weil die Neu¬
gierde erregenden Titel, die alle möglichen Deutungen zu¬
lassen und eigentlich gar nichts bedeuten, ist eine Aneinander¬
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Literatur. — 6. November. —
behandelt, gar nicht zum Worte kommen, und erzählt im
reihung von Ehebrüchen in verschiedenen Spielarten. Bei
Laufe des Gesprächs, das die drei Personen bei der Jause
S. wechseln nämlich Männer und Frauen einander aus,
wie die Handschuhe, unbekümmert um Treueschwüre, und
führen, den Inhalt des von ihm eben vollendeten Dramas,
man verzeiht sich in der Regel auch wieder leicht, weil man
betitelt: „Das Bacchusfest". Es spielt auf den Brauch der
sich ja eigentlich nur dasselbe vorzuwerfen hat. Das also
alten Griechen an, wonach einmal im Jahre alle Bande
wäre der Gewinn, den wir aus der mit Recht erfolgten
zwischen Männern und Frauen, alle Bande der Familie,
Aechtung der französischen Sitten= oder vielmehr Unsitten¬
alle Gebote der Sitte eine Nacht hindurch aufgehoben waren.
Am nächsten Morgen kehrten Alle aus dem Hain in ihre
komödien gezogen haben! Man vertreibt sie, um sie auf
der anderen Seite in vergröberter Gestalt unter deutscher
Behausungen zurück und das Familienleben nahm wieder
seinen gewöhnlichen Lauf und niemandem durfte ein Vor¬
Maske wieder hereinzulassen. Die Franzosen haben uns
wurf aus dem Geschehenen erwachsen. Wehe aber dem,
wenigstens zumeist mit Geist und Witz entschädigt; aber
der eine Wiederholung der Nacht anstrebte! Darauf stand
was ist davon in der „Komödie der Worte“ zu verspüren?
der Tod oder aber die betreffenden Schuldigen durften nie
Witzeln ist noch nicht witzig sein und geistreich tun noch
nicht geistreich sein.
wieder zurückkehren und blieben für ihr weiteres Dasein
aufeinander angewiesen. Die allegorische Erzählung hat
In der „Stunde des Erkennens“ (erster Einakter) jagt
ihre Wirkung getan: Dr. Wernig reist mit dem nächsten
ein Arzt nach zweiundzwanzigjähriger Ehe und nach zehn¬
Zug ab und Frau Staufner bleibt bei ihrem Gatten:
jährigem Schweigen seine Frau an dem Tage aus dem
Hause, an welchem die Tochter als verheiratete Frau das
Felix.
(mit einem plötzlichen dumpfen Ausbruch):
Elternhaus verlassen hat. Diese zu schonen hat er zehn
Ich hasse Dich.
Jahre lang zu dem von ihm sogleich entdeckten Ehebruch
Agnes.
seiner Frau geschwiegen. Wie wahrscheinlich das klingt
Und ich Dich noch tausendmal mehr —— (mit einem neuen Aus¬
und wie edel das Vorgehen des Gatten ist, der, seinem
druck der Zärtlichkeit), mein Geliebter!
eignen Geständnis zufolge, die Untreue der Frau gründ¬
Vorhang.
lich vergolten und sich stets schadlos gehalten hat!
Gott, wie geistreich!
Sein Verdacht fällt aber auf den Unrichtigen, nämlich auf
In allen drei Einaktern geht, wie man sieht, auf der
den seiner Vorzüge wegen stets beneideten Jugendfreund,
Bühne blutwenig vor. Es wird nur immer geredet, geredet,
den die Frau wirklich nur geliebt hat, während sie mit
Und zwar das platteste, alltäglichste Zeug. Aber nein;
einem anderen sich verging. Sie läßt ihn bei seinem Irr¬
hie und da kommen Bemerkungen, die uns S.s Lobredner
tum und geht aus dem Hause, wobei ihr Ziel ungewiß
als Ausflüsse seiner feinen Seelenkenntnis preisen werden.
bleibt. — In der „Großen Szene“ soll ein allgemein be¬
Sieht man aber genauer zu, so erkennt man, daß dieser
wunderter und umschwärmter Bühnenkünstler geschildert
angebliche psychologische Tiefsinn gewöhnlich aus Gemein¬
werden, der, ein erwachsenes Kind, moralisch ganz haltlos
plätzen, Binsenwahrheiten besteht, wenn er nicht einfach
durchs Leben geht und nur von seiner ihn liebenden Frau
Unsinn bedeutet; z. B. (in „Stunde des Erkennens"):
stets wieder gestützt und auf den richtigen Weg geführt
Klara.
wird. Jetzt hat er aber etwas gar zu Arges begangen.
Halten Sie Karl für einen guten Menschen?
Er hat die Braut seines Freundes, die dieser nächster Tage
Ormin.
heiraten soll, verführt, und als ihn der Bräutigam deshalb
Hm, Sie stellen mich da vor eine schwierige Frage. Gut — gut
zur Rede stellt, spielt er eine schon früher abgekartete „große
wird er wohl sein. Das sind wir ja alle mehr oder weniger. Aber
.. Güte ist nämlich etwas sehr Hobes und Seltenes.
gütig
Szene“ und beweist durch einen gefälschten Brief, daß
Aus Güte kann man sogar Verbrechen begehen, fündigen... Gute
zwischen ihm und dem Mädchen nichts Ernstes vorgefallen
Menschen bringen es höchstens bis zu kleinen Gemeinheiten.
sei. Diese schamlose Lüge und Verstellung ist seiner Frau,
Oder (in der „Großen Szene"):
die die Szene belauscht hat, doch zuviel und sie, die wegen
Falk.
dieses Verhältnisses den lockeren Vogel schon früher für
„... Es ging ein so angenehmer Waldduft von seinem ganzen
einige Wochen im Stiche gelassen hatte, will jetzt ganz von
Wesen aus. So ganz unliterarische Menschen sind eine wahre Wohltat.
ihm scheiden. Aber in diesem Augenblick kommt der Künstler
Ich trau ihm zu, daß er in seinem ganzen Leben kein Stück ge¬
schrieben hat.“
im Hamletkostüm aus dem benachbarten Theater. Er soll
heute Abend diese Rolle spielen und will nicht auftreten,
Derselbe spricht auch von einer „angehenden Schauspielerin,
wenn seine Frau nicht in der Loge sitzt. Gleich darauf
die übrigens weder Sie noch mich, ja nicht einmal ihn
folgt der bestürzte Direktor: das Haus ist ausverkauft und
im allergeringsten anzugehen scheint". Dahin gehören auch
der Wagen einer prinzlichen Hoheit ist schon vorgefahren.
die Bemerkungen über die Theaterkunst, die bei einem Autor,
Künstler und Direktor bringen die widerstrebende Gattin
der dem Theater so viel verdankt, besonders wundernehmen.
fast mit Gewalt ins Theater; die Vorstellung ist gerettet
Wenn man sich die Zusammensetzung der Theaterbesucher
und auch die Künstlerehe dürfte es, wenigstens auf eine
namentlich die offenbar nicht kriegstauglichen jugendlichen
Zeit lang, wieder sein. — „Das Bacchusfest“ spielt in der
Scharen in den Stehplätzen der oberen Ränge genauer
Bahnhofshalle einer „österreichischen Gebirgstadt“; im Stück
betrachtete, so konnte ein lärmender äußerer Erfolg der
wird Salzburg als diese bezeichnet. Ein junger Chemiker,
Neuheit von vornherein nicht bezweifelt werden. In der
Wernig, und die Frau des Schriftstellers Felix Staufner
Tat waren die Beifallskundgebungen, zumal nach dem possen¬
erwarten letzteren, der, um ein Werk zu vollenden, mehrere
artigen Schlusse des zweiten Einakters, und als sich S. seinen
Wochen in der Einsamkeit des Stubaitales zugebracht hatte.
treuen Anhängern persönlich zeigte, sehr laut. Nach dem
Während seiner Abwesenheit war (natürlich) in der Sommer¬
ersten und dritten Einakter, die mit ihrem endlosen, leeren
frische zwischen Dr. Wernig und der verlassenen Frau ein
Wortgeplätscher auf die Zuhörer eine geradezu lähmende
Liebesverhältnis entstanden und sie wollen nun dem gehörnten
Wirkung übten und auch den geschickten Bühnentechniker
Gatten erklären, daß er allein in das eheliche Heim zurück¬
nicht erkennen ließen, war selbst dieser Beifall recht schwach
kehren müsse. Herr Staufner erkennt beim zuerst unbemerkten
geworden und die dem Verf. doch so nahestehende und
Anblick der beiden sogleich, wie es um sie steht, läßt den
wohlwollende Wiener Presse rät schüchtern Kürzungen an.
unbeholfenen Jüngling, den er mit ausgesuchter Höflichkeit] Und für dieses öde Machwerk waren die ersten Kräfte des