II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 71

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26. 1. Konoedie der Norte—zyklus
Francisco, Stockholm, St, Petersburg, Porome.
(Barlitnahtabelsae Gevahn)
Ausschnitt aus: und Handelsblate
Mähr.-Ostrau
vom15.0K1.191!
heater, Kunst
und Wissenschaft.

Der neue Schnitzler.
„Komödie der Worte.“
Aus Wien wird gemeldet: Das Burgtheater
hatte am Dienstag seinen ersten Premiaren=Abend:
Die Uraufführung des Einakter=Zyklus „Komödie
lder Worte“ von Arthur Schnitzler. Der Dichter
betitelt die Einakter: „Stunde des Erkennens“,
„Große Szene" und „Das Bacchusfest“. Er gibt ihnen
keine nähere, sie charakterisierende Bezeichnung. Sie
sind nur lose miteinander verbunden. Das sie um¬
schließende Bild bildet die Komödie der Worte, die
große Lüge, in der Menschen oft in engster Gemein¬
Sisan

schaft leben. „Stunde des Erkennens“ ist ein ern¬
w#u#de, hatte von allen drei Einaktern der mittlere.
spielen belauscht hat, graut ihr vor dieser abgrund¬
stes, tiefgründiges Schauspiel. „Große Szene“ schwantt
der wirklich die „große Szene“ bringt, den laute¬
tiefen Charakterlosigkeit. Sie kann nur mit einem
zwischen Lustspiel und Burleske, wiewohl auch hier
sten Erfolg. Er enthält eine Bombeurolle — hier
Menschen zusammenleben, nicht aber mit einem
eine sehr ernste „große Szene“ das eigentliche Ruck
von Harry Walden gegeben. — und wird sicher
„toll gewordenen Hanswurst, der, wenn sich's ein¬
seinten Weg über die Bretter machen, die glücklicher¬
grat bildet. „Das Bacchusfest“ ist mit dem allen
mal fügt, auch bereit ist, einen Menschen zu
weise nicht die Welt bedeuten, wenn draußen
Cyprine=Motiv ein Lustspiel.
spiel
* Dieser Eutschluß hält aber nur so
„Thronc bersten, Reiche zittern“.
lange vor bis Herbot, schon im Hamlet=Kostüm,
Aus Darmstadt wird berichtet: Arthur
aus dem Theater herübergestürzt kommt und mit
Ernst Posselt
[Schnitzlers drei Einakter „Komödie der Worte“
einer zweiten großen Szene seine harmlose Gattin
hatten, am Darmstädter Hoftheater unter Baumei¬
abermals in seinen Bann zwingt.
Die Psychologie dieser Figur ist leicht zu ver¬
sters Regie aufgeführt, einen großen Erfolg, der be¬
stehen. Wir haben den eitlen und genußsüchtigen
sonders dem zweiten und britten Stück galt. Der Ver¬
Pirtuosen schon oft genug im Theater und im Ro¬
stellung wohnten der Großherzog und die Geeicherze
man begegnet. Dagegen ist das, was uns Schnitzler
gin mit vielen Gästen bei. Ferner waren zahlreiche
in den beiden anderen Einaktern vorsetzt, reichlich
i deutsche Theaterdirektoren anwesend.
verstiegen: In der Siunde des Erkennens
die Frau eines Arztes, die einen andern, zu wissen¬
schaftlicher Berühmtheit aufgestiegenen Medizinter
liebt, sich diesem Ecliebten aber versagt, weil er
„ihr Schicksal“ werden könnte, sich dafür aber umso
bereitwilliger von einem verbummelten Literaten
trösten läßt. Dann den Arzt selber, der um den
nitt aus:
Betrug seiner Frau weiß, aber die eheliche Gemein¬
Wuchener Neueste Muemrkzten
schaft aufrecht erhölt, bis seine Tochter an den
Mann gebracht ist, und der dann erst seiner Frau
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München
den Stuhl vor die Türe setzt. Gegen diesen Arzt
seiner Ehre, der kalthlütig seine Rache zehn Jahre
aufspart und dann brutal wie mit dem Geziermesser
im Herzen seiner Frau herumfährt, ist Calderons
* Wiener Theater. Man schreibt uns aus Wiesl¬
gleichnamige Figur der reinste Waisenknabe. Dies
Das Burgtheater hat die Reihe seiner dies¬
alles verstehe, wer kann. auch die blutlosen Sche¬
jährigen Neuheiten mit drei Einaktern von Artur
men, die das Bacchusfest an uns vorüberziehen
Schnitlereinem Hausdichter, begonnen.
läßt: den berühmten Schriftsteller, der seine Frau,
Komödie der Worte ist dieser Zyklus über¬
die ihn mit einem Gimpel betrogen hat, anbrüllt:
schrieben. Er zeigt Schnitzlers feine, ja überfeinerte
„Ich hasse dich!“ und dann die Frau selber, die er¬
Kunst der Dialogführung und psychologischen Spitz¬
widert: Ich dich noch tausendmal mehr — mein
findigkeiten im hellsten Lichte. Bezeichnend ist, daß
Geliebter!“ Die einzig lebenswahren Gestalten in
von allen Gestalten, die diese drei Einatter bevöl¬
diesen Stückchen sind der Portier und der Zahl¬
kern, die Figur eines großen Komödianten am
kellner des Salzburger Bahnhofes, in dem das
echtesten und glaubhaftesten wirkt. Und gerade on
Bacchusfest bei Soda mit Himbeer und Melange
ihm will der Autor uns zeigen daß der virtuose
mit Gugelhupf sich abspielt.
Darsteller, der jeden Abend in einen anderen
Die gesinnungstüchtige Wiener Presse läuft
Charakter schlüpft, am Ende sein eigenes Wesen
Sturm gegen die Leitung des Burgtheaters, weil
einbüßt, so daß er kein Mann mehr ist, sondern nur
sie in dieser ernsten Zeit derartige wurmstichige
noch eine klingende Schelle. Knapp vor Beginn des
Ehebruchsdramatik auf die Bühne bringt. Man
Hamlet mimt der berühmte Hofschauspieler Konrad
braucht diesen Entrüstungsrummel nicht mitzu¬
Herbot einem jungen, kreuzbraven Menschen, den
machen, wird aber doch zugeben müssen, daß dem
er mit seiner Braut hintergangen hat und der
alten Wiener Stoßseufzer: „Glückliche Leut, ham zu
Rechenschaft von ihm fordert, eine „Große
so was a Zeit!“ seine Berechtigung. nicht abzuspre¬
Szene“ vor, um sich reinzuwaschen. Er weiß so
chen ist, wern man Schnitzlers eminentes Können
geschickt Wahrheit und Lüge zu mischen, gibt so ge¬
und den großen Apparat des Burgtheaters in den
fühlvolle Extempores von sich, daß er am Ende wie
Dienst solcher Belanglosigkeiten gestellt sieht.
dies jeder gute Schauspieler tun soll, beinahe selber
In der Darstellung feiert das Burgtheater einen
an seine Rolle, diesmal an seinen geheuchelten
Triumph seiner sorgfältig gepflegten Sprechkunst
Edelmut glaubt. Seine Frau hat ihm schon man¬
die bis an die Grenzen der unglücklichen Akustik
chen Seitensprung verziehen Jetzt aber, da sie im
Nebenzimmer Herbots Meisterstück im Komödie=] des Hauses geht. Wie schon telegraphisch gemeldet !
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