II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 109

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26.1. Kongedie der Forteyklus
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Rundschau.
„Grünen Kakadu“, an „Lebendige Stunden“
wachsen im Geiste der schöpferischen Erziehung
und das „Zwischenspiel", an „Komtesse
Wynekens, gilt Artür Kutschers Gelöbnis:
Mizzi“ und das „Weite Land“. Wo Schnitzter
„Wir wollen ihre Kärrner sein; sie werden
königlich bauen.“
das Theater nicht selber auf die Bühne
Dr. Max Pirker.
bringt, spielen doch Schriftsteller, Künstler
Wiener Theater.
und Schauspieler, die vom Theater reden,
die geistig führende Rolle, und in dem
Mit begreiflicher Spannung hatte man
Einakterzyklus „Marionetten“ müssen gar
die Uraufführung der drei neuen Einakter
Puppenspiele das Leben versinnbildlichen.
von Artu==Schnitzlen im Burgtheater er¬
Daß sich die poetischen Gleichnisse zwischen
wartet und mit achtungsvoller Schonung
Bühne und Welt nicht immer natürlich und
verhüllt und enthüllt, was an ihnen ent¬
ungezwungen ergeben, sondern dem Fern¬
täuschte. Sie führen den verbindenden Titel
stehenden, der in einer anderen geistigen und
„Komödie der Worte““ Es ist ein echter
sittlichen Atmosphäre lebt, nur zu oft recht
Schnitzler=Titel, der zu allem und zu nichts
konstruiert erscheinen, begreift sich leicht.
verbindet, sozusagen: ein Titel mit doppeltem
Schnitzler wähnt, er beleuchte die problema¬
Boden. Er bedeutet Entschuldigung und
tische Welt des in uns allen schlummernden
Rechtfertigung zugleich und wer will, kann
Komödiantentums von immer neuen Seiten,
aus ihm einen Strick drehen oder in ihm
und merkt nicht das ewige Einerlei, in dem
den letzten und tiefsten Sinn aller dramati¬
er sich bewegt. Wie sehr man die Kunstfer¬
schen Kunst ausgedrückt finden. Worte sind
tigkeit bewundern mag, womit er sein Lieb¬
Masken, hinter denen wir unsere Seele,
lingsthema abwandelt, so kann man sich
unsere Gefühle und Gedanken verbergen oder
doch des Eindruckes einer künstlich bewegten
durch die wir sie steigern, um sie anderen
Monotonie nicht erwehren. Im Gegenteil:
sichtbar zu machen, und Masken sind und
je tiefer Schnitzler in die Welt des Scheins
bleiben ein Hauptrequisit des Bühnenspieles.
hineinhorcht, um die letzten psychologischen
Warum also nicht „Komödie der Worte?“
Geheimnisse ihres wahren Seins zu er¬
Mit Worten läßt sich trefflich streiten, mit
lauschen, desto enger, so scheint es, wird der
Worten ein System bereiten, und es hieße
Kreis seiner poetischen Gestalten, und je
selber eine Komödie der Worte aufführen,
feiner und zarter das Dämmerleben der
wollte man den Titel gegen den Inhalt der
Seelen sich kundgibt, das er zutage schürft,
neuen Einakter Schnitzlers ausspielen oder
desto schwerer wird dem Zuschauer die geistige
ihm gar das Recht absprechen, gerade durch
Mitarbeit und desto größer für Schnitzler die
die Möglichkeiten zu locken, die er offen
Gefahr, sich ins Abstrakte zu verlieren.
läßt. Mit Vorliebe bewegt sich Schnitzlers
Die drei Einakter, die in ihrem äußeren
poetisches Schaffen in den Grenzbezirken, wo
und inneren Zusammenhang als „Komödie
Wahrheit und Lüge, Sein und Schein in¬
der Worte“ angesprochen werden wollen,
einanderfließen und verschwimmen, wo die
scheinen mir bei dem Punkte angelangt zu
Wirklichkeit zum Spiel und das Spiel zur
sein, wo man dem Dichter nicht mehr mit
Wirklichkeit wird und diese sich in eine
vollem künstlerischen Interesse zu folgen ver¬
Geistigkeit auflöst, die jenseits von Gut und
mag. Wohl weisen auch sie alle Vorzüge
Böse hinter das Geheimnis unserer seelischen
auf, die dem poetischen Schaffen Schnitzlers
Triebkräfte zu kommen sucht. Diese Vor¬
so oft nachgerühmt wurden, daß man sie
liebe Schnitzlers, unser Tun und Handeln
kaum mehr zu wiederholen braucht. Allein
im Zwielicht des Bewußten und Unbewußten
die Art, wie Schnitzler seine Gestalten mit
dramatisch aufzuzeigen, rührt offenbar von
dem Reiz der Ungewißheit umgibt, indem er
der besonderen Stellung her, die er dem
es der Phantasie des Zuschauers überläßt,
Theater gegenüber einnimmt. Er schreibt
zu erraten, wo die Lüge aufhört und die
nicht nur fürs Theater, das Theater selber
Wahrheit beginnt, hat künstlerische Berechti¬
ist ihm ein wichtiges psychologisches Problem,
gung doch nur in der „Großen Szene“, im
das ihn nicht locker läßt, das ihn immer
zweiten der drei Einakter. Er handelt vom
wieder beschäftigt und verleitet, poetische
Doppelleben des Schauspielers, der sich nicht
Gleichnisse zwischen Bühne und Welt anzu¬
nur auf der Bühne mit schönen Worten und
stellen.
schönen Leidenschaften behängt. Solange der
In fast allen Stücken Schnitzlers spielt
Komödiant kleinen Liebschaften mit zweifel¬
das Theater irgendwie hinein, sei es als
haften Geschöpfen nachjagte, glaubte seine
treibendes Element oder nur als kontrastie¬
Frau ein Auge zudrücken zu dürfen. Nun
rendes Illustrationsmittel. Man denke an
er die Braut eines braven jungen Mannes
das „Märchen“, an „Liebelei" und „Frei¬
verführt hat, wird es der Frau zu arg und
wild“, an das „Vermächtnis“ und den
sie kehrt nur unter der Bedingung wieder zu
* Buchausgabe bei S. Fischer in Berlin.