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26.1. Kongedie der orte zuklus
teten Tochter übersiedeln wollte, ja, daß er die Auflösung ihres Haushal¬
tes, die unpraktisch und unmoralisch gewesen wäre, so lange ihr Kind da¬
heim war, jetzt geradezu wünsche: denn er weiß alles, wußte von ihrem Be¬
trug, hat sie nicht fortgejagt und hat zehn Jahre lang geschwiegen und
dieser Stunde entgegengelebt. Sie begreift ihn nicht; kann es nicht ver¬
stehen, daß ihm die Tatsache ihrer Untreue gegenüber der Qual ihrer da¬
maligen Entfremdung überhaupt noch etwas zu bedeuten hatte und er¬
innert ihn daran, wie glücklich sie beide gerade nach jener Episode noch
werden durften. Wieder muß sie erfahren, daß sie irrt: in grausamem Triumph,
jeden seiner Streiche auskostend, sagt er ihr höhnend, daß er sie nur in die¬
sem Glauben gelassen, daß er aber von damals an seine Existenz von der ihren
getrennt habe und daß sie ihm nicht mehr Geliebte oder Gattin bedeutet habe,
nur — was sie ihm „unter diesen Umständen“ eben noch sein konnte. Sie
schreit auf: „Du hättest mirs sagen müssen, eh’ du mich wieder nahmst.
Du hast mich schlimmer betrogen und tausendmal feiger als ich. Du hast mich
tiefer erniedrigt, als ein Mensch den andern erniedrigen darf.“ Er rast in wil¬
dem Frohlocken: „Fühlst Du das? — O das tut wohl.“ Und aus seinen her¬
vorgeschrienen Worten merkt sie erst, daß er gar nicht weiß, wer ihr Lieb¬
haber war; daß er sich nur deshalb so verhöhnt und beschmutzt fühlte, nur
deshalb nicht verzeihen kann, weil gerade der es war, dem alles zuflog, was
sich Eckold versagte, er, der sich den Größeren dünkte und der nur der Leicht¬
fertigere war — Ormin, der Herrliche, der Ueberlegene, der Götterliebling mit
der „geschmackvoll eingerichteten Seele“ Klara richtet sich auf. Sie spricht
das Wort nicht, das alles lösen konnte, drückt den Stachel noch tiefer in seine
Seele: „Daß ich mit keinem Menschen durch viele Jahre so innig nah ver¬
bunden war als mit dir, das werd ich nie vergessen. — Und auch du wirst
dich später einmal, bald, wenn du nur ruhiger geworden bist, wieder daran
erinnern. Aber was war alles, was das Leben mir geschenkt, was war Hei¬
matfriede, Mutterglück — gegen die kurze Frist von Seligkeit, in der ich seine
seine — in der ich — Ormins Geliebte war!“ Und sie geht, um nie zu¬
rückzukehren.
Die „Stunde des Erkennens“ ist vorüber. Aber diese Menschen, die jetzt
erst zu wissen glauben, wie sie wirklich sind, haben sich ganz in die Maske
ihrer Worte gehüllt. Und so wissen sie voneinander jetzt weniger als zuvor.
Dann: „Große Szene“. Die Frau des genialen Schauspielers Herbot
hat ihn verlassen, nicht weil er ihr treulos war, sondern weil er eine In¬
famie begangen hat. Wäre es eines jener Philinchen gewesen, die weder ge¬
gen sich noch gegen andere Verpflichtungen hatte — sie hätte wieder ver¬
ziehen, wie schon oft. Aber diesmal war es ein unberührtes Mädchen und
dazu die Braut eines Freundes ... Wenn sie trotzdem wieder zu ihm zurück¬
kehrt, so geschicht es, weil sie sich selbst nicht ganz ohne Schuld fühlt:
sie hat, ohne das geringste zu gewähren, ein wohltuendes Gefühl in der
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