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26. 1. Komoedie der Vorte—zyklus
Gesellschaft eines jungen Mannes gefunden, der Gottlob gar kein Genie ist,
aber brav und gut und vor allem ohne Lüge. Und von ihrem Gatten, zu
dem sie wieder gekommen ist, weil sie ihn trotzalledem liebt und weil sie
weiß, daß er sie braucht, daß er ohne sie nicht leben und nicht spielen
kann, trotzalledem — von ihm will sie nur mehr, daß er nicht mehr
lügen, daß er wahrhaft sein und nicht sich und anderen Komödie vorspielen
soll. Sie selber aber muß ihn beschwören, noch einmal zu lügen, um sich
zu retten; denn der Bräutigam jenes verführten Mädchens tritt vor ihn hin
und fordert, wunderschön menschlich, ohne Rächerpathos, zu jedem Be¬
greifen bereit, von ihm ein einfaches Ja oder Nein auf die Frage, ob er der
Geliebte seiner künftigen Frau war. Und nun spielt ihm Herbot eine glanzvolle
Szene vor, leugnet halb und bekennt halb: er habe das Mädchen geliebt, aber
sie, der er gefährlich zu werden drohte, habe ihn abgewiesen, weil sie ein¬
zig und für immer ihren Bräutigam liebe — und er beweist es durch einen
Brief, dessen Datum er freilich vorsorglich abgeändert und vorausgescho¬
ben hat. Spielt und berauscht sich selbst an seiner schöpferischen Kraft,
die Wahrheit und Dichtung durcheinanderwirbelt, bis sich ihm selber die
Grenzen verwischen, steigert sich zu einer Glaubhaftigkeit echter Menschlich¬
keit, die schließlich auch den betrogenen jungen Mann bezaubert und über¬
zeugt. Die Frau aber erfaßt jetzt das tiefe Grauen, das einfach Empfindende
vor den Geheimnissen des künstlerischen Wesens oft überfallen mag; um so
heftiger, als sie hören muß, daß alles, der Brief und die ganze Szene, zwischen
Herbot und der kleinen Kanaille im vorhinein für alle Fälie abgekartet war
und es schaudert sie, daß ein Mensch so lügen kann und sich noch daran
freuen, wie an einer künstlerischen Leistung und dabei ahnungslos dafür sein,
was er eigentlich verschuldet und zerstört hat. Und sie will wieder fort, für
immer. Und wieder erobert er sie sich zurück, durch den Sturm seiner Rede,
den Tumult seiner liebeserfüllten Worte, den Zauber seiner hinreißenden Kind¬
lichkeit und Unschuld. Sie ist ihm eben verfallen. Und sie wird weiter bei
ihm bleiben, er wird weiter lügen und trotzdem seine kluge, brave Frau lieb¬
haben: sie wird ihn weiter lieben und wird weiter leiden..
Diese große Szene ist von einer verwegenen Anmut, einem Glanz, einer
blendenden Ironie und Wahrhaftigkeit im Entschleiern der Schauspieler¬
psyche, einem Rhythmus und einer geistigen Lebendigkeit, wie sie heute kaum
einer außer diesem Meister zu schaffen vermag. Aber auch die anderen Sze¬
nen des Stücks — in denen Schnitzler übrigens der feinen, vornehm gütigen
und klaren Erscheinung Otto Brahms ein edles Denkmal setzt — haben eine
feine Menschlichkeit, einen Zauber des Dialogs, einen Ton, die dieser sinn¬
vollen Komödie nicht nur einschlagende Wirkung, sondern innere Fülle und
Wert geben.
Schließlich: „Das Bachusfest“. Der Schriftsteller Felix Staufner hat
seine junge Frau Agnes sechs Sommerwochen lang allein gelassen, um sein
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26. 1. Komoedie der Vorte—zyklus
Gesellschaft eines jungen Mannes gefunden, der Gottlob gar kein Genie ist,
aber brav und gut und vor allem ohne Lüge. Und von ihrem Gatten, zu
dem sie wieder gekommen ist, weil sie ihn trotzalledem liebt und weil sie
weiß, daß er sie braucht, daß er ohne sie nicht leben und nicht spielen
kann, trotzalledem — von ihm will sie nur mehr, daß er nicht mehr
lügen, daß er wahrhaft sein und nicht sich und anderen Komödie vorspielen
soll. Sie selber aber muß ihn beschwören, noch einmal zu lügen, um sich
zu retten; denn der Bräutigam jenes verführten Mädchens tritt vor ihn hin
und fordert, wunderschön menschlich, ohne Rächerpathos, zu jedem Be¬
greifen bereit, von ihm ein einfaches Ja oder Nein auf die Frage, ob er der
Geliebte seiner künftigen Frau war. Und nun spielt ihm Herbot eine glanzvolle
Szene vor, leugnet halb und bekennt halb: er habe das Mädchen geliebt, aber
sie, der er gefährlich zu werden drohte, habe ihn abgewiesen, weil sie ein¬
zig und für immer ihren Bräutigam liebe — und er beweist es durch einen
Brief, dessen Datum er freilich vorsorglich abgeändert und vorausgescho¬
ben hat. Spielt und berauscht sich selbst an seiner schöpferischen Kraft,
die Wahrheit und Dichtung durcheinanderwirbelt, bis sich ihm selber die
Grenzen verwischen, steigert sich zu einer Glaubhaftigkeit echter Menschlich¬
keit, die schließlich auch den betrogenen jungen Mann bezaubert und über¬
zeugt. Die Frau aber erfaßt jetzt das tiefe Grauen, das einfach Empfindende
vor den Geheimnissen des künstlerischen Wesens oft überfallen mag; um so
heftiger, als sie hören muß, daß alles, der Brief und die ganze Szene, zwischen
Herbot und der kleinen Kanaille im vorhinein für alle Fälie abgekartet war
und es schaudert sie, daß ein Mensch so lügen kann und sich noch daran
freuen, wie an einer künstlerischen Leistung und dabei ahnungslos dafür sein,
was er eigentlich verschuldet und zerstört hat. Und sie will wieder fort, für
immer. Und wieder erobert er sie sich zurück, durch den Sturm seiner Rede,
den Tumult seiner liebeserfüllten Worte, den Zauber seiner hinreißenden Kind¬
lichkeit und Unschuld. Sie ist ihm eben verfallen. Und sie wird weiter bei
ihm bleiben, er wird weiter lügen und trotzdem seine kluge, brave Frau lieb¬
haben: sie wird ihn weiter lieben und wird weiter leiden..
Diese große Szene ist von einer verwegenen Anmut, einem Glanz, einer
blendenden Ironie und Wahrhaftigkeit im Entschleiern der Schauspieler¬
psyche, einem Rhythmus und einer geistigen Lebendigkeit, wie sie heute kaum
einer außer diesem Meister zu schaffen vermag. Aber auch die anderen Sze¬
nen des Stücks — in denen Schnitzler übrigens der feinen, vornehm gütigen
und klaren Erscheinung Otto Brahms ein edles Denkmal setzt — haben eine
feine Menschlichkeit, einen Zauber des Dialogs, einen Ton, die dieser sinn¬
vollen Komödie nicht nur einschlagende Wirkung, sondern innere Fülle und
Wert geben.
Schließlich: „Das Bachusfest“. Der Schriftsteller Felix Staufner hat
seine junge Frau Agnes sechs Sommerwochen lang allein gelassen, um sein
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