II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 118

box 32/1
26 1 Kongedie der Norte zuklus
nens“ und in jedem spielt der Mann siegreich seine „große Szene“. Es
ist erstaunlich, wie viele tief geschaute und schmerzlich empfundene Dinge
unter diesem in Geist und Anmut schimmernden Dialog verborgen liegen; wie
alles, was zuerst irgendwie konstruiert darin scheint, gesetzmäßig und mensch¬
lich wahr wird, wenn man diesen Dingen nachgräbt; wie schwer beladen von
Erkenntnis und Erlebnis diese scheinbar so leicht und mühelos bewegten Komö¬
dien sich dem Näherblickenden entschleiern. Wobei auch ihr einziger „Feh¬
ler“ offenbar wird: man sollte sie gleich zum zweiten oder dritten Mal gesehen
oder gelesen haben.
Die Aufführung war fast durchweg auf außerordentlicher Höhe. Harry
Walden spielt die drei männlichen Hauptrollen mit unglaublicher Bravour,
niemals um selbstgefällige „Effekte“ bemüht, mit schöner Haltung und wirkli¬
chem Takt. Als Dr. Eckold gallig, mit der subalternen, hämischen Bosheit
des Nichtarrivierten und doch mit einem Unterton von Unseligkeit, von zer¬
tretener Güte, und dann mit der gleichsam sachlichen Grausamkeit eines Vi¬
visektors; als Herbot hinreißend liebenswürdig und glänzend, knabenhaft eitel,
famos aus Unechtheit und künstlerischer Selbstbeherrschung gemischt; als
Felix Staufner überlegen, sprudelnd, nicht ohne heitere Tücke und durchaus
glaubhaft in seiner intellektuellen Sicherheit. Prachtvoll ist Devrient als
Ormin; in jedem seiner leisen, vornehmen, von Weisheit erfüllten Worte einer,
der in Ruhm und äußerem Glück sein Leben versäumt hat. Frau Bleibtren
ist als Klara vielleicht etwas zu massiv, ihr Ernst, ihre Würde und ihre klare
Rede geben der Gestalt mehr Festigkeit, als der Dichter es wohl dachte. Frau
Medelsky, auch hier die unmittelbarste, ergreifendste, empfindungsstärkste
Künstlerin, die die deutsche Bühne jetzt hat, ist als Frau des Schauspielers
manchmal schwer und schleppend, aber sie hat Momente von erschütternder
Innigkeit und Gefühlswahrheit. Fräulein Wohlgemuth kommt der Figur
der Schriftstellersgattin überhaupt nicht nahe, ist viel zu unbeweglich und für
so flüchtig vorhuschende scelische Schattierungen viel zu starr in all ihrer
blonden Schönheit. Menschlich wahr, fest, in famoser Haltung, rechtschaffen,
männlich bewegt und offen spielt Herr Gerasch, einfach und glaubhaft
wie nur selten zuvor, den betrogenen Bräutigam des zweiten Stückes. Sehr
artig ist Frl. Kutschera mit allen Frechheiten der angehenden Schauspie¬
lerin; köstlich Herr Romberg als sportlich vergnüglicher, aber geistig ver¬
sagender, aufgebrachter und immer wieder gedämpfter Liebhaber; von höch¬
ster Komik und zum Aufschreien echt Herr Baumgartner als Salzburger
Bahnhofsportier, und sehr anziehend und gütig im Ton, wenn auch wiederum
abseits von der eigentlichen dichterischen Gestalt, Herr Tiedtke als The¬
aterdirektor.
Der Erfolg war der schönste, der sich denken läßt. Am Abend der Erst¬
aufführung warm, herzlich, voller Zeichen der Liebe für den Dichter, dessen
Wesen und Schaffen allen teuer geworden ist. Aber erst hinterher, bei den
793