„Komödie der Worte“ drei Cinakter von
—Zweiter Gastspielabend
Arthur Schnit
des k. k. Hösschantickers Harry Walden. Trei
Einakter sind es, die der Dichter gestern uns vor¬
führte, halb philosophisch, halb scherzhaft, ein
Spiel, das uns zeigen sollte: Worte sind leerer
Schall, eine Umgangsmünze mit unbeständigem
Kurs, unter dem die Menschen ihr wahres Wesen
verstecken, ein Notbehelf, um die eigenen Gedan¬
ken zu verbergen, ein Pfandohjekt, um sich selbst
und andere zu betrügen oder in den Schlaf zu
kullen. Zuweilen aber können Worte lebendig
an eine
werden, wie die des Dichters, die
Schnur gefädelt — in ihrem Glanze, ihrem (Be.
dankenreichtum und geistigen Gehalt, einer Per¬
lenkette von unschätzbarem Werte gleichen.
„Stunde des Erkennens“ ist eigemtlich
eine Konödie des Schweigens, denn der betrogene
Gatte öffnet den Mund 10 Jahre zu spät. End¬
lich gestehen sich die beiden Gitten, daß ihr ehe¬
liches Glück eigentlich nur in den Worten lebte,
mit welchen sie sich das Glück ihrem Kinde zuliebe
vorgetäuscht haben. In der „großen Szene“
feiert die Kunst des Schauspielers einen Triumph.
Dieser Komödiant spielt so gut Komödie, daß
selbst seiner Fran dabei unheimlich wird und sie
sich deshaib von ihm trennt. Ein Theaterdirektor
keimt den Bruch. „Das Bacchusfest“ ist eine
Debatte über Liebesverirrungen, die der Dichter
durch schäne Gleichnisse aus der Mi##hologie zu
illustrieren weiß. In allen drei Stücken gab
Hurry Walden, der gefeierte Gast des Hosburg¬
theaters, die männliche Hauptsigur. Die Dar¬
stellung derselben erfordert viel Temperament,
Geist und Laune. Er hielt die einzelnen Charak¬
tere streng auseinander, führte den Dialog scharf,
klat und dentlich. Sein Spiel in Geste und Mine
ist überall großartig und hinreißend. Vieles er¬
innerte an Keinz. Die Gestalt ist zwar nicht die
gleiche, aber seine Natur, seine Kunst feiert
hier eine Wiedergeburt. Von den heimischen
Kräften standen neben dem Gast Frl. Beruth,
Frau Dir. Linzer, Frl. Finkler und Herr
Marholm in vorderster Reihe. Frl. Beruth
zeigte wieder ihr großes Können, wie die Schau¬
spieierin die Sängerin überflügelt. Ihre Hlara
war eine tief erschötternde Trouengestalt, echt in
ihrer Liebe, voll Kraft und Zuversicht in ihrem
Schmerz. Ebenso trefflich war die Sophie der
Frau Dir. Linzer, eine Menschenstudie von
kristallener Klarheit und reifer Kunst. Fräulein
Finkler sah entzückend aus. In zarter Ab¬
tönung zeichnete sie die von Haß und Liebe er¬
füllte Frau mit weithin glitzernden Farben. Herr
Marholm zeigte in den beiden Rollen, dem
Edgar Gley und dem Dr. Wernig, wie gut er zu
charakterisiecen versteht. Sein munteres, flottes
Spiel trug ihm warme Anerkennung ein. In
einer Episode konnte Frl. Dewald ihr heiteres.
lichtes Wesen gut zur Geltung bringen. Herr
Dir. Linzer hatte leichtes Spiel und durfte
ganz echt bleiben, den er gab das, was er ist: ein
Theaterdirektor. Herr Wipplinger wirtte
eingangs etwas schläfrig; später sand er den Ton
und auch die Temperatur für seinen im Gewande
der Selbsttäuschung einhergehenden Philosophen.
Die Aufnahme der drei Einakter wereine geteilte.
Die Mehrzahl der Besucher des ausberkauften
Hauses lauschte mit Spannung den Vorgängen
auf der Bühne, die uns durch die gute Interpre¬
iation der Dersteller verständlich gemacht wurde.
„Komödie der Worte“ ist eben eine Komödie, die
zweimal gespielt wird; einmal vom Dichter, das
zweitemal am Theater. Es gab nach jedem Akt¬
schlusse stürmische Hervorrufe. Nach der „Großen
Szene“ bereitete unser Publikum dem geseletten
Gast eine „Große Szene herzlicher Ovationen“,
die mehr bedeutet, als die beste Kritik zu geben
11—
vermag.
rennen Brüxer Volkszeitung
Artur Schnitzle
„Komödie der Worte“.
De spier Herry Walden).
## interessant ist das geistige Band, das die
#ert Einakter Schnitzlers, die Donnerstag unter
dem Gesamttitel „Komödie der Worte“ aufgeführt
wurden, zusammenhält. Mit Worten wird oft
Komödie gespielt, Worte sind mitunter hohle
Phrasen, mit denen man der Lüge das schönste
drapierende Mäntelchen umhängen und so den Schein
der Wahrheit erwecken kann. Die geistreiche Art,
wie der Dichter die Komödie der Worte exem¬
plifiziert, ist glänzend. Seinen weichen feinen
Fingern gelingt es zum Erstaunen der Menschen,
G
die er auf der Bühne versammelt, die Larven
vom Gesicht und Schleier nach Schleier von der
Seele zu nehmen, bis sie hüllenlos da stehen und
mit nichts bekleidet sind als der nackten Wahrheit.
Die drei Einakter sind kein Publikums=Erzeugnis.
Eine philosophische Abhandlung, fein ziselierte
Worte, die ihren Weg in das Innere der Menschen
nehmen und eine Fülle von Erkenntnissen zu Tage
fördern. Ein Genuß für Feinschmecker der thea¬
tralischen Technik! Was der Gast an Menschen¬
darstellungskunst leistet, ist geradezu vorbildlich.
Der Künstler entfaltete Feinheiten einer mit
stillsten Mitteln arbeitenden Kunst phrasenloser
Innerlichteit. Sein ruhiges, bezwingendes Spiel,
das nie um eine geistreiche Wendung verlegen
ist, versteht es, die Zuhörer in tiefem Atem zu
halten. Harry Walden beherrschte seine Kunst
bis ins Letzte, Kleinste. Ein Künstler von Gottes
Graden! Aber auch die Mitwirkenden unseres
Ensembles konnten sich neben dem gefeierten Gast
sehen lassen. Die Leistungen der Damen Frau
Direktor Linzer, Frl. Beruth und Frl
Finkler waren hervorragend und über alles
Lob erhaben. Auch die Herren, in erster Linie
Marholm, sowie Direktor Linzer und
Wipplinger gaben ihr Bestes. Es war ein
fein abgeköntes Zusammenspiel, das dem Spiel¬
leiter Herrn Marholm alle Ehre machte. Die
Ausstattung der einzelnen Bühnenbilder war
wirkungsvoll. Das ausverkaufte Haus jubelte
den Darstellern zu und rief den Gast unzählige
Male stürmisch vor die Rampe.
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—Zweiter Gastspielabend
Arthur Schnit
des k. k. Hösschantickers Harry Walden. Trei
Einakter sind es, die der Dichter gestern uns vor¬
führte, halb philosophisch, halb scherzhaft, ein
Spiel, das uns zeigen sollte: Worte sind leerer
Schall, eine Umgangsmünze mit unbeständigem
Kurs, unter dem die Menschen ihr wahres Wesen
verstecken, ein Notbehelf, um die eigenen Gedan¬
ken zu verbergen, ein Pfandohjekt, um sich selbst
und andere zu betrügen oder in den Schlaf zu
kullen. Zuweilen aber können Worte lebendig
an eine
werden, wie die des Dichters, die
Schnur gefädelt — in ihrem Glanze, ihrem (Be.
dankenreichtum und geistigen Gehalt, einer Per¬
lenkette von unschätzbarem Werte gleichen.
„Stunde des Erkennens“ ist eigemtlich
eine Konödie des Schweigens, denn der betrogene
Gatte öffnet den Mund 10 Jahre zu spät. End¬
lich gestehen sich die beiden Gitten, daß ihr ehe¬
liches Glück eigentlich nur in den Worten lebte,
mit welchen sie sich das Glück ihrem Kinde zuliebe
vorgetäuscht haben. In der „großen Szene“
feiert die Kunst des Schauspielers einen Triumph.
Dieser Komödiant spielt so gut Komödie, daß
selbst seiner Fran dabei unheimlich wird und sie
sich deshaib von ihm trennt. Ein Theaterdirektor
keimt den Bruch. „Das Bacchusfest“ ist eine
Debatte über Liebesverirrungen, die der Dichter
durch schäne Gleichnisse aus der Mi##hologie zu
illustrieren weiß. In allen drei Stücken gab
Hurry Walden, der gefeierte Gast des Hosburg¬
theaters, die männliche Hauptsigur. Die Dar¬
stellung derselben erfordert viel Temperament,
Geist und Laune. Er hielt die einzelnen Charak¬
tere streng auseinander, führte den Dialog scharf,
klat und dentlich. Sein Spiel in Geste und Mine
ist überall großartig und hinreißend. Vieles er¬
innerte an Keinz. Die Gestalt ist zwar nicht die
gleiche, aber seine Natur, seine Kunst feiert
hier eine Wiedergeburt. Von den heimischen
Kräften standen neben dem Gast Frl. Beruth,
Frau Dir. Linzer, Frl. Finkler und Herr
Marholm in vorderster Reihe. Frl. Beruth
zeigte wieder ihr großes Können, wie die Schau¬
spieierin die Sängerin überflügelt. Ihre Hlara
war eine tief erschötternde Trouengestalt, echt in
ihrer Liebe, voll Kraft und Zuversicht in ihrem
Schmerz. Ebenso trefflich war die Sophie der
Frau Dir. Linzer, eine Menschenstudie von
kristallener Klarheit und reifer Kunst. Fräulein
Finkler sah entzückend aus. In zarter Ab¬
tönung zeichnete sie die von Haß und Liebe er¬
füllte Frau mit weithin glitzernden Farben. Herr
Marholm zeigte in den beiden Rollen, dem
Edgar Gley und dem Dr. Wernig, wie gut er zu
charakterisiecen versteht. Sein munteres, flottes
Spiel trug ihm warme Anerkennung ein. In
einer Episode konnte Frl. Dewald ihr heiteres.
lichtes Wesen gut zur Geltung bringen. Herr
Dir. Linzer hatte leichtes Spiel und durfte
ganz echt bleiben, den er gab das, was er ist: ein
Theaterdirektor. Herr Wipplinger wirtte
eingangs etwas schläfrig; später sand er den Ton
und auch die Temperatur für seinen im Gewande
der Selbsttäuschung einhergehenden Philosophen.
Die Aufnahme der drei Einakter wereine geteilte.
Die Mehrzahl der Besucher des ausberkauften
Hauses lauschte mit Spannung den Vorgängen
auf der Bühne, die uns durch die gute Interpre¬
iation der Dersteller verständlich gemacht wurde.
„Komödie der Worte“ ist eben eine Komödie, die
zweimal gespielt wird; einmal vom Dichter, das
zweitemal am Theater. Es gab nach jedem Akt¬
schlusse stürmische Hervorrufe. Nach der „Großen
Szene“ bereitete unser Publikum dem geseletten
Gast eine „Große Szene herzlicher Ovationen“,
die mehr bedeutet, als die beste Kritik zu geben
11—
vermag.
rennen Brüxer Volkszeitung
Artur Schnitzle
„Komödie der Worte“.
De spier Herry Walden).
## interessant ist das geistige Band, das die
#ert Einakter Schnitzlers, die Donnerstag unter
dem Gesamttitel „Komödie der Worte“ aufgeführt
wurden, zusammenhält. Mit Worten wird oft
Komödie gespielt, Worte sind mitunter hohle
Phrasen, mit denen man der Lüge das schönste
drapierende Mäntelchen umhängen und so den Schein
der Wahrheit erwecken kann. Die geistreiche Art,
wie der Dichter die Komödie der Worte exem¬
plifiziert, ist glänzend. Seinen weichen feinen
Fingern gelingt es zum Erstaunen der Menschen,
G
die er auf der Bühne versammelt, die Larven
vom Gesicht und Schleier nach Schleier von der
Seele zu nehmen, bis sie hüllenlos da stehen und
mit nichts bekleidet sind als der nackten Wahrheit.
Die drei Einakter sind kein Publikums=Erzeugnis.
Eine philosophische Abhandlung, fein ziselierte
Worte, die ihren Weg in das Innere der Menschen
nehmen und eine Fülle von Erkenntnissen zu Tage
fördern. Ein Genuß für Feinschmecker der thea¬
tralischen Technik! Was der Gast an Menschen¬
darstellungskunst leistet, ist geradezu vorbildlich.
Der Künstler entfaltete Feinheiten einer mit
stillsten Mitteln arbeitenden Kunst phrasenloser
Innerlichteit. Sein ruhiges, bezwingendes Spiel,
das nie um eine geistreiche Wendung verlegen
ist, versteht es, die Zuhörer in tiefem Atem zu
halten. Harry Walden beherrschte seine Kunst
bis ins Letzte, Kleinste. Ein Künstler von Gottes
Graden! Aber auch die Mitwirkenden unseres
Ensembles konnten sich neben dem gefeierten Gast
sehen lassen. Die Leistungen der Damen Frau
Direktor Linzer, Frl. Beruth und Frl
Finkler waren hervorragend und über alles
Lob erhaben. Auch die Herren, in erster Linie
Marholm, sowie Direktor Linzer und
Wipplinger gaben ihr Bestes. Es war ein
fein abgeköntes Zusammenspiel, das dem Spiel¬
leiter Herrn Marholm alle Ehre machte. Die
Ausstattung der einzelnen Bühnenbilder war
wirkungsvoll. Das ausverkaufte Haus jubelte
den Darstellern zu und rief den Gast unzählige
Male stürmisch vor die Rampe.
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