II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 219

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26.1. Konoedie der-orte—Zyklus
Schauspielers Konrad Herbot ihre kleine, harmlose Spezialgeschichte,
verschleppend und zwiefach entbehrlich. Oder kann Er nicht wirklich for¬
dern, den Löwen auch noch zu spielen? Er: das ist Delobelle, Hjalmar
Ekdal, Krasinski, Micawber, Kean — bis zu Polgars sterbendem
Talma die ganze Reihe der Gaukler, Kunsthalbmenschen und Halb¬
kunstmenschen, Bühnen= und Lebenskomödianten, denen sich Schein und
Sein, Wahrheit und Lüge, Betrug und Selbstbetrug unentwirrbar ver¬
knäult. Ihre Großartigkeit ist verlogen und ihre Verlogenheit gro߬
artig. Jeder Alltags=Zusammenstoß wird ihnen zum Solo=Auftritt
und dadurch romantisch. Ihr Gesicht ist ihre Maske: wer unter dieser
Maske das Gesicht zu greifen sucht, greift nichts. Die Perücke ist
das angewachsene Haar und das Trikot die Haut. Sie müßte schon
in neuen Farben schillern, um für uns von Neiz zu sein. Schnitzler
findet keine einzige neue Farbe, fügt zu dem vertrauten Bilde keinen
eigenen Zug. Höchstens, daß sein Mime ein außergewöhnlich un¬
appetitliches Exemplar der Gattung ist. Er hat eine Braut verführt
und entwischt dem Bräutigam — dank seiner Suada? Durch eine
Komödie der Worte? Daß das möglich ist, wollte Schnitzler ja wohl
beweisen. Aber diese Worte, die den Sprecher selbst berauschen, wür¬
den auf den Bräutigam niemals Eindruck machen, wenn nicht ein
sorglich gefälschter Brief zu Hilfe käme. Für einen Dialektiker wie
Schnitzler kein genügend feines Mittel. Späße des Lokals und Ate¬
liers drücken das Niveau noch weiter. Hätte die Farce nicht einen so
robusten Theaterschmiß: ich würde sie dem sanften Auernheimer in
die Schuhe schieben.
Drittens: „Das Bacchusfest. Stammt das auch nicht von Auern¬
heimer? Dann ist es ein Zufall. Der skeptische Schnitzler beansprucht
sicherlich selber nicht, daß man seiner jungen Dichtersfrau den Ver¬
— such glaubt, nach fünfjähriger Ehe und sechswöchiger Trennung von
ihrem klugen und lebenstüchtigen Gefährten zu einem unschönen Blö¬
dian überzugehen; daß man diesem Situationsbeherrscher von Dichters¬
mann den Wortschwall zutraut, den er aufwendet, um sein Eigentum
wieder an sich zu bringen. Ein Blick auf das Ferienpaar, eine Ohr¬
feige, und die deutsche Literatur ist um eine Plauderei ärmer. Schade.
Grade jetzt richtet Schnitzler seine Abfälle so adrett her, daß sie nicht
für jedes Auge als Abfälle kenntlich werden. Im Frieden schrieb er
Kriegsstücke, eins, zwei, zweieinhalb; im Krieg schreibt er Friedens¬
stücke, die allenfalls für eine faule Friedenszeit taugen. Wer denn soll
das heute aushalten: dies zärtliche Wichtiggetue mit Wurmstichigkeiten,
dies marklos geistreichelnde Metiergeschwätz, diese Parfümierung von
erfundenen und durchaus nicht immer gut erfundenen Stichwort¬
trägern? Als Schnitzler mit Schwermut auf seine Welt sah, blieb
man selten unbewegt. Hier bringt ers, wo er nicht gelassen duldet,
nur zu einer billigen Ironie, die als hochmütig verletzt, weil der Iro¬
niker sich nicht selbst davor feit, ironisch betrachtet zu werden. Was
ist der schmerzlich lächelnde Poet im Kriegsjahr 1915? Ein Rollen¬
lieferant. Zu seinem großen Glück: für Bassermann. Ihm, der sich
wieder einmal schrankenlos verschwendet, mag es Schnitzler danken,
daß im Theater beinah niemand sich besann, in welcher Zeit wir leben.
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