II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 230


Ausschnitt aus: Der Humorist, Wien
ZONOUIOIE
vom:
Aus Berlin
(Nachdruck verboten.)
Das Publikum rief nach dem Dichter und der Dichter
kam. Er trat vor die Rampe, um zu zeigen, daß er äußerlich älter
geworden ist. Bei Menschen und Dichtern, die einem gleichgültig
sind, lassen die Merkmale des Alterns kalt, bei denen aber, die
man liebt, erzeugen sie wehmütige Gefühle. Als ich Artur
Schwritzler=auf seinem gewohnten Platz auf der Bühne des
Lessing=Theaters sah, hatte ich gegen die Wehmut anzu¬
kämpfen. War nur ein Trost: daß die drei Einakter, die den
Berlinern zum ersten Male vorgesetzt wurden, nichts von der
herabgeminderten Haltung ihres Dichters und nichts von dem
grauen Nachwuchs auf seinem Kopf zeigten. In der „Komödie
der Worte“ steckt der reife Mann Schnitzler, wie wir ihn vor
zehn, vor fünfzehn Jahren gekannt haben. Er selbst ist vielleicht
schon über die Grenze jener Zeit gegangen, in der man mit per¬
sönlichem Anteil Ansichten über die Ehe verficht, in der man
Dogmen aufstellt, die man eben weit eher zu seiner eigenen Be¬
ruhigung, als zu der der Allgemeinheit kundtut. Könnte Schnitzler
also sagen: Was geht mich der ganze Kram an? Gott sei Dank,
ich bin darüber hinaus. Mögen die Kinder ihr Spiel getrost ohne
mich weiterspielen! Ich lache darüber! — Schnitzler ist noch nicht
bis zu jenem radikalen Stadium völliger Abklärung vorgedrungen.
Die Bank am warmen Ofen, die für den ist, der da philosophieren
will, erscheint ihm noch nicht als verlockender Platz. Er fühlt sich
noch für den Kampf bestimmt, in dem die Geschlechter austoben
und in dem sie alle jene Torheiten begehen, von denen sie wissen,
daß sie sich an ihnen selbst rächen, und die sie doch nicht lassen
können, weil der Selbsterhaltungstrieb mit dem Selbstvernichtungs¬
trieb einen Pakt fürs Leben geschlossen hat. Der Einakter „Stunde
des Erkennens“, wie seine Geschwister „Große Szene“ und „Das
Bacchusfest“ behandeln Eheprobleme. Das erste Stück ist das
schwächste. Denn in ihm hat der Dichter dem Wort einen zu
großen Spielraum gewährt. Hier erschlägt eine gewisse Schwatz¬
das, nach der stattgefundenen Feuerprobe zu urteilen, nicht nur
das Publikum, sondern auch seine beiden Väter lachen machen
wird. Wirklich sehr drollig, was Presber und Stein da eingefallen
ist und was sie mit einem unfehlbaren Sicherheitsgefühl für die
Bühnenwirkung ausgearbeitet haben. Lustspiele, die in Hofkreisen
spielen, mein Gott, wir Deutsche besitzen deren wohl mehr als
drei Schock, sind immer sicher, Leute zu finden, die sich für das
Leben dort „oben“ höllisch interessieren. Um das, was Presber
und Stein vor der Ausarbeitung ihres Stückes vorgeschwebt hat,
in kurzen Strichen festzuhalten: Der Herr Minister ist gestorben
und hinterläßt mehrere Erben, für die der Nachlaß der Güter
höchstes bedeutet. Unter den Hinterlassenschaftssachen Sr. Exzellenz
befindet sich auch sein Privatsekretär Dr. Konrad Weber, ein höchst
anständiger junger Mann, der mit der Tochter des Kanzleirats
Burbaum so gut wie verlobt ist. Exzellenz hat aber kaum die
Augen geschlossen, da beginnen sich schon die Zeichen der neuen
Aera bemerkbar zu machen. Der treue Sekretär, der über letzten
Wunsch des Seligen den Titel „Archivrat“ erhält, soll „gelupft“
werden. Damit würden natürlich alle Hoffnungsträume, die
Konrad und Fräulein Burbaum gesponnen haben, in die Brüche
gehen. Da greift plötzlich die Findigkeit der schönen Frau von
Windegg rettend ein. Sie läßt Konrad den Band 14 des Brock¬
haus in Papier einschlagen und versiegeln und den Inhalt des
Pakets als die hinterlassenen Memoiren des Ministers ausgeben.
Dr. Weber ist seitens des nunmehr Verstorbenen der Auftrag er¬
teilt worden, die Memoiren zu redigieren und herauszugeben.
Sobald das in den Hofkreisen ruchbar wird, drängen sich alle an
Dr. Weber heran, um ihn dazu zu bewegen, Dinge, die ihre
Person betreffen, zu streichen. Der Privatsekretär, der auf den Aus¬
sterbeetat gesetzt war, wird mit einem Male zur meistumworbenen
Person des Hofes. Er wird zur Hoftafel gezogen, er avanciert
und er heiratet Else Burbaum. Diese Niedlichkeit, die mit vielen
treffenden Scherzworten und komischen Situationen ausgestattet
ist, erheiterte die Zuhörerschaft derart, daß die Autoren vom
zweiten Akt an wieder und immer wieder auf der Szene erscheinen
durfken. Dabei drückten die Dankbaren die Hände der Herren
Hans Junkermann, Franz Schönfeld, Artur Schröder,
Max Adalbert und die Händchen der Damen Grüning,
Serda und Servaes, die ihnen allesamt tapfer beigestanden
hatten, den Sieg des Abends zu erringen.
Man weiß, daß die freundliche Existenz des Berliner
Theaters in der Straße der Charlotten seit Jahren auf den
witzigen Ein= und Abfällen Rudolf Schanzers, auf den Kuplet¬
strophen Rudolf Bernauers und auf dem musikalischen Variations¬
und Permutationsvermögen der Herren Kollo und Bredschneider
basiert. Die vereinigten Talente, die diesem Theater zur ausschlie߬
lich privilegierten Verfügung stehen, haben das Glück, sich in jedem
Jahr nur ein Mal äußern zu müssen. Was ihnen ihre Muse
einhaucht, wird in gewöhnlichen Jahren 365mal, in Schaltjahren
aber 366mal verzapft. Ergo genießen sie die Annehmlichkeit einer
sie
ruhigen, behaglichen Arbeitsweise. Auch ihrem neuen Werk
nennen's Scherzspiel — ist der Erfolg treu geblieben. Der Grund¬
gedanke des Scherzspiels „Wenn zwei Hochzeit machen“ entbehrt
natürlich nicht des Zeittones. Die Hochzeit ist eine Kriegstrauung,
bei der durch die Fahrigkeit des amtierenden Standesbeamten eine
kleine Verwechslung erfolgt: dem jungen Ehekandidaten wird statt
des Töchterchens die Schwiegermama angetrant. Auf dieser etwas
gewagten Voraussetzung ist alles Folgende aufgebaut, das sich
weniger durch Handlung, als durch allerlei Scherze und nette
Gesangsnümmerchen auszeichnet. — Daß Liebling Sabo und
Liebling Weise die Zügel der Darstellung fest in den Händen
hielten, versteht sich von selbst. Wenn sie sangen:
„Puppe, sei nicht so neutral,
Sonst verlaß ich das Lokal,“
dann ging eine gewaltige Bewegung durch die dichten Reihen der
Zuhörer. Von den übrigen Mitwirkenden seien hier mit dem Ge¬
fühl ewiger Dankbarkeit die Damen Dora, Kenter, die Hexxer“
Picha, Schünzel, Zilzer und Plaut genannt. „Leo„Höller.