II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 231

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26.1. Konoedieorte—zyklus
Ausschnitt aus: Der Oeeterr. Kaufmann, Wien
1-OEZ1915
vom:
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Literafur
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phitzler Komödie der Worte“.
Diesen gemeinsamen Titel gibt Schnitzler
seinen neuesten drei Einaktern. Einakter sind
wohl mit das Feinste und Stärkste, was auf der
dramatischen Bühne geboten wird. Jemand hat
einmal gesagt, Einakter seien einfach der letzte
Akt. Tatsächlich muß man sich ja viel dazu den¬
ken, was nur angedeutet wird, um in rasendem
Tempo zur letzten stärksten Ver- und Entwick¬
lung zu gelangen. Schnitzler, ein Meister der Dia¬
lektik, benützt den Einakter, um viel Listiges,
Feines und Starkes zu sagen. Mitunter blitzt der
Schalk hervor — wenn er zum Beispiel seinem
Theaterdirektor in den Mund legt: „Weisheit auf
der Bühne hält nar unnütz die Handlung auf:“
oder wenn derselbe der Gattin, die Wahrheit vom
Gatten fordert, zuruft: „Ich glaube, Sie haben
bei mir im Theater zuviel lbsen gesehen.“
An einem köstlichen Theaterabend im Berli¬
ner Lessingtheater, der unter dem Zeichen Basser¬
manns stand, wurden drei „Komödien der Worte“
aufgeführt. Der erste Einakter ist der ernsteste:
„Stunde des Erkennens“. Nach zwanzig¬
jähriger Ehe, nachdem die Tochter des Hauses
tags zuvor geheiratet hat und mit ihrem Gatten
fortzog, erklärt der Ehemann seinen Willen, die
häusliche Gemeinschaft mit seiner Frau aufzu¬
lösen; möge sie zu ihrer Tochter nach außerhalb
vor zehn Jahren einen Fehltritt beging. „Warum,“
ruft die entsetzte Gattin, „warum jagtest du mich
nicht damals fort? Warum schwiegst du zehn
Jahre lang?“ — „Des Kindes wegen,“ lautet die
Antwort; und mit einer Härte und Kälte, die
durch nichts zu besiegen ist, erklärt er, diesem
Tage der Abrechnung entgegengelebt zu haben.
Die Frau bittet, beschwört, hofft auf eine weiche
Regung. die ihr erlaubt, den häuslichen Herd und
ihr Heim zu behalten, aber an seinem harten
Willen zerschellt ihre Hoffnung. Eine leise Komik
entstch. dadurch, daß der Ehemann seinen benei¬
deten Berufsgenossen fälschlich für den Liebhaber
hält — der wahre Schuldige bleibt ihm unbe¬
kannt — und die Frau läßt ihn bei seinem Irr¬
tum. Sie verläßt, wie Nora, noch am selben Abend
sein Haus, wie eine verscheuchte Taube.
Das zweite Stück ist voll sonniger Heiterkeit.
Es heißt: „Die große Szenc“. Hier prasseln
die Witzraketen und sprühen die Geistesblitze,
daß es eine wahre Freude ist. Und Bassermann,
der lflands Ring als der beste deutsche Schau¬
spieler trägt, zeigt, daß er dessen würdig ist.
Ein Götterliebling, voll sprühenden Lebens, voll
hinreißenden Temperaments, ein verlogener Tau¬
genichts, ein genialer Teufelskerl, das alles stellt
er so lebenswahr auf die Bühne, daß Schnitzler
seine helle Freude daran haben kann, so wie die
Zuschauer sie alle hatten. Er nimmt den großen
Schauspieler, der mit Direktor, Publikum, Wahr¬
heit. Ehre und Gewissen Schindluder spielt und
dennoch siegt, bezaubert, entzückt. Wenn der Vor¬
hang aufgeht. hat er gerade ein böses Stücklein
aufgeführt. Er hat ein junges Mädchen verführt,
die noch dazu verlobt war, und ein mehrwöchent¬
liches Verhältnis mit ihr gehabt. Seine Frau, die
ihm schon oft verzieh. wurde diesmal böse und
verließ ihn. Nachdem er ihr rührende Briefe ge¬
schrieben hatte und die Liebschaft aus war. ist
sie verzeihend zu ihm zurückgekehrt.
Sie ist eine brave bürgerliche Frau und ficht
ihn an: „Wahr sei! Lüge mich nicht an!“ und
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spielt er den Hamlet nicht. — Eine köstliche
Figur ist der Theaterdirektor, der in Angst um
seinen Star die Ehe zu leimen versucht und viel
Witziges über Kunst und Literatur sagt. Ein zu¬
dringliches Fräulein, das unters Theater gehen
will und dem Meister nachläuft, wirkt erheiternd
und gibt dem Direktor Anlaß zu netten, kleinen
Bosheiten.
Das dritte Stück heißt: „Bachusfest“
Auch hier ist Bassermann der Ehemann, der die
Partie zu Dritt gewinnt. Der dritte ist ein junger
Sportsmann, der dem geistig überlegenen Schrift¬
steller und Gatten nicht gewachsen ist. Er hatte
mit dessen kindhafter Frau beschlossen, vor den
Mann hinzutreten und ihn gewissermaßen um ihre
Hand zu bitten. Als der Ehemann da ist und
mit einem Blick die Situation durchschaut, läßt
er den Liebhaber einfach nicht zu Wort kommen.
Die junge Frau ist ängstlich und unsicher ge¬
worden und winkt ihrem Galan deutlich ab. Ihr
Mann hat einfach und sicher Besitz von seiner
Frau ergriffen, sie wünscht sehnlichst, nichts ange¬
fangen zu haben und der Liebhaber wird zu
raschem Abschied gedrängt, ehe er den Mund
zu den verhängnisvollen Worten auftun konnte.
Das schuldige Paar bekommt noch eine nette,
kleine Strafpredigt im Gewande einer Dichtung:
„Bachusfest“ betitelt, worin ihnen durch die Blume
zu verstehen gegeben wird, daß man vom Ge¬
wesenen schweigen möge. bei Strafe der Un¬
widerruflichkeit — und davor schreckt das Frau¬
chen zurück. Als das Ehepaar endlich allein ist,
blitzt die bis dahin verhaltene Leidenschaft des
Ehemannes in einem: „Wie ich die hasse“ auf.
das von der Frau gleich richtig verstanden und
mit einem leidenschaftlich zärtlichen: „Ich dich
noch viel mehr, du mein Geliebter!“ erwidert
wird.