II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 232

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SchhitzlerKomödie der Worte
Diesen gemeinsamen Titel gibt Schnitzler
seinen neuesten drei Einaktern. Einakter sind
wohl mit das Feinste und Stärkste, was auf der
dramatischen Bühne geboten wird. Jemand hat
einmal gesagt. Einakter seien einfach der letzte
Akt. Tatsächlich muß man sich ja viel dazu den¬
ken, was nur angedeutet wird, um in rasendem
Tempo zur letzten stärksten Ver- und Entwick¬
lung zu gelangen. Schnitzler, ein Meister der Dia¬
lektik, benützt den Einakter, um viel Listiges,
Feines und Starkes zu sagen. Mitunter blitzt der
Schalk hervor — wenn er zum Beispiel seinem
Theaterdirektor in den Mund legt: „Weisheit auf
der Bühne hält nar unnütz die Handlung auf;“
oder wenn derselbe der Gattin, die Wahrheit vom
Gatten fordert, zuruft: „Ich glaube, Sie haben
bei mir im Theater zuviel lbsen gesehen.
An einem köstlichen Theaterabend im Berli¬
ner Lessingtheater, der unter dem Zeichen Basser¬
manns stand, wurden drei „Komödien der Worte“.
aufgeführt. Der erste Einakter ist der ernsteste:
„Stunde des Erkennens“. Nach zwanzig¬
jähriger Ehe, nachdem die Tochter des Hauses
tags zuvor geheiratet hat und mit ihrem Gatten
fortzog, erklärt der Ehemann seinen Willen, die
häusliche Gemeinschaft mit seiner Frau aufzu¬
lösen; möge sie zu ihrer Tochter nach außerhalb
ziehen, oder wohin sonst es ihr beliebt, weil sie
vor zehn Jahren einen Fehltritt beging. „Warum,
ruft die entsetzte Gattin, „warum jagtest du mich
nicht damals fort? Warum schwiegst du zehn
Jahre lang?“ — „Des Kindes wegen,“ lautet die
Antwort; und mit einer Härte und Kälte, die
durch nichts zu besiegen ist, erklärt er, diesem
Tage der Abrechnung entgegengelebt zu haben.
Die Frau bittet, beschwört, hofft auf eine weiche
Regung, die ihr erlaubt, den häuslichen Herd und
ihr Heim zu behalten, aber an seinem harten
Willen zerschellt ihre Hoffnung. Eine leise Komik
entsteht dadurch, daß der Ehemann seinen benei¬
deten Berufsgenossen fälschlich für den Liebhaber
hält — der wahre Schuldige bleibt ihm unbe¬
kannt — und die Frau läßt ihn bei seinem Irr¬
tum. Sie verläßt, wie Nora, noch am selben Abend
sein Haus, wie eine verscheuchte Taube.
Das zweite Stück ist voll sonniger Heiterkeit.
Es heißt: „Die große Szene“. Hier prasseln
die Witzraketen und sprühen die Geistesblitze,
daß es eine wahre Freude ist. Und Bassermann,
der lflands Ring als der beste deutsche Schau¬
spieler trägt, zeigt, daß er dessen würdig ist.
Ein Gôtterliebling, voll sprühenden Lebens, voll
hinreißenden Temperaments, ein verlogener Tau¬
genichts, ein genialer Teufelskerl, das alles stellt
er so lebenswahr auf die Bühne, daß Schnitzler
seine helle Freude daran haben kann, so wie die
Zuschauer sie alle hatten. Er nimmt den großen
Schauspieler, der mit Direktor, Publikum, Wahr¬
heit, Ehre und Gewissen Schindluder spielt und
dennoch siegt, bezaubert, entzückt. Wenn der Vor¬
hang aufgeht, hat er gerade ein böses Stücklein
aufgeführt. Er hat ein junges Mädchen verführt,
die noch dazu verlobt war, und ein mehrwöchent¬
liches Verhältnis mit ihr gehabt. Seine Frau, die
ihm schon oft verzieh, wurde diesmal böse und
verließ ihn. Nachdem er ihr rührende Briefe ge¬
schrieben hatte und die Liebschaft aus war, ist
sie verzeihend zu ihm zurückgekehrt.
Sie ist eine brave bürgerliche Frau und fleht
ihn an: Wahr sei! Lüge mich nicht an!“ und
gerade das kann er nicht. Er ist ein „großes, ge¬
fährliches Kind“. Nun kommt die große Szene.
Der Bräutigam der schlimmen Daisy kommt und
will den Schauspieler sprechen. Er stellt die pein¬
liche Frage: „Waren Sie Daisys Geliebter?“ Und
nun weiß dieses Lügengenie Lüge und Wahrheit
zu einem so feinen Gewebe zu verwirken, daß
er den Bräutigam täuscht, sich als- abgewiesenen
Romeo darstellt und — o Meisterwerk der Lüge!
das alles auf Grund eines wirklich echten Brie¬
fes, der vor dem Sündenfall geschrieben wurde
und nur durch Datumveränderung passend ge¬
macht wird. Der Brave geht getröstet fort: der
Schauspieler kann sich auf Daisy verlassen, das
raffinierte Geschöpf wird sich nicht verraten. Die
eigene Gattin aber, die im Nebenzimmer Zeugin
war, ist ganz zerschmettert, daß ihr Mann so
fürchterlich lügen kann. Aber der Unwidersteh¬
liche umwirht sie wieder so stürmisch, so sieg¬
haft stark, daß sie abermals schwach wird und
sich aufs Neue mit ihm versöhnt. In diesem
Schlußeffekt kommt der große Mime zur Abend¬
vorstellung, als Hamlet gekleidet, mit dem lose
darüber geworfenen Lodenmantel und dem Filz¬
hut auf den blonden Hamletlocken; er wirft
Schwert und Hut fort und trägt sein Weib mit
sie
ohne
feurigen Armen in die Theaterloge
—.—
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spielt er den Hamlet nicht. — Eine köstliche
Figur ist der Theaterdirektor, der in Angst um
seinen Star die Ehe zu leimen versucht und viel
Witziges über Kunst und Literatur sagt. Ein zu¬
dringliches Fräulein, das unters Theater gehen
will und dem Meister nachläuft, wirkt erheiternd
und gibt dem Direktor Anlaß zu netten, kleinen
Bosheiten.
Das dritte Stück heißt: „Bachusfest“
Auch hier ist Bassermann der Ehemann, der die
Partie zu Dritt gewinnt. Der dritte ist ein junger
Sportsmann, der dem geistig überlegenen Schrift¬
steller und Gatten nicht gewachsen ist. Er hatte
mit dessen kindhafter Frau beschlossen, vor den
Mann hinzutreten und ihn gewissermaßen um ihre
Hand zu bitten. Als der Ehemann da ist und
mit einem Blick die Situation durchschaut, läßt
er den Liebhaber einfach nicht zu Wort kommen.
Die junge Frau ist ängstlich und unsicher ge¬
worden und winkt ihrem Galan deutlich ab. Ihr
Mann hat einfach und sicher Besitz von seiner
Frau ergriffen, sie wünscht sehnlichst, nichts ange¬
fangen zu haben und der Liebhaber wird zu
raschem Abschied gedrängt, ehe er den Mund
zu den verhängnisvollen Worten auftun konnte.
Das schuldige Paar bekommt noch eine nette,
kleine Strafpredigt im Gewande einer Dichtung:
„Bachusfest“ betitelt, worin ihnen durch die Blume
zu verstehen gegeben wird, daß man vom Ge¬
wesenen schweigen möge, bei Strafe der Un¬
widerruflichkeit — und davor schreckt das Frau¬
chen zurück. Als das Ehepaar endlich allein ist,
blitzt die bis dahin verhaltene Leidenschaft des
Ehemannes in einem: „Wie ich die hasse auf,
das von der Frau gleidh richtig verstanden und
mit einem leidenschaftlich zärtlichen: „Ich dich
noch viel mehr, du mein Geliebter!“ erwidert
wird.
Es wurde überhaupt ausgezeichnet ge¬
spielt. Bassermann war in allen Fällen der
siegende Ehemann. Im ersten Stück war
Lina Lossen in ihrer damenhaft feinen Art
die Frau, der man den Fehltritt vor 10. Jahren
kaum zutraut. Im zweiten Stück spielt Else Bas¬
sermann die ursolide bürgerliche Schauspielers¬
gattin; Forest gab einen amüsanten Direktor mit
Güte, Humor und Theodor Loos war ein glaub¬
hafter und männlich vornehmer Bräutigam — die
Rolle kann leicht falsch und lächerlich wirken,
das soll sie nicht, der Anständige wird zwar vom
Schlauen genasführt, aber ist darum nicht minder
hoch zu achten.
Der stürmischeste Applaus war nach dem
Schenspielerstück und „Hamlet“ mußte sich
innper wieder dankend verbeugen.
Gottlob, daß wir die feldgrar: Gelegenheits¬
Sticke los sind und wieder echter eist auf der
Rose Austerlitz.
Bühne zu hören ist!

Arcnd
omödie der Wortee nennt Ars“
[Athur Schnitzler seine neue vom
Lessingtheater aufgeführte Einakterreihe
(Buchausgabe bei S. Fischer in Berlin),
und dieser echt Schnitzlersche Titel klingt
wie eine bittere Selbstkritik all solcher Wort¬
gefechte und Silbenstechereien in dieser taten¬
schwangeren Zeit. Aber der eingestreute
Selbstspott kann uns nicht täuschen: der
Dichter des „Anatol= und des „Schleiers
der Beatrices, der es so ernst nimmt mit
Masken und Hüllen, glaubt auch hier mit
dem Schall der Worte, wenn auch auf dem
Amwege der Ironie und der Skepsis, etwas
Tieferes vom Menschenschicksal, vielleicht
sogar einen Fetzen von „der Gottheit leben¬
digem Kleide zu erhaschen. Wir spielen
immers, lautete einst sein Bekenntnis; so
scheint es auch noch jetzt zu lauten.
„Stunde des Erkennense — für
Mann, Frau und Freund schlägt sie in dem
Augenblick, da die Tochter, das Band des
Inotwendigen Zusammenhaltens, der Riegel
des Schweigens, als Jungvermählte aus
dem elterlichen Hause gegangen ist und der
Freund sich anschickt, als Kriegsarzt der
Schlacht und Pest entgegenzufahren. Denn
nun gesteht Frau Klara, die Gattin des
Doktors Eckold, dem abschiednehmenden
Professor Ormin, daß sie ihn heimlich ge¬
liebt, sich ihm aber versagt und einem an¬
dern, minder Verwöhnten mehr aus Mütter¬
lichkeit als aus Liebe geschenkt habe, weil
sie sich zu dem Opfer der Trennung von
Mann und Kind, das der Ernst ihrer Leiden¬
schaft von ihr gefordert hätte, nicht ge¬
wachsen fühlte. Diesem verspäteten Wort¬
bekenntnis folgt, kaum daß der enttäuschte
Freund den Rücken gekehrt hat, ein andres
aus dem Munde des Ehegatten. Schon
zehn Jahre lang hat Doktor Eckold die Ge¬
wißheit von der Untreue seiner Frau mit
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