II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 252

meinen, daß in diesem Falle das Gericht doch schon so ab¬
gestanden ist, daß nur ein perverser Geschmack noch daran Ge¬
fallen finden kann. Dr. Eckold, der sich so übernatürlich zu be¬
berrschen gewußt, besitzt diesen Geschmack. Ein wunderlicher“
Herr. neben dem freilich eine nicht minder wunderliche Gattin
von Schnitzlers Gnaden steht. Ein Blick in diese Frauenseele ist
bald wie ein Blick ins Himmelreich — um das Wort eines lyri¬
schen Frauenlobs zu gebrauchen — bald wie ein Blick ins Chaos.
Frau Klara hat nämlich gar nicht den Treubruch begangen; den
ihr Gatte ansihr ahndet, — und zwar gerade deshalb nicht, weil
sie ihren vermeintlichen Mitschuldigen, den berühmten, von den
Frauen vergötterten Dr. Ormin, den Freund ihres Mannes,
wirklich geltebt hat. Dafür hat sie einem armen Stieflinde
des Glücks aus reiner Güte ein paar selige Stunden bereitet.
„Aus Güte kann man sogar Verbrechen begehen. fündigen“
sagt Dr. Ormin, dem Frau Klara nach zehn Jahren int der
Stunde des Abschieds, der voraussichtlich ein Abschied fürs
Leben ist, ihre Seele bloßlegt. Aber den Irrtum des Gatten,
der ihr triumphierend Kunde gibt, wie er sie in den zehn Jahren
in seinen Gedanken erniedrigt, klärt sie nicht auf. Ihr leötztes
Wort an den Gatten ist ein Bekenntnis zu Ormin. Diese Ge¬
schehnisse, diese Gestalten, die uns mehr an die Dichterwerkstatt,
als an das Leben gemahnen, haben zu viel Gekünsteltes, als daß
sie uns überzeugen könnten. Insbesondere) in dem Labyriuth
dieser Frauenseele vermögen wir uns nicht zurechtzufinden, ob¬
wohl der Dichter hier seine ganze Kunst, sein ganzes Raffine¬
ment und die seinste psychologische Sophistik aufbietet: Die
Szeue zwischen Frau Klara und Dr. Ormin mit ihrem Zwielicht
von Verhüllung und Entschleierung geheimer Seelenregungen
zeigt die Meisterschaft Schnitzlerscher Dialogführung in, ihrer
ganzen bestrickenden Eigenart.
Das heitere Gegenstück zu dieser Ehetrennungstragödie ist
das „Bacchusfest“, in dem der Schriftsteller Felix Staufner
sein junges Weibchen, das nicht übel Lust hat, ihm durch die
Lappen zu gehen, wieder einfängt und den Nebenbuhler siegreich
aus dem Felde schlägt. In der Bahnhofshalle einer öster¬
reichischen Gebirgsstadt (man hat an Salzburg zu denken) harrt
Frau Agnes Staufner mit ihrem Verehrer, Dr. Guido Wernig,
des Gatten, um ihm seine Absetzung als Ehemann zu verkünden.
Es ist nun sehr unterhaltend, wie der letztere die große seierliche
Erklörung des präsumptiven Nachfolgers durch das unbeirrbare
Festhalten an banalen Gesprächsthemen unmöglich macht, durch
die Belehrung über den Charakter und die Bedeutung des an¬
Nasschnitt aus:
tiken Baechusfestes, schließlich den beiden die Folgenschwere ihres
Vorhabens zum Bewußtsein bringt und den enttäuschten, vor
vom: 2#### Bröslader ZSttung
deu Augen der geliebten Frau seines Nimbus entkleideten Lieb¬
haber zum Abzuge zwingt. Dann macht sich die zurückgehaltene
reslauer Theater.
Erregung des siegreichen Ehemannes gegen das flatterhafte
Weibchen in dem Ausbruche Luft: „Ich hasse Dich!" und Frau
Wa. Lobetheater. „Die Komödie der Worsel
gnes erwidert: „Und ich Dich noch tausendmal mehr —— mein
Eißtakter von Artbur Schnlal= Während auf
Geliebter!“ Das Stücklein ist lustig genug; nur scheint uns dies
großen Weltbühne die Völker die zermalmende und erhei
Hänschen von Weib für den Aufwand von Geist und Seelen¬
[Tragödie der Tat aufführen, nimmt der Dichter, der sie
kraft, den der Gatte für ihre Wiedereroberung macht, doch zu
Archimedes durch Mars seine Kreise nicht stören lassen wil
unbedeutend, und der Sieg über einen so hilflosen Gegner wie
die „Komödie der Worte“ unser Interesse in Ans
Der drei Einakter zusammenfassende Titel verrät, daß der Ankio
diesen Dr. Wernig nicht allzu ruhmreich.
dichter, unberührt von dem Hauche der umwälzenden Zeit, die
Das Beste — wenn man die Bühnenwirkung im Auge hat —
#ns neuen Glauben, neue Zuversicht, neue Gewißheiten
Ziele beschert hat und von uns forderl, nach wie vor menasist das Mittelstuck: die Komödiantenkomödie: „Große Szene“;
halb ironischeheiteren, halb melancholtsch=resignierten Skepfis inz#die ething freilich die unerquicklichste ist. Dieser geniale Schau¬
menschliche Getriebe blickt, in dem sich ihm Schein und Wesen,##eler Kerbot, der die Braut eins jungen Mannes entführt,
Wirksichkeit und Spiel trügerisch durcheinanderwirren. „Dag diesem dann eine raffinierte Kowäbte vorspielt, in der er durch
war gerade das Köstliche“ — läßt er den Schauspieler Herbot in shalbe Zugeständnisse, halbe Wahrheiten seiner Lüge zum Triumph
der „Großen Szene“ sagen — „wie es durcheinander gemengtverhilft, ist mit all seiner Gemeinheit, die hier als die naide
war, das Wahre und das Falsche. Dadurch wurde es absolut [Lebensäußerung des bekannten „großen Kindes“, jedem mora¬
wahrscheinlich.“ Und diese Durcheinandermengung des Wahrenflischen Urteil entrückt wird, uns noch erträglicher, als Dese Frau,
und des Falschen, des Echten und Gemachten in allen Aus=[dle, höher geartet, in voller und qualvoll gesühlter Erkenntuls
strahlungen unseres Gefühlslebens, insbesondere in dem Ver-[des menschlichen Unwertes des Gatten, sich mit dem Niedrigen
hältnis von Mann zu Weib, ist das, was der Dichter=Psycholog abfindet und, weniger stark als die Gattin des großen Künstlers
Schnitzler so reizvoll findet, was ihn schöpferisch anregt. Was sund Kindes Amadens im „Zwischenspiel“, die unter weniger
ist Wahrheit in uns? fragt er; um bei der alten Weisheit, die er zwingenden Umständen den Weg Noras wählt, sich zum Bleiben
einst kündete: „Wir spielen alle — wer es weiß, ist klug“, stehen sentschließt. Aber freilich: die hier in buntestem, reichsten Feuer¬
zu bleiben. Und wenn er aus dem Dichter der Liebeleien der werk sprühende Laune Schnitzlers, die köstlichen Gestalten, die er
Pinchologe der modernen Ehe geworden ist, so hat er jedenfagg sin dem Helden und einem Theaterdirektor mit glänzender Ueber.
mit seiner „Komödie der Worte“, in der mit der Unerqnicklichkeit jlegenheit gezeichnet hat, sichern dieser Komödie eine Wirkung, die
#be eine dauernde Heimstatte auf der Bühne verheißt. Sie hatte
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