II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 253

26.1
an
box 32/4
S
Kongedie der WorteZyklus
Breskaust Genelal Anzeiger
vom;
gse
eeache Ken.
n
[Dirne: nicht das ist „unwahrscheinlich“ oder ausgeklü= Effekt und nicht ohne virtuosenähnlichen An
gelt oder tonstruiert. Die Konstruktion, also das Ge=] „Warum ist unsereiner so geschaffen,
„Komödie der Worte.“
Menschen völlg verfallen sein kann —
zwungene, Gemachte und nicht Gewordene, liegt vielmehr
nicht einmal verdient, der es nicht einmal
in dem ganz Unelementaren des Grundantriebes aus dem
(Eestaufführung im Lobetheater.)
die Frau des Hofschauspielers Herbot. Da
alles Unheil entsprang: er glaubte (und glaube sie näm¬
einer“ ist, durch und durch angefressen
lich untren mit dem von Schicksal und Glück in Beruf und
Die alte Philosophenweisheit wird gestaltet, und je¬
skrupellos bis aufs Mark, ohne in seiner
Leben vor ihm begünstigten Professor Ormin; und daß sie
mand spricht sie aus, klipp und klar: „Worte lügen“.
des Gedankens Blässe unangekränkelten Ab
ihn mit dem hinterging, mit ihm, dem Glückskinde, dem
Menschliches, Allzumenschliches. Was Einer redet und
olles im Leben wie von selber zugeflogen kam, währenz er der das Komödiespielen zur zweiten, oder
Kovon Einer spricht niemand darf sich einbilden, ihn zu
selbst sauer ringen und sich schließlich doch bescheiden zigen Natur geworden ist, auch nur die S
kennen nach seinen Worten. Denn mehr noch als hinter
mußte, das wurmt ihn am nefsten. Jeden andern hätte fühls dafür zu haben, zeint Schnitzler in tem
dem „Nebeldunst der sogenannten Erlebnisse“, wie es der
Szene“, nach der das Stück den Namen t#
er ihr verziehen: ihn nicht. Etwas in ihm schreit auf;
Professor Ormin in der „Stunde des Erkennens“ einmal
svielt Herbot einem bvaven Jungen, dem er
aber nicht sein Blut, sondern sein rechnender Verstand.
nennt. verschwimmen seine Züge hinter dem Nebeldunst
führt hat und der acht Tage vor der Ehe z
Und das ist Schnitzlers Rechenfehler: wer aus so kleinem
der Worte. Worte sind Schall und Rauch. Man spricht,
um die Wahrbeit zu erfahren, ein so täu
und kleinlichem Neide handelt, der ist nicht fähig zu der
nicht um Innerstes bloßzulegen, um Verborgenes ans Licht
grauenhaften Größe solcher Nache: anders herum: bei dem takulum auf, in dem Rührung und edie
zu tragen, man spricht um sich dichter zu verbergen, tiefer
ist solche Nache nicht mehr groß, sondern schurkisch. Das srehstanklägerische Reue und Zerknirschung
zu verhüllen. Worte lügen, und die Wahrheit bleibt ewig
hoher Sinn und Wahres und Falsches so
ist der Unterschied zwischen diesem strindberg=ähnlichen
das verschleierte Bild zu Sais. So aber ist es bestellt um
mischt #id, daß der brave Junge gerührt
Schnitzler und Strindberg: wo Strindbera seine Konflikte
menschliches Leben, daß Lüge und Wahrheit in einen un¬
und Herbot vergnügt — den Hamlet kann
aus elementaren Urtrieben ballt, wird Schnitzler berech¬
löslichen Knoren verschlungen sind und niemand weiß, wo
Seine Frau aber, die im Nebenzimmer alle
nend und berechnet. Menschlich rein wird seine Kunst, so
die Lüge aufhört und die Wahrheit beginnt. Das ist der
verschlungene Wege sie auch gerade da geht, erst wieder bei erschauert im Ekel vor soviel Gemeinbeit
Weisheit letzter Schluß.
der Frau. Mit seelenkennerischer Behntsamkeit nimmt er auf immer. Doch er behauptet, ohne sie
Das ist der letzte Schluß von Arthug##ier um Schleier von ihr, dentet das Rätsel ihrer nicht den Hamlet spielen zu können. fleht
lers Weisheit. „Du mußt es dreimal sagen“, läßt er sich
pathetisch an, und sie bleibt. Die Ketten sch
von Mephisto willig belehren, und beklopft in der „Ko= Psyche mit wundervollen Worten und noch mehr mit dem,
was er verschweigt und ersühlen, erraten läßt, und er¬
Das ist der Kern! Rundherum und mitt
mödie der Worte"*) sein Thema in drei Ein¬
viel gescheite, lustige und witzige Bemer
reicht, daß man an sie glaubt, trotz allen Irrgängen, die
aktern, mit immer neuem Ton, neuen Licht vu. neuen
Theaterdinge, Dichter, Schauspieler, Kritike
in ihr sind. Sie hat nämlich . . Ormin wirklich geliebt,
Menschen; seziert mit förmlich medizinischer Saa,lichkeit
aber hintergangen hat sie ihren Mann mit einem andern.
kum, ein samoser Thoaterdirektor wandelt ei
drei „Fälle“ und spürt ihnen bis in die dunkelsten Winkel
den sie weniger liehte. Einem, dem sie „in trübem Dasein
nuskript unterm Arm, scherzhafte Gesstreic
und verschlungensten Wege nach mit der unfehlbaren,
der erste Himmelsstrahl“ war, „das große, das einzige
der Zunge und verstehendes Menschentum im
hauchartigen Feinheit seiner pfychologischen Sonde. Diese
Glück eines Lebens“. Und somit wäre alles anders ge¬
ist überhaupt leichter und schweberder, lustig
#sychologische Gestaltungskraft hat ihn noch nie so in die
santer als vorher — aber der Kern bleibt de
Tiefe der Dinge geführt, wie im ersten der drei Einakter, kommen (dies aber braucht kein Rechenfehler zu sein,
loses Aneinandergekettetsein von Mann und
der „Stunde des Erkennens“ Hier sind mit kann vielmehr eine Verschärfung der grausig hohnvollen
Tragik bedeuten), wenn ihr Mann, der auf der falschen
im letzten Einakter, dem „Bacchusfest“
meisterlicher Hand zuckende Seelen bloßgeleat: hier sind
Jährte war, gesprochen hätte. Wenn die „Stunde des
tiefsten versteckt unter der bunt schillerude
nicht nur die festen Formen der psychischen Erscheinungs.
Erkennens“ in ihren Grundvesten nicht eine „Komödie des
Daz Taschenspielerkunststückchen, wie ein
welt Ausdruck und Gestalt geworden, sondern das Ver¬
schwimmende, Verschwehende Zergleitende aller, halb un= Schweigens“ wäre und nicht erst wieder zur „Komödie vom Bahnhof zwieschen zwei Zügen seine Frau
bewußten, Zwischenformen, die Dämmerwelt verschwiegen= der Worte“ würde, als die Frau in ihrer arauenhaften buhler, der sie schon sicher zu haben g'aubt
rich durch liufdecken der Wahrheit den sagt zur dadurch, daß er ihn überhaunt i
ster Regungen ist festgehalten und in Worten von bohren= Erniedrigung
kommen läßt, ihn mit seiner glänzenden Die
der Gründlichkeit ihres Geheimnisses entkleidet. Die] Mann erläst söndern ihn in seinem Wahn bestärkt und
nun ihrerseits ebenbürtige R####e nimmt. indem sie ihm
erschlägt und sich in der Selbstverständlicht
schmerzliche Resignation, in die Schnitzler, früher einmal.
alles Glück mit Ormin, das sie nie genossen, noch einmal
Besitzes, die doch in diesem Augenblick ei
seine Dichtungen einhüllte, die sie umspielte mit dem Reiz
in den glühendsten Farben molt Das ist das Ende, und
wiegt: Dies Kunststückchen wäre nur tasch
wehmütiger Stimmungen und vor dem Aeußersten, der
letzten Konsequenz fast immer zurückschreckte, ist ver=doch nicht ganz das Ende. Die Frau verläßt noch in der¬
schlummerte nicht der Geist der Schwere
schwunden. An ihre Stelle getreten ist ein unerbittlichez selben Stunde das Haus Wohin? In die Werl? In den
unter allem. Bräche er nicht nach langem, u
Bis=ans=Ende=gehen, und eine hohnvolle Härte, die — von Tod? Sie schweigt sich darüber aus. Werte lügen.“ Der Grollen hervor im Stöhnen des Mannes
Strindberg kemmt und sich von ihm nur unterscheidet durch] Mann aber kemmt jetzt zum tiefsten Bewußtsein des reit= Dich!“ Worauf sie: „Und ich Dich noch tauf
losen, rettungslosen Verkettetseins mit der Frau. Erf—
mein Geliebter!“ Sie knnen nicht
den Mangel an Erlebnisintensität. Daß der Arzt Dr.
zögert, und ein Wort von ihr würde ihn halten. Sie
Der Widerbaken sitzt zu tief.
Karl Eckold zehn Jahre lang neben (und mit) seiner
spricht es nicht, dies Wort. Die Ketten sind gebrochen.
Menschliche“, Allzumenschliches. „Wort#
Frau weiterlebt, nachdem er von ihrem Betrug weiß; daß
er zehn Jahre lang schweigt bis zu dem Tage, da die Das Martyrium ist aus, oder — fängt erst recht an.
Das in ein Motto, und kein ungefährliches
Wenigstens für ihn, mit sich selbst, seinem „Gewissen“.
Der brau
ldiese „Komidie der Worte“
Tochter verheiratet ist und mit ihrem Gatten das väter¬
Das nenne ich „Bis=ans=Ende=gehen“ ohne Rücksicht auf
dramatunnische) Ban der drei Ginakter ist von
liche Haus verlassen hat; und daß ei nun seine Rache ge¬
„ethisch“ oder sonstwie befriedigende Schlüsse.
Geschlossenheit und Lückenlosigkeit. Sie trag
nießt und die Frau hinausjagt, nachdem er ihr eröffnet
Rettungslolen Aneinandergesettetsein — darum kan=Isich, ihr Geletz, den Rothmus ihres Geschehe
hat, was sie ihm während der zehn Jahre gewesen ist
delt sichs auch in den beiden so genden Stücken, werngleich! Entwicklung, unverrückbar in sich. Sie mü
wie er sie, durch Gedanke und Tat, erniedrigt hat zur
spielerischer (von außen gesehen! Im Innern ist kein sie sind, oder sie können überhaupt nicht sein.
Jota verändert), jöngleurhafter, mehr im Hinblick auf den wie der des ersten Stückes ist unerhört in sc
*) Buchausgabe bei S. Fischer, Verlag, Berlin.