II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 287

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26.1. Konoedie der Norte zykius
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Mankischel Gouliel, Kun
Ausschnitt aus:
-GDtZ 190
vom:


Intimes Theater.
7G. Nürnberg, 6. Dez. Daß Arthur Schnitzlers
sichie Seite nicht im Architektonischen liegt,konnte¬n
K soweit man es nicht schon von seiner „Liebelei“ u. a.
Pußte — am Samstag in der Aufführung der unter
dem prächtigen Titel „Komödie der Worte“ zu¬
ammengefaßten drei Einakter. „Stunde des Erken¬
znens“, „Große Szene“ und „Das Bachusfest"schmerzlich
zu fühlen bekommen. Denn nicht die Direktion, son¬
dern der Dichter hat es so gewollt, daß das am wenigsten
bedeutende Stück den Schluß bildet, und zwar einen um #
so stärker abfallenden Schluß, als das Ganze ohnedies
schon etwas reichlich lang, jedenfalls mehr als „abend¬
füllend“ ausfiel. Der Theaterzettel, auf dem „Ende
gegen 101 Uhr“ zu lesen stand, hatte sich um eine ge¬
schlagene Stunde verrechnet.
Schnitzlers Stärke also, sagten wir, liegt nicht im
Architektonischen. Wir können hinzufügen: überhaupt
nicht in der Handlung. Das Stoffliche ist durchweg
dürftig und ziemlich abgegriffen. Die gewöhnlichen Ehe¬
brüche oder Brüchlein. Groß ist unser Dichter — und
darum darf man den Gesamttitel als prächtig gewäh
bezeichnen — groß ist er vor allem in den Wor
ten, in der leichten, flüssigen, fein gewürzten, rei
pointierten, überaus lebendigen, schillernden, prickel
den, schalkhaft liebenswürdigen Konversation. Dies
Dialog ist nicht von dürrem, streitsüchtigem Intelles
tualismus konstruiert, er ist wahr und lebt. Eine bi
zur völligen Unwahrnehmbarkeit gesteigerte Abstraktio
der Technik, wie wir Aehnliches zum ersten Male i¬
der Literaturgeschichte bei Bauernfeld, bezeichnenden
weise ebenfalls ein Wiener Kind, finden.
Genügt indessen das bisher Gesagte vielleicht no¬
nicht ganz, um Schnitzler geradezu als Klassiker de¬
Konversationsstückes zu feiern, so darf dies sicherlich mi
Recht da geschehen, wo der Dichter mittels seine
Dialogtechnik feine, psychologische Gemälde vor unse
Auge zu führen, aus Worten volle, ganze, lebendig#
Menschen, Charaktere mit scharfen, interessantenSchlag
lichtern zu gestalten weiß. Freilich, das erste und der
letzte Stück vom Samstag abend vermögen nach diesch
Hinsicht nicht recht Stand zu halten, womit ich sie jedon
nicht als direkt mißglückt bezeichnen möchte.
„Stunde des Erkennens“ verliert sich in psychologisch#
Spitzfindigkeiten und Fragwürdigkeiten.
X vermag
„Sie“ nicht zur ehelichen Untreue zu verleiten, weil
Sie ihn zu sehr liebt, Z gegenüber jedoch leistet „Sie“.
sich einen Ehebruch, weil sie ihn weniger liebt als X?
Auch liegt die eigentliche Pointe des Stückes, das Ver¬
schweigen des wirklichen Geliebten dem Mann gegen¬
über, stark verborgen. Immerhin sind die Charaktere
interessant und keineswegs glatt unmöglich, zumal
wenn sie durch Künstler wie Steinrück, Olly und Schar¬
wenka dargestellt werden. Im „Bachusfest“ hingegen
handelt es sich nicht nur um seelische Fragwürdigkeiten.
Die Figuren setzen hier überhaupt kein Fleisch an. Es
kommen keine runden Charaktere heraus, sondern nur
Fragmente. Kurz: es bleibt bei Worten. Allen An¬
forderungen und den verwöhntesten Ansprüchen genügt
hingegen die „Große Szene“! So etwas von psycho¬
logischer Tiefe und zugleich voller, runder Lebenswahr¬
heit bekommt man selten zu sehen. Nur soviel hier:
Den Mittelpunkt bildet die Figur eines Schauspielers
eine leichtlebig=geniale Künstlernatur, die nicht mehr
zwischen Wahrheit und Lüge, zwischen der Wirklichkeit
des Lebens und dem Spiel der Bühne zu unterscheiden
weiß, bei der jede Moral aufhört, da der Schuldbegriff
nahezu gänzlich verloschen ist, ein Mensch, der in Ver¬
logenheit und Allerwelts=Wurstigkeit aufgeht und doch
im Grunde ein gutmütiges Kind ist, das nicht leben
und wirken kann ohne den Halt, den „Sie“, die Legi¬
time, ihm bietet.
Das Publikum raste Beifalk. Als die Hände ver¬
sagten, mußten die Füße zu Hilfe kommen; eln großes
Getrampel erhob sich. Kein Wunder: Albert Steinrück,
der den Helden gab, ist — um es kurz zu sagen — ein
ganz hervorragender Künstler! Einer vom Schlag