II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 325


26.1. Kongedieder-Jorte zuklus
Ausschnifligmeiner Tiroler Anseige.
3Ck11916 Innsbruck
(vom:
Theater.
Stadtheater Innsbruck. Heute, Dienstag, „Das
Drejmäderlhaus“, Singspiel. — Morgen Wohl¬
tätigkeitsvorstellung zu Gunsten der Opfertage.
„Komödie der Worte“ Drei Einakter von Artur
Schnitzler. — Artur Schnitzler hat sich wieder einmal
bewogen gefühlt, etwas von sich hören zu lassen und
hat drei Einakter geschrieben, die er mit „Stunde des
Erkennens“ — „Große Szene“ — „Bachusfest“ und
alle drei zusammen mit „Komödie der Worte“ betitelt.
Da er der jüdischen Literaturgesellschaft für gegensei¬
tige Lobhudelei angehört, hat sich die gesamte hebräi¬
sche Wiener Schmockerei, allen natürlich voran die
„Neue Freie Presse“ verpflichtet gefühlt, im Schweiße
des Angesichtes für das „geniale" Werk ihres Leib¬
dichters die Werbetrommel zu rühren. Und so ist's ge¬
kommen, daß die drei Einakter im k. k. Hofburgthea¬
ter der Haupt= und Residenzstadt Wien zuerst Ram¬
penlicht gesehen und kolossalen Beifall in der gesam¬
ten „literarischen“ Welt eingeheimst haben. In der
anständigen allerdings nur lauten Widerspruch und
lebhaften Protest. Und so hat's auch kommen können,
daß unsere Stadtbühne am Beginn ihrer neuen Aera
„unter großen materiellen Opfern“ das „humorvolle“
Werk erworben und auf die Bretter gebracht hat.
Gestern also ist es uns vorgesetzt worden. Wenn ich
nun Inhalt und Gehalt der neuesten Schnitzler'schen
Leistung andeuten soll, so brauche ich nur kurz und
bündig zu sagen: Erster Einakter — vermeintlicher
wirklicher Ehebruch
Ehebruch, zweiter Einakter —
unter gemeinsten Umständen, dritter Einakter —
versuchter, aber rechtzeitig verhinderter Ehebruch.
Etwas eintönig, nicht wahr? Aber es ist so. Wenn
wenigstens diese drei Einakter wirkliche Komödien
wären, wenn sie uns traurig oder grimmig lächelnd
sagen würden: „Seht, so ist diese „elegante“ Welt,
so sind ihre Ehen, die ohne gegenseitige Ehrfurcht vor
den beiden Geschlechtern geschlossen werden“, dann
könnte man vielleicht von einem Daseinszweck spre¬
chen. Aber so sind es nur drei Nichtigkeiten, drei küm¬
merliche Ausschnitte aus dem kümmerlichen Dasein
einer durch und durch kernfaulen Gesellschaftsschicht,
vorgetragen mit behaglichem, faunischem Schmunzeln.
Vielleicht haben sie aber doch irgendeinen literarischen
oder künstlerischen Wert? Nein. Im ersten Einakter
versucht es der Verfasser — Dichter kann man in
solchem Fall wohl nicht sagen —, den großen Norweger
Ibsen nachzuahmen, wie dieser „sich rauspert und wie
nach
er spuckt“, der zweite schmeckt ganz bedenklich
französischer Küche, nach Sardou oder Dumas oder
Seribe, der dritte endlich ist ganz „Schnitzler“, näm¬
lich herzlich bedeutungslos. Aber warum wird denn
solches Zeüg überhaupt aufgeführt? wird man erstaunt
fragen. Na ja — weils vom Schnitzler ist, weils die
Judenpresse gan zMitteleuropas u. ihr blinder Anhang
eifrig beklatscht hat. Es ist traurig, tieftrautig, daß
man solch anrüchige, schmierige Geschichten aus einer
bis ins Mark verderbten Gesellschaft erzählt zu einer
Zeit, da noch immer die furchtbaren Schrecken des
Weltkrieges uns umtosen, da unsere Söhne, unsere
Brüder und unsere Väter auf fernen Schlachtfeldern
bluten und ihr Leben opfern müssen für Heimat, Volk
und tiefeingewurzelte Volksideale. Direktor Curt Se¬
der hätte mit Leichtigkeit ein anderes, viel besseres
und viel reinlicheres Werk finden können, in welchem
er seine prächtige Regiekunst und sein hervorragendes,
von hinreißendem Temperament beseeltes Können
hätte zeigen können. Und seinen Schauspielern und
Schauspielerinnen, die gestern das erstemal vor das
Innsbrucker Publikum treten mußten, hätte er bessere
Aufgaben zuweisen können, als Paten zu sein bei der
—81.
Wiedertause einer dramatischen Totgeburt.

box 32/5
Ausschig
mhchfücker Nachriehten
vom:
D B
1—
„Komödie der Worte.“ Drei Akte von Arthurs:
Schitzter Erstaufführung.
Für den literarisch
interessierteren Teil unseres Publikums war der ge¬
strige Theaterabend sehr dankbar und auregend, denn er
brachte als willkommene Neuheit Schnitzlers jüngstes:
Bühnenwerk, die „Komödie der Worte“. Der auch bei
uns wohlbekannte Autor, einer der hervorragendsten
Vertieter jener typisch wienerischen literarischen Rich¬
tung, die eine Zeit lang auf die gesamte österreichische
und auch auf die reichsdeutsche Bühnenproduktion großen
Einfluß ausübte und in gewissem Sinne auch heute noch,
namentlich bei den ungarischen Literaten, Schule macht,
hat sich seine Eigenart, die jedem seiner Werle die unver¬
kennbare persönliche Note gab, vom Beginn seines
Schaffens bis zum heutigen Tag sozusagen in Reinkultur
gewahrt. Diese Eigenart hat ihre Vorzüge so gut wie
ihre Schwächen immer beibehalten und sie ist beute noch
so verhältnismäßig eng umgrenzt wie ehedem. Seine
Domäne ist das Ehe= und Ehebruchsproblem in ver¬
feinerter, gewissermaßen überkultivierter Form. Es gab
bekanntlich eine Zeit, da solche Fragen „modern“ waren
und die Bühnendichter sich nicht genug tun konnten, dieses
Thema zu variieren und bis zum Ueberdruß, ja bis zur
Peinlichkeit zu behandeln. In dieser Zeit begründete
Schnitzler seinen Ruhm. Woyl weil er zu den wenigen
gehörte, die das heikle Thema mit Delikatesse, Geist und
Geschmack zu diskutieren und durch die feingeschlissene
äußere Form vieles andere gutzumachen wußten. Auch
in seinem neuen Stücke ist er sich treu geblieben. Und
eben weil die „Komödie der Worte“ wieder ein echter
Schnitzler ist, darf sie, trotzdem wir ihrem Thema heute
ablehnender gegenüberstehen, immer auf erfolgreiche
Wirkung rechnen. Freilich danken dies die drei Ein¬
akter mehr noch als sonst den formellen Vorzügen;
eigentliche dramatische Vorgänge gibt es da gar nicht.
Genau genommen sind es nur Szenen mit gesprochener
Handlung — Konversation. Wenige Autoren können
sich derlei erlauben. Schnitzler kann es, denn er hat
nicht umsonst seinen Ruf als Meister des sprachlich und
gedanklich gleich glänzenden, manchmal freilich auch nur
blendenden Dialogs. Uebrigens gibt der Dichter selbst
seinen drei Akten die treffendste Bezeichnung: Komödie
der Worte. Es ist wirklich nichts anderes. Der erste
Einakter „Stunde der Erkenntnis“ bringt die Aus¬
einandersetzung zwischen einem Ehepaar, dessen Tochter
soeben geheiratet hat. Dr. Eckold hat zehn Jahre lang
auf dieses Wiederalleinsein mit seiner Frau gewartet,
um sich scheiden zu lassen. Das Warum dieses Ent¬
schlusses, das sich aus Rede und Gegenrede ergibt, wobei
es an Verwicklungen nicht fehlt, macht die „Handlung“
des Stückes aus. Der 2. Akt „Große Szene“ faßt die
Sache von der anderen Seite an. Die Frau eines be¬
rühmten Schauspielers ist im Begriffe, die Unwahr¬
haftigkeit und Treulosigkeit ihres Gatten als unabänder¬
liche Künstlerschwäche zu verzeihen. Da wird sie
Zeugin eines neuen Beweises für die rettungslose Un¬
verbesserlichkeit ihres Mannes und gibt ihre Hoffnungen
endgültig auf. Im 3. Akte („Das Bacchusfest“) erobert
sich der Schriftsteller Staufner seine junge Frau, die
eben daran ist, ihn um eines andern willen zu verlassen,
in Gegenwart des unbedeutenden Nebenbuhlers zurück.
Auch hier wieder eine richtige Komödie der Worte, deren
Wirkung, wie bei den anderen Akten auf eine tadellose
Darstellung sehr angewiesen ist. Die gestrige Auf¬
führung ließ in dieser Hinsicht kaum etwas zu wünschen
übrig. Jedes Schnitzlerstück ist ein guter Prüfstemn für
die Qualitäten eines Schauspielers. Herr Direktor
Seder, der gestern zum ersten Male auftrat, hat diese
Probe wieder glänzend bestanden. Die drei großen
Rollen gaben ihm Gelegenheit, sein reiches, noch von
seinem früheren Wirken an der hiesigen Bühne her
bestens bekanntes Können nach allen Seiten hin, neuer¬
dings zu bestätigen. Zunächst im 1. Akt als Dr. Eckold,
der seine „Rache“ kalt und in aller Ruhe genießen will;
besonders aber in der „Großen Szene“ als verwöhnter
Schauspieler und liebenswürdig=treuloser Ehemann, der
im Leben ebenso gut Komödie spielt wie auf der Bühne
und noch stolz darauf ist. Direktor Seder stattete diese
Rolle mit allen Mitteln und Mittelchen eines voll¬
blütigen, überschäumenden Künstlertemperamentes sehr
wirkungsvoll aus. Auch im „Bacchusfest“ ging er als
selbstsicherer Schriftsteller und Ehegatte ganz in seiner
Rolle auf; nur dann und wann hing ihm von der vorher
gespielten Rolle vom pathetischen Poseur noch etwas
nach. Jedenfalls aber war Direktor Seder der Löwe des
Abends. Von den übrigen Schauspielern lernten wir im
1. Akt Fräulein Marianne Karina, die sich als Frau
Klara äußerlich allerdings etwas zu jung gab, und Herrn #
Otto Braun (Professor Ornim), als anscheinend rocht