II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 326

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„Komödie der Worte.“ Drei Akte von Arthur
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Für den literarisch
Schitter Erstaufführung.
interessierteren Teil unseres Publikums war der ge¬
strige Theaterabend sehr dankbar und auregend, denn er
brachte als willkommene Neuheit Schnitzters jüngstes
Bühnenwerk, die „Komödie der Worte“. Der auch bei:
uns wohlbekannte Autor, einer der hervorragendsten
Vertreter jener typisch wienerischen literarischen Rich¬
tung, die eine Zeit lang auf die gesamte österreichische
und auch auf die reichsdeutsche Bühnenproduktion großen
Einfluß ausubte und in gewissem Sinne auch heute noch,
namentlich bei den ungarischen Literaten, Schule macht,
hat sich seine Eigenart, die jedem seiner Werle die unver¬
kennbare persönliche Note gab, vom Beginn seines
Schaffens bis zum heutigen Tag sozusagen in Reiniultur
gewahrt. Diese Eigenart hat ihre Vorzüge so gut wie
ihre Schwächen immer beibehalten und sie ist beute noch
so verhältnismäßig eng umgrenzt wie ehedem. Seine
Domäne ist das Ehe= und Ehebruchsproblem in ver¬
feinerter, gewissermaßen überkultivierter Form. Es gab
bekanntlich eine Zeit, da solche Fragen „modern“ waren
und die Bühnendichter sich nicht genug tun konnten, dieses
Thema zu variieren und bis zum Ueberdruß, ja bis zur
Peinlichkeit zu behandeln. In dieser Zeit begründete
Schnitzler seinen Ruhm. Wohl weil er zu den wenigen
gehörte, die das heikle Thema mit Delikatesse, Geist und
Geschmack zu diskutieren und durch die feingeschlissene
äußere Form vieles andere gutzumachen wußten. Auch!
in seinem neuen Stücke ist er sich treu geblieben.
eben weil die „Komödie der Worte“ wieder ein echter
Schnitzler ist, dars sie, trotzdem wir ihrem Thema heute
ablebnender gegenüberstehen, immer auf erfolgreiche
Wirkung rechnen. Freilich danken dies die drei Ein¬
akter mehr noch als sonst den formellen Vorzügen;
eigentliche dramatische Vorgänge gibt es da gar nicht.
Genau genommen sind es nur Szenen mit gesprochener
Handlung — Konversation. Wenige Autoren können!
sich derlei erlauben. Schnitzler kann es, denn er hat
nicht umsonst seinen Ruf als Meister des sprachlich und
nur
gedanklich gleich glänzenden, manchmal freilich auch
blendenden Dialogs. Uebrigens gibt der Dichter selbst
seinen drei Akten die treffendste Bezeichnung: Komödie
der Worte. Es ist wirklich nichts anderes. Der erste
Einakter „Stunde der Erkenntnis“ bringt die Aus¬
einandersetzung zwischen einem Ehepaar, dessen Tochter
soeben geheiratet hat. Dr. Eckold hat zehn Jahre lang
auf dieses Wiederalleinsein mit seiner Frau gewartet,
um sich scheiden zu lassen. Das Warum dieses Ent¬
schlusses das sich aus Rede und Gegenrede ergibt, wobei
es an Verwicklungen nicht fehlt, macht die „Handlung“
des Stückes aus. Der 2. Akt „Große Szene“ faßt die
Sache von der anderen Seite an. Die Frau eines be¬
rühmten Schauspielers ist im Begriffe, die Unwahr¬
haftigkeit und Treulosigkeit ihres Gatten als unabänder¬
liche Künstlerschwäche zu verzeihen. Da wird sie
Zeugin eines neuen Beweises für die rettungslose Un¬
verbesserlichkeit ihres Mannes und gibt ihre Hoffnungen
endgültig auf. Im 3. Akte („Das Bacchusfest“) erobert
sich der Schriftsteller Staufner seine iunge Frau, die
eben daran ist, ihn um eines andern willen zu verlassen,
in Gegenwart des unbedeutenden Nebenbuhlers zurück.
Auch hier wieder eine richtige Komödie der Worte, deren
Wirkung, wie bei den anderen Akten auf eine tadellose
Darstellung sehr angewiesen ist. Die gestrige Auf¬
führung ließ in dieser Hinsicht kaum etwas zu wünschen
übrig. Jedes Schnitzlerstück ist ein guter Prüfstemn für
die Qualitäten eines Schauspielers. Herr Tirektor
Seder, der gestern zum ersten Male auftrat, hat diese
Probe wieder glänzend bestanden. Die drei großen
Rollen gaben ihm Gelegenheit, sein reiches, noch von
seinem früheren Wirken an der hiesigen Bühne her
bestens bekanntes Können nach allen Seiten hin, neuer¬
dings zu bestätigen. Zunächst im 1. Akt als Dr. Eckold,
der seine „Rache“ kalt und in aller Ruhe genießen will:
besonders aber in der „Großen Szene“ als verwöhnter
Schauspieler und liebenswürdig=treuloser Ehemann, der
im Leben ebenso gut Komödie spielt wie auf der Bühne
und noch stolz darauf ist. Direktor Seder stattete diese
Rolle mit allen Mitteln und Mittelchen eines voll¬
blütigen, überschäumenden Künstlertemperamentes sehr
wirkungsvoll aus. Auch im „Bacchusfest“ ging er als
selbstsicherer Schriftsteller und Ehegatte ganz in seiner
Rolle auf; nur dann und wann hing ihm von der vorher
gespielten Rolle vom pathetischen Poseur noch etwas
nach. Jedenfalls aber war Direktor Seder der Löwe des
Abends. Von den übrigen Schauspielern lernten wir im
1. Akt Fräulein Marianne Karina, die sich als Frau
Klara äußerlich allerdings etwas zu jung gab, und Herrn
Otto Brann (Professor Ornim), als anscheinend recht
schätzenswerte Kräfte kennen, was auch für Fräulein
Viktoria Sabatin als Frau des Schauspielers (der
wir nur ein bischen mehr Leben wünschen), ferner im
3. Akte für Fräulein Lia Meinrad als Frau Agnes
und Herrn Otto Mazel als Dr. Wernig. Als alte
Bekannte begrüßten wir die Herren Köck als Theater¬
direktor und Herrn Richter, der als Edgar Gley merk¬
lich festeren Boden unter sich fühlte als sonst. Die Regie
war klaglos, das Haus sehr gut besucht.
Ausschnig an
Liroler Stimmen, Innsbruck
*
von: an 94.7
S
6
zum geistreichst
Stadttheater.
Oesterreichs ge
und verbreitet
„Komödie der Worte“. 3 Einakter von Arthur
das sittliche 1
Schnitzler
hilft. Für die
„Im Grunde genommen handeln Arthur Schnitz¬
Herr Schnitzler
lers Theaterstücke samt und sonders nur von 3 Din¬
zeichnung, die
gen: Vom Lieben, vom Sterben und vom Komödien¬
ratur zu vergeh
spielen, wobei Komödienspielen im denkbar weitesten
lers „Komödié
Sinne, alle Arten von Wahn und Traum in sich
Erkennens“,
begreifendem Sinne zu verstehen und an Stelle von
Die Aufgabe d
Liebe ein minder vieldeutiges Wort zu verstehen ist.“
hörer in eine v
Mit diesem einen Satze kennzeichnet der verstorbene
aus des Leben
Burgtheaterdirektor Baron Berger das Schaffen des
schneiden und
„größten einheimischen Talentes nach Anzengruber“
haglich darzubi
so tituliert nämlich die stets bescheidene semitische
lustig und ansp
literarische Vereinigung ihren Schnitzler — nur hätte
anschauung Sch
Freiherr v. Berger das minder vieldeutige Work günz,
Sinnlichkeit un
ruhig aussprechen sollen: brenzlige, schwüle, leicht¬
von moralischen
sinnige, blasierte Erotik in allen Nuancen und ersinn¬
buntem Jahrm
lichen Kombinationen, vom ordinärsten Ehebruch bis
doppelte und m
zur leicht tändelnden Liebelei. Das moderne Drama
mung besteht d
der letzten Jahre hat nun einmal den Ehebruch in einer
sten sich erbrech
Weise zum Mittelpunkt der Handlung gemacht, daß
einem öden,
man glauben möchte, es gäbe gar keine anderen als
Eigentümlichkeit
sexuelle Probleme mehr, kein anderes interessantes
Personen imme
Verhältnis der Menschen zu einander. Und Herr Ar¬
unterhalten und
thur Schnitzler ist das Haupt dieser literarischen Gilde
dazwischen platz
für sexuelle Aufklärung. Dieses sexuelle Problem wird
man den „fein
aber nicht etwa dargestellt, um den Ehebruch zu brand¬
sens“ kaum zut
marken, um Gericht zu halten wie es Ibsen tut, nein,
betrügt ihren 2
man plätschert dabei vergnügt und behaglich in dem
dann mit eine
Sumpf, spielt und tändelt mit der ehelichen Treue wie
K,glücklicher Ehe“
mit einem Fanghall, witzelt über das Fundament der
in die Arme zu
Gesellschaft, blasiert geistreich — Herrn Schnitzler hat
der dritter Ehe
die semitisch=literarische Vereinigung nicht nur zum
größten Dramatiker nach Anzengruber, sondern auch trügt sie mit de