II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 368


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bendausgabe Berlin W. 6
Ausschnitt aus der Nummer vom:
B• MA 1924
Mrengen s
Bassermann in den Kammerspielen.
Schnitzlers „Komödie der Worte“.
Mehr denn je scheint Bassermann bei seinem jetzigen
Auftreten den Beweis führen zu wollen, daß die Bühne
dem Schauspieler gehöre. Drum die Pahl von Strindbergs
„Wetterleuchten“, das fast eine Solgkolle ist; drum vordem
und nunmehr Einakterabende. Pordem Saltens „Vom
andern Ufer"; nunmehr Schnitzlexs „Komödie der Worte“.
An solchem Einakterabend kann der Schauspieler viel¬
fach schillern, geschmeidig in ein paar Häute schlüpfen, die
verschiedensten Register ziehen, bald Tragik markieren, bald
kurz: sich komödiantisch austoben,
chtsgelassen tollc#
gsein Temparämen von Ueberschüssigem befreien. Von den
in die stilisierende Richtung geratenen jüngeren Schau¬
spielern wird man sich kaum einen als Trager eines solchen
bunten Abends denken können. Von anderem abgesehen,
fehlt ihnen dazu, glaube ich, der innerste komödiantische
Trieb, die naive Spielfreudigkeit, die jauchzende Lust, sich
mit ein paar jähen Sprüngen in die Vielfältigkeit von
Charakteren hineinzusturzen, im Handumdrehen sich in
irgend ein paar besondere Gestalten zu verwandeln, dichte¬
rische Skizzenhaftigkeit aus eigener schöpferischer Macht¬
vollkommenheit zu runder, plastischer Menschlichkeit auszu¬
bauen.
Einst nannte man Matkowsky den letzten, in diesem
Sinne spielfrohen Komödianten; mir scheint, der heutigen
Generation dürfte als solcher Bassermann erscheinen, der,
je älter er wird und je mehr er der Seßhaftigkeit entsagt,
immer spielfreudiger wird und eine schier dionysische Lust
zu empfinden scheint, in raschem Wechsel an mannigfaltigen
Charakteren das Faszinierende, Anschmiegsame, Geistreiche
seiner Darstellungskunst zu erweisen und durch alle Masken
doch die Zuge seiner eigenen starken Persönlichkeit hindurch¬
schimmern zu lassen.
Er müßte kein Komödiant von echtem Schrot und Korn
sein, wenn ihn nicht die „Große Szene“ die im Grunde
jeder Einakter ist, besonders lockte. Der also betitelte
mittlere Einakter in der „Komödie der Worte“ stellt in
virtuoser Vollendung den Inbegriff dieses schauspielerischen
Ideals dar. Ein Schauspieler, dem auch jedes persönlichste
Erlebnis gleichsam nur das Stichwort für eine „große
Szene“ gibt. Und wenn ihm der Bräutigam des Mädchens
gegenübertritt, mit dem er etwas gehabt, dann kommt es
nicht zu irgendeiner tätlichen Entscheidung, vielmehr zu
einer — „Komödie der Worte“, zu einer Komödie von
Worten, die ein unvergleichliches Gemisch darstellen von
Echtem und Falschem, Lüge und Wahrheit, Naivetät und
Raffinement, Ethik und Frivolität, Komödiantischem und
Menschlichem. Wobei der, der glaubte, Rechenschaft fordern
zu können, durchaus in den Hintergrund gedrängt, zur
Passivität verurteilt, zum allerbescheidensten Gegenspieler
degradiert wird. Nie hat ein Schauspieler dieses Typische
der Schauspieler=Psyche geistvoller erfaßt, mit genialerer
Ironie, mit lustigerer Persiflage dargestellt als Bassermann.
Wie diese unendliche Fülle von Zwischen= und Untertönen
in der angedeuteten Mischung sich zusammenwob, das ergab
oder ersetzte ein ganzes Kompendium über die besondere
seelische Fundierung des schauspielerischen Schaffens und
überhaupt des schauspielerischen Wesens. Die im besten
Sinne virtuosische und wahrhaft grandiose Leistung versetzte
denn auch das Publikum in einen wahren Begeistungs¬
taumel, der Bassermann zahllose Male an die Rampe rief.
Auftakt und Abgesang sind gedämpfter. Der Arzt, den
in der „Stunde des Erkennens“ die Frau in dem
Wahn beläßt, sie habe einmal dem angehört, auf den er
immer voll Neid geblickt, während sie einem Stiefkind des
Glücks ein paar helle Stunden geschenkt, ist zu sehr zur
Passivität verurteilt, als daß er festere Konturen ge¬
winnen könnte. Bassermann gibt hier sein Bestes in den
Augenblicken, da er der Frau mit kalter Brutalität die
Gemeinschaft aufkündet. Aber man wird das Gefühl
nicht los, daß dieser Künstler, den im Verkehr mit dem
anderen Geschlecht eine kavaliermäßige Ritterlichkeit aus¬
zeichnet, hier nicht sein Echtestes geben kann, und es liegt
seiner Natur entschieden näher, wenn er im dritten Stück,
im „Bacchusfest“, die Stunde des Erkennens mit
einer scheuen, tastenden Gebärde beenden kann, die der
irre gegangenen Frau Verzeihung sichert.
Bassermann steht jetzt in einem seiner würdigen En¬
semble. Die drei Frauen sind Julia Serda, Else
Bassermann, Anni Mewes: die eine, blutenden
Herzens aus gedemütigtem Stolz Rache mit Nache be
antwortend; die andere voll Resignation von der Unwider¬
stehlichkeit des großen schauspielernden Kindes über¬
wunden; die dritte aus leichtfertiger Tändelei zu dem
Ueberiegenen sich zurückfindend. Im ersten Stück ist
mit
Bildt (dem auch die sorgsame Regie zu danken ist)
Delikatesse und seelischer Vornehmheit der vermeintlich
begünstigte Nebenbuhler; im zweiten Nunberg voll
inneren Humors zugleich geschäftstüchtiger Theater¬
direktor und aufrichtiger Freund und Gien der düpierte
Rechenschaftsforderer; im dritten Hollmann der ver¬
antwortungslose, frivol=feige Verführer.
Franz Köppen. —
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II
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BERLIN SO 16, RUNGESTRASSE 22-24
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Germania
Abendausgabe — Berlin C. 2
Ausschnitt aus der „ Nummer vom:
2 - MAlW24
„Die Komödie der Worte“.
Schnitzler und Bassermann in den Kammerspielen.
Mit Worten läßt sich viel jonglieren, spielen und heucheln.
Immer wieder hat Schnitzler dieses Thema variiert, immer
wieder gezeigt, wie labil die scheinbar innigsten Verhältnisse
zwischen Menschen sind. Ein Wort genügt, und was in jahre¬
langer Gemeinschaft verschmolzen ist, liegt zertrümmert da. Ob¬
wohl Kfarck Eckold sagt: „Am Ende gilt doch nur, was wir
getan=und gelebt; und nicht, was wir gewünscht oder ersehnt
haben.“ Die drei Menschen im ersten Einakter „Stunde des
Erkennens“ glauben, den Schleier des Geheimnisses ge¬
lüstet, die Wahrheit gefunden zu haben, aber sie täuschen sich
selbst in ihren eigenen Gefühlen. Es ist reizvoll, Basser¬
manns lebendiges, naturalistisch durchblutetes Spiel in diesen
fein abgewogenen und abgetönten Wortspielen des Melanchö¬
likers zu beobachten. Er befand sich bisweilen wie im Gegensatz
zu dem Dichter, dessen beabsichtigte Dekadence und müde Weis¬
heit er zu lebensfest, beinahe brutal gestaltete. Hier muß doch
alles viel zerbrechlicher, rokokoverschnörkelter sein. Die Lüge
muß wie Dunst und Gespinst die ganze Atmosphäre durchsticken.
In der „Großen Szene“ wo Bassermann als Schau¬
spieler Herbot dem gehörnten Edgar Gley gegenüber so ganz
Komödiant sein kann, da war er erschütternd. Die Problematik
ging auch hier verloren; er log zu robust, aber doch so selbst¬
verständlich und herzlich, daß ein frischer Luftzug aus Schnitzlers
verstaubter Arbeit wehte. Prustendrot das naive Jungengesicht,
riß er so mit, daß man ihm wirklich die ganze Geschichte beinahe
geglaubt hätte. Schnitzlers Trostlosigkeit ist hier versinnlicht
zu einem pausbäckigen Optimismus. Was liegt diesem
Konrad Herbot an den Kniffen der Psychologie, an den Rätseln
der, Wahrheit, am Schmerz der Seele? Mit seiner gesunden
Bäuerlichkeit kuriert er die gebrochenen Herzen. — Auch der letzte
Einakter „Ein Bacchusfest“ behandelt das Eheproblem.
Der Schriftsteller Stausner kehrt aus der Einsamkeit des
Schaffens zurück und findet seine Frau schon halb in den Armen#
eines anderen. Hier schmiegte sich Bassermann mehr an denk
Dichter an. In bewußter, langsamer Steigerung schlägt er den