II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 377

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26.1 Kongedie derNorteZykius
dieser, der ein solches Stück geschrieben hat, das nicht anklagt,
sondern anklagend auch verteidagt, das dem Alkohol nachsagt, er sei
Tolstoi, Schnitzler, Moissi.
an allem schuld, und den Satz dann wieder ungesprochen macht.
Dem späteren Tolstoi gefiel das nicht, er hat das Stück, solange er
Deutsches Theater.
lebte, nicht spielen lassen. Für Moissi aber ist es geschaffen, er
Wand an Wand spielen sie nun, man könnte auch sagen. Rücken
nimmt es ganz in seiner Weichheit auf. Ein jüngerer Schauspieler
an Rücken, die Gegensätzler, Bassermann in den Kammerspielen
würde es anders spielen, die Satire auf die kommunistischen Phrasen¬
und Moissi im Deutschen Theater, etwo zwei Monate lung, und sie
drescher würde bitterer herauskommen. Moissis Spott ist gelinde
sollten doch umgekehrt zehn Monate in Berlin sein. Bassermann:
und wirbt für seinen wortberauschten Landstreicher um Mitleid,
das pointierte Leben, Moissi die pointierte Kunst: Bassermann, der
nicht um Lachen.
aus der Wirklichkeit heraus=, Moissi, der aus jenseitigen Bezirken
Für beide Stücke hatte Richard Gerner die Regie, und gute
in sie hineinspielt; der eine ein Realpolitiker der Bühne, der andere
Kräfte, wie Walter Brandt, Rilla, Amendt. Renéo Stobrowa,
ein Schwärmer in der Dichtung und in seiner eigenen Musik. Rund¬
mit ihrem innigen Ernst, Grete Mosheim mit ihrer jungen Bühnen¬
um gesehen und gesagt: freuen wir uns, daß wir zwei solche Kerle
sicherheit und Johanna Terwin mit tapferer Lustigkeit waren ein¬
haben.
Fritz Engel.
gesetzt.
Beide spielen sie Schnitzler. Bassermann aber sucht den Schnitzler
der erdhaften Prosa. Moissi den anderen, der sich in Versen zum
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Sinngedicht hinaufschwingt. Er gibt der „Pa#a##“, den
Wunderdoktor, hier den klugen Errater menschlicher Seelen, und
wenn Schnitzler hypnotisch=okkultistisch spielt, so bleibt er selbst doch
hinter der Maske sichtbar, er, in seiner nimmermüden Sendung,
das Herz der Frauen zu enträtseln und von ihrer geheimen Sehn¬
sucht den Schleier zu lösen, bis sie in anmutiger und mitleidweckender
Nacktheit dastehen, nur noch von ihrer Schen bedeckt. Schnißler hat
das Thema auch in einem Anatolstückchen mit Uebermut behandelt.
Hier blüht es in stillerer Heiterkeit auf, es gibt eine milde Freude und
bringt Moissi den willkommenen Anlaß, anders als es Emannel
Reicher einwal getan, die Gestalt ganz von der Erde fortzuspielen,
in einen Bezirk, wo das Ange noch strahlender leuchtet und die Rede
eine Kantate wird. Sein Paracelsus ist ein Fremdling auf dieser
Welt, ein Pilger auf eigener Straße, und wenn Moissi abgeht, ist
man durchaus vorbereitet, ihn sofort als Tolstoi=Spieler wieder¬
gpoan schswahnupaden
zusehen.
Er gibt dann also den Wanderburschen in der kleinen Komödie
„Er ist an allem schuld“, und dieses Stück mit jenem
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ersten verbindet er damit, daß er sich auch hier stark in die Mitte
spielt. Er tut es bei Tolstoi noch stärker als bei Schnißler. Es
endarres esuracne es aussenmnrrocao
muß ausgesprochen werden, daß hier eine Färbung entsteht, die
der Sache schadet und dem Künstler selbst. Nicht auf dem Zettel,
BERLIN SO 16, RUNGESTRASSE 22-24
aber auf der Bühne steht Moissi als Gast. Er spielt die anderen
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Bearbeitét die deutsche und ausländische Presse auch auf Inserate.
nicht zu Boden, aber er duckt sie. Seine Rolle wird verlängert,
Liefert Listen über geplante Bauten aller Art. Geschäftseröffnungen.
nicht nur vertieft. Das wird sie ja auch, und er entzückt uns,
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Festlichkeiten usw.
wenn er in alle Freuden und Leiden der Gestalt bis zum Grunde
hineinsteigt. Sein gutmütiger Stromer ist voll phantastischem Glanz.
das Geheimnis dieses russischen Menschen, sündhaft und unschuldig.
dumm und weise, entrechtet und gerecht, liegt wie eine liebliche Wolke
Berliner Morgen=Zeitung
über ihm, So darf und muß dieser Tolstoi gegeben werden, eben 1
Berlin SW. 19
Ausschnitt aus der Nummer vomz
2· HRNE·
„Komödie der Worte“ in den Kammerspielen
Arthur Schnitzler hat die drei Einakter, die sich, wie die
meisten seiner Kreszenz, um Ehebruch, Ehescheidung oder Kompromiß
drehen („Stunde des Erkenneus“ — „Große Szene“ —
„Das Bachusjest') unter der Firma „Komödie der
Worte“ zusammhngesark, um so das Theater des Lebens, das Jong¬
lieren mit Woxter als efühls= und Gewissensersatz zu kennzeichnen.
Die geistreich schlllernden Einaktex, deren stärkster die „Große Szene“
ist, in der ein Komödiant die Braut eines brapen Jünglings verführt“
und diesem einredet, daß er das keuscheste aller Mädchen heimführe,
sind im Deutschen Theater schon vor etwa einem Jahrzehnt gespielt
worden, und zwar auch mit Bassermann in den Hauptrollen. Der
große Darsteller hat den Vergleich mit dem Bassermann von einst
nicht zu scheuen. Sein Spiel ist, wenn möglich, noch reifer geworden,
seine Charakterisierung tief eindringend und aufs schärfste umrissen,
frei von kleinen Tricks stets die große Linie einhaltend. Wie er den
eitlen, gewissenlosen Mimen mimt, das ist schlechthin unübertrefflich.
Die um Bassermann stehen unter Paul Bildts seinfühliger Regie
ihren Mann bzw. ihre Frau. Vor allem die seine, vornehm=gütige
Julia Serda, die temperamentvolle Else Bassermann, Anni Mewes
sowie die Herren Hollmann, Werner, Sauer=Sarto und Aderhold. ##
Der stürmische Beifall aber galt vor allem dem „heimgesundenen“?
Bassermann.