WTEN, I.,
Wollzeile 11 4 Telephon R 23-0-43
V
9
Ausschnitt aus Fahe
vom
m Akodemitlt4. (K l. 1335
„Komödie der Worte“
Es war nicht nur ein Abend der Würde für
das Akademietheater. Artur Schnitzler, in
den letzten Jahren leider immer mehr und
mehr Erinnerung geworden, war wieder da
als Gegenwartserlehnis. Keines der großen
und in die großen Probleme von Tod, Leben
und Liebe eingreifenden Werke Schnitzlers,
aber ein nicht minder tiefes, ein gleichsam
mokant=tiefes, die Tiefe der Beiläufigkeiten
enthüllendes, die Seele hinter den Alltags¬
formen suchendes, ein skeptisch=weises. Kurz;
eines, das in grazilen kleinen Szenen den
ganzen Schnitzler enthält.
Gewiß, manche soziale Voraussetzung mag
heute nicht mehr stimmen, manche Konven¬
tion, die demaskiert wird, nicht mehr im Kurs
sein. Trotzdem: was an seelisch, gefühlshaft,
erotisch Problematischem zutage tritt, ist
heute im letzten Grunde so wahr wie da¬
mals, und wenn es eine neue Generation
vielleicht heute nicht wahrhaben will —
spätestens übermorgen wird sie darauf¬
kommen. Sie gilt noch heute, die Komödie
der Worte, die einen Umsturz im Seelen¬
erlebnis bewirken — sie gilt auch, wenn sich
ringsum, im größeren Raum, die Tragödie
der Schlagworte vollzieht, die den blutigen
Umsturz im Völkererlebnis bewirken.
Abgesehen davon: wie wunderbar sind
diese drei Einakter gebaut, wie technisch ge¬
konnt, wie fein und fesselnd im Dialogischen.
Man erkennt es beschämt, neuzeitlichen Lust¬
spielklamank noch frisch in Erinnerung.
Ewald Balser überrascht jeweils als Arzt,
Schauspieler und Schriftsteller. Wer hätte
diesem Darsteller von Charakteren, die in
ihrer Geradheit groß sind, eine so restlose
und packende Verkörperung der Gestalt jenes
Arztes zugemutet, der zehn Jahre lang Haß
und vermeintliche feelische Erniedrigung in
sich vereisen läßt. Wie ist da seelenverkrüp¬
pelnde Lüge, Rankkkne in metaphysischem
Sinn, herzenversteinernde Anmaßung zu
sichtbaren Erlebnis geworden!
einem
Welche Wandlung dann als Komödiant,
blitzend von selbstparodistischen Lichtern, voll
Pathos der Ironie, voll Schwung, Tempo
und Humor der Dialektik. — Und schließlich
als Schriftsteller voll stillster Verinnerlichung,
namentlich im letzten, stummen Augenblick,
ganz knapp eine Tragödie ahnen lassend. Er
zog neue Seiten auf gestern abend und sie
zählen zu seinen schönsten.
Die Frauen des Abends: Hilde Wagener
voller Zwischentöne, eine Frauenseele bis
ins Letzte charmant durchformend; Auguste
Pünkösdy schlug interessante tragische Töne
an; Maria Mayen hatte fesselnd=elegante
Wirkungen. In den übrigen Männerrollen
brachten Ullrich Bettac, Wilhelm Schmidt
und Franz Höbling eindrucksvolle Leistungen;
in knappen Auftritten ergötzte Richard
Eybner und Philipp Zeska zeichnete eine
Evilodenfigur mit behutsamem Humor.
Die Regie Franz Herterichs brachte zart
und klug die vielen feinen Pointen zum
Leuchten und Willy Bahner schuf Bühnen¬
bilder von schöner österreichischer, vorkriegs¬
österreichischer Atmosphäre.
Piero Rismondo.
„OBSERVER“
Erstes österreichisches be¬
hördlich konzessioniertes
Unternehmen
für Zeitungsausschnitte
WIEN, I.,
Wollzeile 11 4 Telephon R 23-0-43
Ausschnift aus
Abend, die,
OZ.
vom
10 0(7. 935
„Komödie der Worte“
Von Artur Schnitzler, Neuein¬
studierung des Akademietheaters.
Ein wunderbar treffender Titel, nicht nur
für diese drei Einakter, sondern auch be¬
zeichnend für die Epoche, aus der sie dem
Dichter erwachsen sind. Es war eine Zeit, in
der das Wort ein bedenkliches Übergewicht
über das Leben und seine Wirklichkeiten be¬
kam, eine Zeit, in der die Irrungen und
Wirrungen des Gefühlslebens in ihrer Be¬
deutung meist überschätzt wurden, zumindest
aber war der Verbrauch an Worten dafür
übertrieben. Seither hat die Menschheit unter
der harten Zuchtrute der Weltereignisse um¬
gelernt und viele im Publikum, denen ein
Stück von Schnitzler dazumal ein erlesener
Genuß war, dürften seine Konflikte und
seinen Dialog einigermaßen befremdlich emp¬
funden haben. Das verringert aber nicht den
Wert der Werke Schnitzlers als getreues
Spiegelbild seiner Zeit.
Vollends zufrieden ist man, daß die drei
Einakter Gelegenheit geben, Ewald Balser
nacheinander in drei so verschiedenen Ge¬
stalten bewundern zu können. In
der
„Stunde des Erkennens“ ist er als Arzt ein
peinlich verschobener Charakter mit einem
argen Komplex verschlanenen Ehrgeizes und
Neides. Körperhaltung, Spiel der Hände und
Brüchigkeit der Rede machen die scheußliche
Kompliziertheit dieses Menschen glaubhaft.
In „Große Szene“ spielt Balser den Komö¬
dianten, dem sich Leben und Schein, Wahr¬
heit und Lüge durcheinandermischen, und er
spielt diesen Besessenen seines Berufes als
eine erschütternde Karikatur. Im „Bacchus¬
fest“ schließlich gestaltet er den Dichter, also
einen Künstler des Wortes, gerade dadurch
am wirksamsten, daß er ihn als einfachen,
klugen Mann spielt, der schamhaft jedem
großen Wort ausweicht, jeden Ausdruck alles
Prahlerischen entkleidet. Im ersten Stück gibt
Auguste Pünkösdy der erschreckenden Aus¬
gehöhltheit des Arztes durch ihr ergreifendes
Spiel einer Frau, die unter der Entdeckung
jahrelanger Lüge nicht auch zum Lügen, aber
zum Verschleiern der Wahrheit gebracht
wird, ein wirksames Gegenbild. Franz Höb¬
ling war der Freund, der durch Jahre
ahnungslos an einer großen Liebe und an
einem großen Haß vorüberlebt, und brachte
diese Ahnungslosigkeit entsprechend. Im
zweiten Stück hätte man Maria Mayen
für die zurüggekehrte betrogene Gattin des
Komödianten mehr frauliche Überlegenheit
gewünscht, denn ihr eher weinerliches An¬
kämpfen gegen das Schicksal griff nicht ans
Herz. Wirksamer war Wilhelm Schmidts
drastischer Theaterdirektor als ergötzliches
Pendant zum Komödianten Balsers. Im
dritten Einakter waren Hilde Wagener
und Ulrich Bettac die Träger des Wort¬
gespieles und erlebten vor der Wortkargheit
des Schriftstellers Staufer mit Grazie die
Unzulänglichkeit alles Wortemachens. Die
Regie Franz Herterichs arbeitete geschickt
die Atmosphäre der Vorkriegszeit heraus.
Robert Michel.
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BadenSalzburg Semmering
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Österreichische Casino A. G.
Wien III, Schwarzenbergplatz 5a
„ORSERVER“
I. österr. behördlich konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien I, Wollzeile 11, Telephon R-23-0-43
Teikersituns. Wist
Ausschnitt ars:
12 0K1.
vom:
Akademietheater. Unter lebhafter Anteil¬
nahme des Publikums ging gestern Artur
Schnitzlers „Komödie der Worte“, neu¬
einstüdiert, in Szene. Der glänzende Dialog
ließ manche antiquierte Stellen, die sich da
und dort doch fühlbar machten, völlig ver¬
gessen. In den Hauptrollen boten Ewald
Balser, Auguste Pünkösdy, Maria
Mayen, Hilde Wagener und Ulrich
Bettac hervorragende Leistungen. Franz
Herterichs Regie zauberte, unterstützt von
Willy Bahner, eine Reihe interessanter
Bilder auf die Szene. Wir besprechen Stück
und Aufführung noch eingehend.
I. r.
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9
Ausschnitt aus Fahe
vom
m Akodemitlt4. (K l. 1335
„Komödie der Worte“
Es war nicht nur ein Abend der Würde für
das Akademietheater. Artur Schnitzler, in
den letzten Jahren leider immer mehr und
mehr Erinnerung geworden, war wieder da
als Gegenwartserlehnis. Keines der großen
und in die großen Probleme von Tod, Leben
und Liebe eingreifenden Werke Schnitzlers,
aber ein nicht minder tiefes, ein gleichsam
mokant=tiefes, die Tiefe der Beiläufigkeiten
enthüllendes, die Seele hinter den Alltags¬
formen suchendes, ein skeptisch=weises. Kurz;
eines, das in grazilen kleinen Szenen den
ganzen Schnitzler enthält.
Gewiß, manche soziale Voraussetzung mag
heute nicht mehr stimmen, manche Konven¬
tion, die demaskiert wird, nicht mehr im Kurs
sein. Trotzdem: was an seelisch, gefühlshaft,
erotisch Problematischem zutage tritt, ist
heute im letzten Grunde so wahr wie da¬
mals, und wenn es eine neue Generation
vielleicht heute nicht wahrhaben will —
spätestens übermorgen wird sie darauf¬
kommen. Sie gilt noch heute, die Komödie
der Worte, die einen Umsturz im Seelen¬
erlebnis bewirken — sie gilt auch, wenn sich
ringsum, im größeren Raum, die Tragödie
der Schlagworte vollzieht, die den blutigen
Umsturz im Völkererlebnis bewirken.
Abgesehen davon: wie wunderbar sind
diese drei Einakter gebaut, wie technisch ge¬
konnt, wie fein und fesselnd im Dialogischen.
Man erkennt es beschämt, neuzeitlichen Lust¬
spielklamank noch frisch in Erinnerung.
Ewald Balser überrascht jeweils als Arzt,
Schauspieler und Schriftsteller. Wer hätte
diesem Darsteller von Charakteren, die in
ihrer Geradheit groß sind, eine so restlose
und packende Verkörperung der Gestalt jenes
Arztes zugemutet, der zehn Jahre lang Haß
und vermeintliche feelische Erniedrigung in
sich vereisen läßt. Wie ist da seelenverkrüp¬
pelnde Lüge, Rankkkne in metaphysischem
Sinn, herzenversteinernde Anmaßung zu
sichtbaren Erlebnis geworden!
einem
Welche Wandlung dann als Komödiant,
blitzend von selbstparodistischen Lichtern, voll
Pathos der Ironie, voll Schwung, Tempo
und Humor der Dialektik. — Und schließlich
als Schriftsteller voll stillster Verinnerlichung,
namentlich im letzten, stummen Augenblick,
ganz knapp eine Tragödie ahnen lassend. Er
zog neue Seiten auf gestern abend und sie
zählen zu seinen schönsten.
Die Frauen des Abends: Hilde Wagener
voller Zwischentöne, eine Frauenseele bis
ins Letzte charmant durchformend; Auguste
Pünkösdy schlug interessante tragische Töne
an; Maria Mayen hatte fesselnd=elegante
Wirkungen. In den übrigen Männerrollen
brachten Ullrich Bettac, Wilhelm Schmidt
und Franz Höbling eindrucksvolle Leistungen;
in knappen Auftritten ergötzte Richard
Eybner und Philipp Zeska zeichnete eine
Evilodenfigur mit behutsamem Humor.
Die Regie Franz Herterichs brachte zart
und klug die vielen feinen Pointen zum
Leuchten und Willy Bahner schuf Bühnen¬
bilder von schöner österreichischer, vorkriegs¬
österreichischer Atmosphäre.
Piero Rismondo.
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Abend, die,
OZ.
vom
10 0(7. 935
„Komödie der Worte“
Von Artur Schnitzler, Neuein¬
studierung des Akademietheaters.
Ein wunderbar treffender Titel, nicht nur
für diese drei Einakter, sondern auch be¬
zeichnend für die Epoche, aus der sie dem
Dichter erwachsen sind. Es war eine Zeit, in
der das Wort ein bedenkliches Übergewicht
über das Leben und seine Wirklichkeiten be¬
kam, eine Zeit, in der die Irrungen und
Wirrungen des Gefühlslebens in ihrer Be¬
deutung meist überschätzt wurden, zumindest
aber war der Verbrauch an Worten dafür
übertrieben. Seither hat die Menschheit unter
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Auguste Pünkösdy der erschreckenden Aus¬
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zum Verschleiern der Wahrheit gebracht
wird, ein wirksames Gegenbild. Franz Höb¬
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ahnungslos an einer großen Liebe und an
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gewünscht, denn ihr eher weinerliches An¬
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Herz. Wirksamer war Wilhelm Schmidts
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Pendant zum Komödianten Balsers. Im
dritten Einakter waren Hilde Wagener
und Ulrich Bettac die Träger des Wort¬
gespieles und erlebten vor der Wortkargheit
des Schriftstellers Staufer mit Grazie die
Unzulänglichkeit alles Wortemachens. Die
Regie Franz Herterichs arbeitete geschickt
die Atmosphäre der Vorkriegszeit heraus.
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und dort doch fühlbar machten, völlig ver¬
gessen. In den Hauptrollen boten Ewald
Balser, Auguste Pünkösdy, Maria
Mayen, Hilde Wagener und Ulrich
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I. r.