man „Untreue“ nennt. Das klingt so gewichtig, so un¬
umstößlich. Vermag eine Verirrung des Blutes wirklich
alles zu vernichten, was wertvoll und bedeutsam ist in
der Gemeinsamkeit von Mann und Frau? Gibt es in
ihrer Liebe nichts, was sich darüber erhebt, was reiner
ist, größer und von währendem Bestand? Schnitzler
hat die Untreue nie verteidigt, gewiß nicht! Scharfe
Ibsen ist für seine Forderungen stets in irgendeiner
Szene seiner Werke vernehmlich laut geworden.
Schnitzler hat auch in der Kunst Angst vor der Komödie
der Worte gehabt. Er hat jeden Begriffspopanz ge¬
scheut. Nur Fragen hat er gestellt, und der betrogene
Teil hat bei ihm immer einen leisen Schimmer von
Unrecht oder zumindest von Unduldsamkeit, auch in
diesen drei Einaktern, die er „Komödie der Worte“
nennt.
Im ersten Stück, „Die Stunde des Er¬
kennens“, bleibt der hintergangene Gatte als
Schuldiger zurück. Die Frau geht aus dem Leben, weil
sie erkennt, daß ihre Untreue in ihrem Mann, den sie
trotz allem liebt, zwanzig Jahre geteilten Schicksals,
hingebungsvoller Kameradschaft ausgelöscht hat, die
doch auch Treue, Treue tieferer und ernsterer Art, ge¬
wesen ist.
Im zweiten Dramolett „Die große
Szene“, wirkt die Frau des berühmten Schauspielers
ein bißchen spießerisch, weil sie die an sich belanglosen
Seitensprünge des Gatten, sein Schauspielern auch in
amourösen Dingen nicht begreift. Sie fühlt nicht, daß
es vor allem seine Eitelkeit ist, die ihn von einer
Liebelei in die andre treibt, daß er auch bei den Frauen
Erfolg und Publikum sucht. — Im dritten Spiel
„Das Bacchusfest“ sind beide, er und sie, untreu
gewesen. Ort der Handlung: Bahnhof, Durchzugs¬
station — das scheint symbolisch. Und beide fühlen, daß
sie trotz dieser Entgleisung unlösbar zusammengehören.
Kein großes Wort fällt. Schnitzlers unerhörte Leichtig¬
keit des Dialogs jongliert über alles, was sich zum
„Problem“ verdichten könnte, meisterhaft hinweg.
Man spürt: wichtig ist nur die Verbundenheit dieser
Ehe. Wozu erst das Komödiantentum der Worte? Sie
würden nur Unwiderrufliches und Mißverstehen
schaffen. „Glücklich machen ist besser als schuldlos sein.“
Arthur Schnitzler ist vielleicht der erste Psycho¬
analytiker gewesen und hat trotz aller Behutsamkeit
mit seinem seelischen Seziermesser manchen Schaden
angerichtet. Man hebt nicht ungestraft die Schleier,
auch nicht den der „Beatrice“
Balser hatte einen ausgezeichneten Abend als be¬
trogener und betrügender Ehemann. Namentlich „die
große Szene", ein fetter Komödiantenbissen, hat
stürmisch eingeschlagen. Im ersten Stück war er ein
wenig zu laut, im letzten aber überlegen in der Führung
2.
der Szene. Er ist von eminenter Wandlungsfayigkeit.
Vor etwa zwanzig Jahren hat Harry Walden im Burg¬
theater, vor neun Jahren Korff im Volkstheater dieses
Ehetriptychon meisterhaft dargestellt. Auguste Pün¬
kösdy ist von innerlich gestaltender Kraft, wenn sie
auch in der Erscheinung nicht ganz die richtige
Schnitzlerische Frau ist. Und sie ist eine wunderbare
Sprecherin. Maria Mayen unaufdringlich nobel, die
Wagener geistig behende im Dialog. Höbling
verlangt andre Aufgaben, vor allem Handlung. Das
Schleierspiel der nur aufs Wort gestellten Schnitzler¬
schen Sprache liegt ihm nicht. Sehr klug und wirksams
Schmidt als Theaterdirektor, Philipp Zeska als
gehörnter Bräutigam, Bettac als kläglicher
Bacchant. Die kleine Rolle des Theaterpflänzchens,
einst von Paula Wessely entzückend geschnattert, hat
diesmal ein wenig versagt. Evbner ist immer köst¬
lich, wenn er eine seiner Charaktertypen stellt, ein.
moderner Schönpflug oder Thöny der Szene.
Man hat die Einakter, deren dramatische Form
auf Mussets Proverben zurückgeht, mit Franz
Herterichs Stilsicherheit im Zeitkostüm gespielt,
also mit feinem Vergangenheitsduft. Nicht die
„Komödie der Worte“ ist veraltet — die ist ewig —,
nur die Menschen darin sind zeitgebunden, diese
Schnitzlerschen Vorkriegsmenschen, denen nichts auf der
Welt so wichtig war wie Liebe.
H. T.
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Ausschnitt aus:
#
I I. KUS¬
3.0KT. 135
vom:
„Komödie der Worle“
Akademietheater
Wahrheit und Lüge, Traum und Wachen fließen in¬
einander. Wo ist Sicherheit? Was wissen wir von uns?
Wie wenig können wir dann von anderen wissen! Leben
heißt lügen. Der Klügere ist, wer erkennt, daß wir vor
Spielen ... wer
einander nur Theater spielen. Sein ...
fände da den Unterschied?! Wo verbirgt sich der tiefste
Kern unseres Wesens? Was gilt am Ende: unsere Wünsche,
die sich schlafend stellen, oder das, was wir getan haben?
Die Welt Schnitzlers ist die Welt solcher und ähnlicher,
bald wirklichen, bald rein rhetorischen Fragen. „Wir haben
aus dem Leben, das wir leben, ein Sviel gemacht, und
unsere Wahrheit gleitet mit unserer Komödie durcheinander
wie eines Taschenspielers hohle Becher“ schrieb ein Zeit¬
genosse Schnitzlers, dessen Welt damit genau umgrenzend,
eine Welt, in der die Dramatik der Tat abgelöst wurde
von der — Komödie der Worte.
Unheimlich fremd ist uns diese Komödie geworden, deren
Lebensstil man einst genoß; der Schall ihrer Worte tönt
von weither, ohne tiefer zu dringen, an unser Ohr. Die
unmittelbarste Wirkung geht noch von dem Mittelstück der
Dreiheit aus. Hier hat auch Balser seine glücklichste
Stunde, in der er seine große Szene zu einer geistreichen
Parodie auf das Komödiantendasein gestaltete. Minder
ausgeglichen erschien mir das Verhältnis von Rolle und
Darstellung im ersten Einakter. Prachtvoll die Ueber¬
legenheit in dem Sketch vom Bachusfest. In Frau
Pünkösdy und Hilde Wagener fand der Künstler ideale
Partnerinnen. Frau Mayen tastete nur am Rande der
Rolle, ebenso Herr Höbling. Die Herren Bettac und
Ph. Zeska zeigten erquickliches Verständnis für die un¬
freiwillige Komik, in deren Licht die Gestalten des Doktor
Wernig und Edgar Gley stehen. Sehr nett der humorige
— Franz Herterich
Theaterdirektor des Herrn Schmidt.
führte Regie und verließ sich im wesentlichen auf seine
Schauspieler. Das nette Bildwerk entwarf Willi Bahner.
Den Eindruck des Abends zu bestimmen, zitieren wir
noch einmal Schnitzlers Zeitgenossen: „Manche hören zu,
nicht alle ... manche träumen, manche lachen.“ N—r.