II, Theaterstücke 26, (Komödie der Worte, 1), Komödie der Worte, Seite 463

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26.1. Konoedie der Norte Zyklus
Ausschitt gustun
### Wien
Dechenaurge
vom. 19 0KT. 1935
ausgingen, beweist die große Macht, die er über seine
nicht leicht verwandelbare Natur gewonnen, den
Komödien der Vergangenheit.
hat.
inneren Erfolg, den er zum äußeren errungen
Ewald Balser in drei Einaktern von Schnitzler.
als
Immer ist ein ringender Künstler interessanter
Von Professor Dr. Ernst Deesey.
ein bloß routinierter, und davon steht etwas in den
Schauspielerweisheiten des shakespearischen Hamlet.
Dem beliebten Schauspieler Balser wurde (im
Die Partner müssen genannt werden: Frau
Akademietheater) Schnitzlers Einakterzyklus „Komödie
Mayen, die geradedenkende, bürgerliche Gattin des
der Worte“ übertragen, worin er, wie vor ihm Harry
Walden, auch Albert Bassermann, in drei ver= großen Unbürgerlichen, Philipp Zeska in vor¬
schiedenen Rollen auftreten kann. Mit Recht. Ein züglicher Maske als erledigter Bräutigam, Edeltraut
Arnoscht als junge Debütantin, die von Herbot
Schauspieler von Eigenart soll eigenartig beschäftigt
„geprüft“ werden will, und endlich Wilhelm Schmidt
werden. Aber wir glauben, Herr Balser wird höchstens
als Theaterdirektor Falk, hinter dem als Modell der
in einer dieser Ehemannsrollen öfter auftreten, und
Berliner Direktor Brahm steckt. Das Publikum unter¬
zwar als der große Komödiant Herbot in der „Großen
hielt sich lebhaft mit dem genialen Sketch, der eine
Szene". Denn, irren wir, wenn uns die beiden andern
wirkliche Komödie der Worte ist.
Stücke, obwohl sie verhältnismäßig jungen Datums
Weit schwächer ist der erste Einakter „Stunde des
sind, ihrem Gesellschaftsstil nach als über dreißig
Erkennens“, aus der wir leider nur erkannten, wie
Jahre alt vorkommen? Sogar etwas verstaubt?
vergänglich der Dichterruhm ist. Einst wirkte dieses
Aber der Herbot. Das ist ein berühmter Mime,
Spiel mit Walden, Devrient und Frau Bleibtreu als
Mauerweiler und Häuserfüller, ein Star, der so viel
ein dialektisches Feuerwerk. Heute erscheint es als ein
Rollen in sich aufgenommen hat, daß er kein Ich mehr
Gemisch von Ibsen und Strindberg, und die Darsteller,
hat. Ein Seitenstück zu jenem Schauspieler Merz in
die die geistige Tracht der Vergangenheit tragen,
Hermann Bahrs zu Unrecht vergessenem Roman
sprechen veraltete Dinge („Sie wären mein Schicksal
„Theater“ der nicht mehr weiß, wer er eigentlich ist.
geworden....“). Balser gibt den Arzt und Ehemann,
Herbot hat eine Frau, daneben ungezählte Flammen,
der auf den früheren Liebhaber der Frau, und zwar
unter andern hat er auch die Braut eines Herrn Gley
anscheinend den falschen, eifersüchtig ist, Frau
aus Villach verführt. Und nun kommt eines Tages
Pünkösdy, deren prächtige Proletarierinnen wir
dieser Herr Gley und fordert eine Erklärung — Ja
mehr schätzen als ihre Gesellschaftsdamen, die heimlich
oder Nein? — und bedroht ihn. Aber in einem
liebende Arztgattin, die eigentlich eine Wohlgemuth¬
Sermon von gewaltigem, architekturalem Bogen, in
Rolle ist, Höbling verlebendigt den heimlichen Ver¬
einer Kaskade von hinreißenden Lügen erledigt der
ehrer. Der Beifall des beifallgewohnten Akademie¬
Schauspieler den Bräutigam und erbringt mit Hilfe
theaterpublikums war schwach wie das Stück.
eines gefälschten Briefes ein tadelloses Alibi: er hat
Am schwächsten erschien der letzte Einakter „Das
mit der Braut (in deren Fenster er allnächtlich einstieg)
Bacchusfest“, ein unausgeführtes Volksstück. Die Frau
nie das geringste zu tun gehabt, eine rein platonische
eines Dichters, die von ihm zu einem Doktor der
Sache, längst vorbei, wie denn anders, wohin denken
Chemie übergeht, sucht mit dem Chemiker zu entfliehen,
Sie? Worauf der Bräutigam, entzückt und beseligt,
bleibt aber bei ihrem Mann, als er zu einer Zu¬
strahlend von Glück, abgeht.
sammenkunft auf dem Salzburger Bahnhof erscheint.
Die Gattin, die im Nebenzimmer zuhört, ist von so
Leider wird das Milieu fast gar nicht ausgenützt, der
ungeheurer Verlogenheit entsetzt; aber Herbot glaubt porkommende Bahnhofportier (Herr Eybner), der
am Schluß seine eigenen Lügen. Vollkommen amoralisch,
eine herrliche, komische Rolle spielen könnte, bleibt
spielt er am Abend in der Komödie Leben und am Tag
Staffage. Der Chemiker ist der sogenannte „hinaus¬
im Leben Komödie. Die Frau will auf und davon —
geschmissene Liebhaber“, eine Wurzenrolle, die Ulrich
da stürzt er, schon als Hamlet kostümiert, ins Hotel¬
[Bettac spielen muß, während Frau Wagener als
zimmer und schleppt sie ins Theater. Unwiderstehlich
Agnes und Balser als Schriftsteller Staufner auch nicht
wie immer.
viel Brillanz entwickeln können. Komödie der Worte?
Diesen Urkomödianten kann eigentlich nur ein Nicht einmal der Dialog, der sich in die Schilderung
Urkomödiant spielen, ein Florettfechter des Wortes, eines antiken Bacchusfestes verliert, interessiert auf die
eine Gauklernatur. Aber Ewald Balser? Balser Dauer. Soll man die Regie anklagen? Soviel wir von
bekommt einen roten Kopf, wenn er eine UnwahrheitsHerterichs Regie sahen, war sie sehr bemüht und
sagen soll. Er ist eine ehrliche Haut, ein prachtvoller ließ einige (notgedrungen) stumm bleibende erheiternde
Götz mit der eisernen Hand, verhalten, versunken,
Passagiere ankommen und abreisen. Man hatte den
fatalen Eindruck: Veraltet. Und den tragischen: Wie
etwas schwer und dumpf im Ton, aber von inniger
Wahrhaftigkeit, worin eben seine große Beliebtheit schnell ein großer Dichterruhm abwelken kann. Hoffent¬
beruht. Und er soll der Jongleur der Verlogenheit lich finden sich für die starke Schauspielerkraft Ewald
sein, den unbequemen Bräutigam erledigen? Er soll Balsers andre, stärkere Rollen. Es gibt Stücke, die den
die Kainz=Natur, die dem Dichter vorschwebte, irisieren Schauspieler tragen, und Stücke von so starker
lassen? Nun, daß er doch glaubhaft log und den Schwäche, daß sie vom Stärksten nicht getragen werden
Rollensinn wirklich machte, daß von ihm Lachstürme können.


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