II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 18

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25. ProfesserBernhandi
Ausschnitt aus: Wasttt. i. 6. .. mm
vom:
ANdt S72
an
erenen
Der unpolitische Politiker.
auf die seinige. Hart steht Mann gegen Mann, Ueberzeugung gegenerlitten, nicht vernarbt ist.
Ueberzeugung. Gefühl gegen Gefühl. Der Arzt, im Besitz des Haus¬
„Professor Bernhardi“ im Kleinen Theater.
er den Arzt und den Prieste
rechts, bleibt Sieger. Er bleibt es nicht lange. Mißgünstige Kollegen,
Posa=Szene menschlich einand
Von
duckmäuserische Herren und Damen der Gesellschaft, christlich¬
[Nachdruck verboten.]
nichts als einen kleinen Neben
oziale Politiker brauen aus dem Vorfall eine Affäre. Bernhardi,
Fritz Engel.
figur verkünden läßt, eine
der nichts als Arzt sein und nur seine Kranken pflegen will, sieht sich
Artun Schimer het den Stoff, den er seinem neuesten Bühnen¬
dritten Aktes entschied.
auf einmal von politischem Eifer und Haß umtobt. Er ist ja schlie߬
werk geseltigt. Er mag ihn ursprünglich stark emp¬
Wenn man geschlagen wi
lich auch Jnde und darum von vornherein verdöchtig. Er wird aus
sunden haben, chat ihn dann aber abgeschwächt, us Gründen des
meinetwegen schweigend dul
dem Direktorium der Klinik gedrängt, und im Parlament kommt es
„künstlerischen Intellekts“, mehr noch aus Gründen einer Weltan¬
fünf langen Akten sagen: ich
zu einer Interpellation. Der jesnitisch glatte Kultusminister, ein
schauung, die sehr zart sein will, allzu zart, um den Mut einer
Jugendfreund Bernhardis, opfert ihn mit kalter Stirn. Das Netz
Stellungnahme zu finden. Er gibt den Rahmen eines Tendenz¬
zieht sich noch enger zusammen. Bernhardi wird beschuldigt, sich
„Professor Beruha
Kramas und beschwört uns zugleich, nur ja nicht an eine Tendenz zu
Arthur Schnitzler ist
an dem Priester körperlich vergriffen zu haben, und wird
glauben. Er gibt ein Bild voll brennender Zeitfarbe, in dem wir
als Buch erschienen.
wegen Verletzung der Religion angeklagt. Er wird in raschem
deutlich erkennen, auf welcher Seite er stehen muß, und wir müssen
Prozeß zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt. Fast heiter
sehen, wie er sich mit soigniertem Taktgefühl befleißigt, nur ja kein
geht er hinter die Mauern, nicht einmal kampflustig genug, um eine
Feuer zu zeigen. Er predigt, im Wien vom Jahre 1900, die alte
Berufung gegen das erste Urteil zu versuchen. Heiterer noch kehrt
Nathanweisheit von der Gleichberechtigung aller Menschen, hat aber
er aus dem Kerker heim. Durch das Geständnis einer Kranken¬
nicht die Lust, gegen die Intoleranten etwas intolerant zu werden.
schwester wird bekannt, daß er zu Unrecht verurteilt worden war.
So sehr er dabei Sicherheit marliert, erscheint er mir unsicher wie
Ein Wiederaufnahmeverfahren würde ihn glänzend rehabilitieren.
sonst nie und unfrei bei allem Ausstellen freier Auffassungen. Und
Bernhardi verzichtet auch darauf, mit der Gemütsruhe eines voll¬
weil der Sinn seines Werkes in ihm nicht zur Klarheit und Not¬
kommenen Toren, der ein vollkommener Weiser ist.
wendigkeit geworden ist, deshalb hat er es auch technisch nicht be¬
Dieser Bernhardi ist nicht Schnitzler selbst; er ist nur das Ideal,
zwungen. Wer nicht genau weiß, was er sagen will, spricht immer
das der Dichter sein möchte. Wie dieser Nichts=als=Arzt, möchte er, ein
viel, und Schnitzler spricht dieses Mal wahrlich genug. Und weil er
Nichts=als=Poet, sich zu den Tagesdebatten, zu den Parteien, zu der
dem tieferen Ernst seines Stoffes nicht herzhaft ins Auge blickt, weil
Frage der Religionsverfolgung stellen, zu all den Brutalitäten, den
er diese berühmte Angst vor der eigenen Courage hat und ein un¬
leisen und lauten, die immer wieder ehrliche Staatsbürger unehrlich
politischer Politiker zu sein wünscht, so macht er aus der Tragödie
machen wollen. Meine Ruh' will ich haben — ein Einsamer, in der
eines Pflichtenkonfliktes am Schluß eine Komödie. Er führt uns
Einsamkeit für alle Wirkender will ich sein: das möchte er nun auch
vom Kirchhof in den Salon feinster Schnitzlerscher Dialektik. Hier
dichterisch ausdrücken. Natürlich darf er das. Es ist schon sehr banal,
zeigt er dann wenigstens seine ganze unbeschwerte Grazie, ist spitzig
zu sagen, daß ein Dichter alles darf, was er künstlerisch bewältigen!
und witzig, und wird nach einem falschen Schnitzler spät ein echter.
kann. Er darf Gott entihronen und die Welt zusammenschmeißen,
Im Elisabethinum, einem aus privaten Mitteln erhaltenen
wenn er es nur kann. Aber er wird es gewiß nur können, wenn er
Krankenhaus, liegt ein armes Mädchen im Sterben. Die Liebe hat
es im tiefsten empfindet. Hier liegt's. Ich fühle es in jeder Szene
ihr allzu weh getan; eine Frühgeburt wirft sie hin. Nun muß sie
dieses Stückes, daß Schnitzler kein Bernhardi ist. Er tut nur so, als
enden. Ihre letzten Phantasien sind voll Glücksgefühl, sie ist in dem
ob er unverwundbar wäre. Er, der selber Jude ist und Militärarzt
ekstatisch frohen Zustand, den die Aerzte Euphorie nennen. So wird
war, bis man es ihm verleidete, hat manches Persönlichste in diese
ihre letzte Stunde also eine gute Stunde sein. Da kommt der Geist¬
Handlung eingeführt. Aber ich glaube nicht an die Abgeklärtheit,
liche. Er will die Sterbende, die ach! eine Sünderin gewesen ist,
fast hätte ich gesagt, Wurschtigkeit, die er zur Schau trägt. Ich
bußfertig machen. Professor Bernhardi, der Direktor der Klinik,
glaube nicht an die kühle Atmospäre, in die er sich einhüllt, um wie
bittet ihn, die Hoffnung der Sterbenden auf Glück und Genesung ein ferner Stern auf diese dumme Erde herabzuglitzern. Gerade weil
nicht zu zerstören. Der Pfarrer beruft sich auf seine Pflicht, der Arzt)ich ihn liebe, hoffe ich, daß der Schmerz über ein Unrecht, das er selbst