25. BrefesBernhandi
(Quellenangabe ehne Oevan).
Köniesperger Hartung'sche Zaitung
Ausohnttigust 18.12. 1e hnge 1. D
UAA•
Kunst und Wissenschaft.
* „Professor Bernhardi“, Asn
e, brachte es bei ihrer Uraufführung am Berliner Kleinen Thea¬
#ter zu einem außerordentlichen Erfolg. Die Aufführung war, wie die
Berliner Kritik schreibt, unter Barnowskys Regie ein Meisterstück
hohen Ranges. Die Titelrolle spielte Herr Decauli aus Leipzig. Es
handelt sich um einen Professor der Medizin, der einen Priester davon
abhält, einer Sterbenden die Sterbesakramente zu reichen. Die Ster¬
bende befindet sich nämlich im Zustand der Euphorie, jener traumhaften
Illusion der Rettung und des Glückes, den die Natur mitunter in gnä¬
diger Laune der Vernichtung unmittelbar=v#rangehen läßt. Um die
Sterbende nicht aus diesem kurzen Wah#on reißen, wehrt der Arzt dem
Priester. Es entsteht ein Wortwechsel, in dem der Pfarrer auf seinem
Recht besteht, das ihm Professor Bernhardi bestreitet. Endlich tritt
der Assistent ein und meldet, daß die Sierbende der Tod erlöst hat. Die
Krapka ist ohne die Tröstungider kaiwlischen Religion dhingensigen.
Dexk Priester spielt der Herr Abel.
box 30/1
Ausschnitt aus:
lauer Morgel Eerng.
vom: 17. 191
Allerlei Neues.
1
Arthur Schuitzler#Professor Bernhardi“
Alk. Berkin wird uns geschrieben: Arthur Schnitzlersl
neuestem Werke, der fünfaktigen Komödie „Professor Bern¬
hardi“, die Donnerstag im Kleinen Theater ihre Urauf¬
Führung erlebte, ging der pikante Reiz des Wiener Aufführungsver¬
botes voraus. Nun ja, die Dinge, die darin berührt, die Probleme,
die varin beleuchtet werden, sind für einen katholischen Staat nicht
sehr angenehm, obgleich alles — wie es bei Schnitzler zur Selbstver¬
ständlichkeit geworden ist — mit Anmut, Laune und Grazie vor¬
getragen wird. Die Idee dieses Stückes ist nur klein: In einem
großen Krankenhaus, dessen Direktor Professor Bernhardi ist, stirbt
ein junges Mädelchen, einer von tausend ähnlichen Fällen! In
ihrer Todesstunde erwacht sie zum neuen Leben, glaubt sich ganz¬
gesund und ist voll herrlicher Erwartungen. Da verlangt ein
Priester zu ihr Einlaß, um ihr die letzte Oelung zu bringen, ihr
ein Heil zukommen zu lassen, das sie weit von allen Glücksträumen
fortschleudert. Professor Bernhardi aber will ihr die glückselige
Illusion lassen und verweigert dem Priester den Eintritt zu den
Sterbenden. Das ist der Inhalt des ersten Aktes, der Inhalt des
ganzen Werkes. In den übrigen vier Akten werden die Konse¬
quenzen aus Professor Bernhardis Handlungsweise gezogen, er mußs
von seinem Posten freiwillig zurücktreten, wird sogar — durch die
falsche Aussage einer Krankenschwester — zu acht Wochen Gefäng¬
nis verurteilt und geht schließlich halbwegs gereinigt aus der ganzen
üblen Affäre hervor. Schnitzler besann sich darauf, daß er einmal
einen Roman „Der Weg ins Freie" (ein vortreffliches Buch
übrigens) geschrieben hat, das sich hauptsächlich mit den Problemen
des modernen Judentums beschäftigt. Wie in jenem Buch sind auch
in seinem neuesten Drama die meisten handelnden Personen Jüden,
moderne Juden in einer modernen Stadt; in allen Schattierungen
mit ihren Fehlern und Vorzügen. Diese Menschen alle, die sich um
den jüdischen Professor Bernhardi gruppieren, Aerzte, Juristen,
Zeitungsreporter, und die im Gegensatz zu Bernhardis arischen
Gegnern stehen, hat Schnitzler mit liebevollem Können studiert und
nachgezeichnet. Sie sind ihm außerordentlich gelungen! Das macht
sein Stück sehr interessant. Von der Komödie selbst muß man
sagen, daß sie sehr unterhaltend und doch ein bischen leer ist. Sie
hat entzückende Szenen, so den letzten Akt, der in dem Vorzimmer
des Kultusministeriums spielt, und in dem ein Brillantfeuerwerk
von geistreichen Einfällen, Witzen und Frechheiten vorüberglitzert;
gund auch in den übrigen Aufzügen gibt es amüsante Einzelheiten,
z. B. die Szenen mit dem Bezirksarzt Feuermann, dem typischen
Schlemihl, der nichts als Pech hat, oder das Zusammenspiel des
humoristischen Professors Cyprian mit dem fanatischen National¬
juden Dr. Loewenstein, dem Zionisten, wie er im Buche steht.
Wundervoll glitzernde Dialoge, Schnitzlers wahre Domäne, ziehen
sich durch das Stück, sie sind lang, viel zu lang sogar — in den
großen Szenen zwischen Professor Bernhardi und dem Pfarrer, oder
zwischen Bernhardi und dem Minister, — aber man vergißt über
ihrem sunkelnden Fluß ihre Länge, wie man über dem ganzen
blitzenden Geist, der das Stück beherrscht, den eigentlichen Mangel
am großen Problem, am weitausholenden Inhalt vergißt. Fünf
Akte — und eine einzige Idee! Wie staunenswert ist es, daß
Schnitzler daraus ein unterhaltsames Werk machen konnte! —
Gespielt wurde glänzend. Dank der prächtigen Regie des Direktors
[Barnowsky wurde aus dem schwächlichen dritten Akt, der eine
regelrechte Ausschlußsitzung der Professoren des Elisabethkranken¬
hauses zeigt, ein kleines Wunder an szenischem Leben. Seine ge¬
schickte Negie gab dem ganzen den raschen Gang, der dieser Komödie
Lebensbedingung ist. Den Helden des Stückes verkörperte Bruno
[Decarli (sonst in Leipzig!); er gab ihn würdevoll, aber mit
zuviel Temperament. Gewiß kann ein noch so ruhiger Mensch über
die Erlebnisse des Professors Bernhardi etwas nervös werden. —
dennoch stelle ich mir den großen Arzt weit maßvoller vor. Die
Maske, das langgezogene Gelehrten=Gesicht mit dem leicht er¬
grauten Vollbart, war sehr echt. Den gekränkten Pfarrer spielte
Alfred Abel, wie es seine Art ist, mit tiefer Hingabe und sehr
realistisch. Eine prächtige, humoristische Figur machte Guido
[Herzfeld aus dem alten, gutmütigen Professor Cyprian; den
(Quellenangabe ehne Oevan).
Köniesperger Hartung'sche Zaitung
Ausohnttigust 18.12. 1e hnge 1. D
UAA•
Kunst und Wissenschaft.
* „Professor Bernhardi“, Asn
e, brachte es bei ihrer Uraufführung am Berliner Kleinen Thea¬
#ter zu einem außerordentlichen Erfolg. Die Aufführung war, wie die
Berliner Kritik schreibt, unter Barnowskys Regie ein Meisterstück
hohen Ranges. Die Titelrolle spielte Herr Decauli aus Leipzig. Es
handelt sich um einen Professor der Medizin, der einen Priester davon
abhält, einer Sterbenden die Sterbesakramente zu reichen. Die Ster¬
bende befindet sich nämlich im Zustand der Euphorie, jener traumhaften
Illusion der Rettung und des Glückes, den die Natur mitunter in gnä¬
diger Laune der Vernichtung unmittelbar=v#rangehen läßt. Um die
Sterbende nicht aus diesem kurzen Wah#on reißen, wehrt der Arzt dem
Priester. Es entsteht ein Wortwechsel, in dem der Pfarrer auf seinem
Recht besteht, das ihm Professor Bernhardi bestreitet. Endlich tritt
der Assistent ein und meldet, daß die Sierbende der Tod erlöst hat. Die
Krapka ist ohne die Tröstungider kaiwlischen Religion dhingensigen.
Dexk Priester spielt der Herr Abel.
box 30/1
Ausschnitt aus:
lauer Morgel Eerng.
vom: 17. 191
Allerlei Neues.
1
Arthur Schuitzler#Professor Bernhardi“
Alk. Berkin wird uns geschrieben: Arthur Schnitzlersl
neuestem Werke, der fünfaktigen Komödie „Professor Bern¬
hardi“, die Donnerstag im Kleinen Theater ihre Urauf¬
Führung erlebte, ging der pikante Reiz des Wiener Aufführungsver¬
botes voraus. Nun ja, die Dinge, die darin berührt, die Probleme,
die varin beleuchtet werden, sind für einen katholischen Staat nicht
sehr angenehm, obgleich alles — wie es bei Schnitzler zur Selbstver¬
ständlichkeit geworden ist — mit Anmut, Laune und Grazie vor¬
getragen wird. Die Idee dieses Stückes ist nur klein: In einem
großen Krankenhaus, dessen Direktor Professor Bernhardi ist, stirbt
ein junges Mädelchen, einer von tausend ähnlichen Fällen! In
ihrer Todesstunde erwacht sie zum neuen Leben, glaubt sich ganz¬
gesund und ist voll herrlicher Erwartungen. Da verlangt ein
Priester zu ihr Einlaß, um ihr die letzte Oelung zu bringen, ihr
ein Heil zukommen zu lassen, das sie weit von allen Glücksträumen
fortschleudert. Professor Bernhardi aber will ihr die glückselige
Illusion lassen und verweigert dem Priester den Eintritt zu den
Sterbenden. Das ist der Inhalt des ersten Aktes, der Inhalt des
ganzen Werkes. In den übrigen vier Akten werden die Konse¬
quenzen aus Professor Bernhardis Handlungsweise gezogen, er mußs
von seinem Posten freiwillig zurücktreten, wird sogar — durch die
falsche Aussage einer Krankenschwester — zu acht Wochen Gefäng¬
nis verurteilt und geht schließlich halbwegs gereinigt aus der ganzen
üblen Affäre hervor. Schnitzler besann sich darauf, daß er einmal
einen Roman „Der Weg ins Freie" (ein vortreffliches Buch
übrigens) geschrieben hat, das sich hauptsächlich mit den Problemen
des modernen Judentums beschäftigt. Wie in jenem Buch sind auch
in seinem neuesten Drama die meisten handelnden Personen Jüden,
moderne Juden in einer modernen Stadt; in allen Schattierungen
mit ihren Fehlern und Vorzügen. Diese Menschen alle, die sich um
den jüdischen Professor Bernhardi gruppieren, Aerzte, Juristen,
Zeitungsreporter, und die im Gegensatz zu Bernhardis arischen
Gegnern stehen, hat Schnitzler mit liebevollem Können studiert und
nachgezeichnet. Sie sind ihm außerordentlich gelungen! Das macht
sein Stück sehr interessant. Von der Komödie selbst muß man
sagen, daß sie sehr unterhaltend und doch ein bischen leer ist. Sie
hat entzückende Szenen, so den letzten Akt, der in dem Vorzimmer
des Kultusministeriums spielt, und in dem ein Brillantfeuerwerk
von geistreichen Einfällen, Witzen und Frechheiten vorüberglitzert;
gund auch in den übrigen Aufzügen gibt es amüsante Einzelheiten,
z. B. die Szenen mit dem Bezirksarzt Feuermann, dem typischen
Schlemihl, der nichts als Pech hat, oder das Zusammenspiel des
humoristischen Professors Cyprian mit dem fanatischen National¬
juden Dr. Loewenstein, dem Zionisten, wie er im Buche steht.
Wundervoll glitzernde Dialoge, Schnitzlers wahre Domäne, ziehen
sich durch das Stück, sie sind lang, viel zu lang sogar — in den
großen Szenen zwischen Professor Bernhardi und dem Pfarrer, oder
zwischen Bernhardi und dem Minister, — aber man vergißt über
ihrem sunkelnden Fluß ihre Länge, wie man über dem ganzen
blitzenden Geist, der das Stück beherrscht, den eigentlichen Mangel
am großen Problem, am weitausholenden Inhalt vergißt. Fünf
Akte — und eine einzige Idee! Wie staunenswert ist es, daß
Schnitzler daraus ein unterhaltsames Werk machen konnte! —
Gespielt wurde glänzend. Dank der prächtigen Regie des Direktors
[Barnowsky wurde aus dem schwächlichen dritten Akt, der eine
regelrechte Ausschlußsitzung der Professoren des Elisabethkranken¬
hauses zeigt, ein kleines Wunder an szenischem Leben. Seine ge¬
schickte Negie gab dem ganzen den raschen Gang, der dieser Komödie
Lebensbedingung ist. Den Helden des Stückes verkörperte Bruno
[Decarli (sonst in Leipzig!); er gab ihn würdevoll, aber mit
zuviel Temperament. Gewiß kann ein noch so ruhiger Mensch über
die Erlebnisse des Professors Bernhardi etwas nervös werden. —
dennoch stelle ich mir den großen Arzt weit maßvoller vor. Die
Maske, das langgezogene Gelehrten=Gesicht mit dem leicht er¬
grauten Vollbart, war sehr echt. Den gekränkten Pfarrer spielte
Alfred Abel, wie es seine Art ist, mit tiefer Hingabe und sehr
realistisch. Eine prächtige, humoristische Figur machte Guido
[Herzfeld aus dem alten, gutmütigen Professor Cyprian; den