II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 30

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25. ProfessBernhad
— Uuthe, Wng aber seine je#.one
Kundidaten, dem Fork=Theobachtete Grenze in den Interessen des Ganzen finden, denen tische in den neuesten Formen und Ausführungsarten mit Glas¬
er Nationalliberalen zug¬
sich der oder das Einzelne unterzuordnen hat. Hier sollte ein ver=schränkchen und Rädern sowie ohne solche, sodann Tee= und Kaffee¬
ständiges und großzügiges Ruhegehalts= und Unterstützungswesen tischgeräte, Kessel, Kannen usw. aus Altmessing, Kupfer, Nickel
n sich eben immer
noch eingreifen, nicht aber eine Belastung des aktiven Verwaltungs¬
und, dem neuesten Geschmack entsprechend, aus glattem Messing;
igswahlen des Jahres 1900 forganismus mit nicht mehr brauchbaren Kräften. Der Schaden, ferner Speisewärmer, Kaffeerechauds, Toaströster für das Zim¬
Krankenschwester wird der Professor zu zwei Monaten Ge=lkorruptionistischer Leitartikelreden willig hintragen, weil es
on.
fängnis verurteilt. Er weigert sich, Berusung einzulegen
den skeptisch=relativistischen Dichter, der sich erst im letzten
und sitzt die Strafe ab.
Akt entpuppt, hinter dem Vorhang moralischer Entrüstun¬
Während diese Begebenheiten abrollen, deren Aufein¬
gen lange nicht wittert. Auch darum, weil die wesentlichsten
knhardi.“
anderfolge ich hier mit der Absicht erzählt habe, um er= Fragen fast nie klar und bestimmt gestellt sind, und ins¬
ödie im Kleinen
kennen zu lassen, wie leicht die von Schnitzler so umständlich besondere Rassenhaftes (Judentum und Mischlingstum) und
gesuchte Entscheidung darüber, wer im Recht und wer im die Gegensätze von Glauben und Zweifel hier wie so oft
Unrecht ist, sich finden läßt, entsteht über diese eine Frage irreführend verfilzt, anstatt reinlich geschieden sind. Nur in
idert Debatten hat diese
ein unendliches Gerede. Das einzig Ersprießliche daran ist, dem Gespräch Bernhardis mit dem Priester, der ihn nach
lücklicherweise frei ven
daß in den lärmvollen Professoren=Konferenzen ein paar
der Verurteilung des Nachts noch aufsucht, um ihm zu sagen,
de genommen ist es eine
Charakterlosigkeits= und Charakterköpfe von echtem Wiener
daß er das Pflichtgemäße im Verhalten des Arztes an¬
Augenblick aufhört und
Schnitt sich abzeichnen. Es ist nicht Menschendarstellung im
erkenne, rührt Schnitzlei an Letztes Elementares, als von
Zur Diskussion steht
reinsten Sinne wie etwa in der Hauptmannschen Komödie
der Hoffnungslosigkeit der Gegensätze, die beide trennen,
rbolduftenden Mediziner¬
„Der Biherpelz“, die so recht den Abstand erkennen läßt, der
die Rede ist, und der Mitwirkung des Instinktiven gedacht
bschließt: der berühmte
einen Gestalter von einem empfindsam=witzigen Beobachter
wird. Aber auch hier hat Schnitzler entweder nicht den
hrt in dem Krankenhaus,
trennt; aber es fallen wirklich erhellende Streiflichter auf
äußersten Mut oder nicht die erlösende Kraft.
lischen Priester den Zu= Menschliches und Oertliches. Das ethische Problem aber
Erst im fünften Akt, der in die Kanzlei eines echt öster¬
hrme Mädchen hat keine bleibt an jener Oberfläche, die wohl den leicht beruhigten
reichischen liberalisierenden Hofrats im Unterrichtsministe¬
ß; ihre letzte Stunde ist Thesensteller und Thesenverteidiger, aber kaum den sehe¬
rium führt, gibt sich der Dichter selbst zu erkennen. Die
und der Arzt hält es fürlrischen Dichter zu fesseln vermag. Natürlich hat Bern¬
galglatten Zynismen des Unterrichtsministers, der die
gsseligkeit mit Todes-hardi, da er in jener Minute als ganz unpolitisch=schlichte
n dieses Auftritts für
philosophische Wahrheit, daß die Summe der Güter bei jeder
Natur nur den Einzelfall und das Einzelübel sah, ebenso Handlung erwogen werden muß, jesuitisch zur Entschuldi¬
Alle Zeugen der Szene isittlich gehandelt, wie der Priester, der das winzige Leidigung seiner eigenen skrupellosen Streberei mißbraucht,
hrdi nicht. Und sie kom¬
der Stunde gegenüber dem ihm schrecklich erscheinenden, vonlunterschreibt Schnitzler nicht. Aber den witzigen Ironien
kze Kuratorium der von der Kirche nicht getrösteten Tod gar nicht erst in die Wag=des Hofrats, dieses verschnitzlerten Burckhardt, stimmt er.
nstalt demissioniert, die schale legt. Hätte Bernhardi die Summe aller Uebel vorldoch im Grunde zu und läßt erraten, daß Bernhardi eigent¬
ardi im Stich. Er legt, Augen gestanden die sein Verhalten zur Folge haben mußte, lich nur der Märtyrer der Enge seiner Kombinations¬
ung des Krankenhauses insbesondere die Gefährdung seiner ganzen, so mühseligffähigkeit und das Opfer seiner Weltunkenntnis geworden
e gegen ihn eingeleitetel aufge#mten, vielen Hunherten von Leidenden gewidmeten
ist. „Zum Reformator“, sagt der Hofrat, „sind Sie ja wahr¬
Angelegenheit verwickelt! Leben#rbeit, dann hätte er ihr, gleichfalls ethisch genötigt, scheinlich nicht geboren, so wenig wie ich.
hrd: Jude ist und sich
Das dürfte
das verhältnismäßig kleine Uebel der Störung des letzten wohl daran begen, daß wir uns doch innerlich nicht bereit
eichsrat dadurch zu ver=Glücksgefühls einer einzigen Patientin hinopfern müssen. fühlen, bis in die letzten Konsequenzen zu gehen — und
g der Stelle eines Ab=Das sieht auch Bernhardi bald ein, und er ist bereit, eine eventuell selbst unser Leben einzusetzen für unsere Ueber¬
n katholischen Arzt, den Erklarung abzugeben, die den Zwischenfall aus der Weltzeugung. Und darum ist es das beste, ja das einzig An¬
Enemdischen Bewerber
schaffen könnte, bis dann wieder jener klerikale Kompromiß.
ständige, wenn unsereiner sich in solche — G'schichten gar
um Zusammenstoß im versuch seiner Ueberzeugungsfestigkeit den Weg ver¬
nicht hineinmischt.“
tsminister, Bernhardis
rammelt.
Unsturm der klerikalen
Man könnte so boshaft sein, diese Worte gegen Schnitz¬
Der große Verbrauch von Pathos und Rhetorik, die ler selbst zu kehren, wäre man ihm nicht dankbar für diesen
erhebt auf Grund eineSchnitzler hier aufqualmen läßt, wirkt wenig erquicklich, von echt komödienhafter Heiterkeit durchtagten letzten Akt
gen Bernhardi wegen! Und er ist im letzten Grunde nicht ehrlich, denn das Publi- und für die unmittelbare Frische seiner Aerzte=Dialoge in
falschen Aussage einer kum läßt sich von dem Schwall gesinnungstüchtiger und anti= die so viel Individuelles und Gegenständliches melodisch hin¬
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