II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 49

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25. Professor Bernhardi

Und da Worte nicht helfen, stellt er sich ihm kraft seines
Interpellation herzlich unangenehm und dann hat er auch
lassen hat. Er kommt nicht al
Rechtes als oberster Gebieter dieses Hauses entgegen.
geekelt und hat keinen andere
menschlich einiges für Bernhardi, den einstigen Jugend¬
Eine Sekunde später meldet man aus dem Kranken¬
zu seinen Patienten zurückzu
freund, übrig. Glaubt wenigstens etwas übrig zu haben.
zimmer: „Es ist vorbei!“ Der Priester geht. Die anderen
sich energisch der Wiederaufna
Er glaubt überhaupt immer von den besten, anständigsten
aber, die Zeugen der Szene waren, stecken verlegen die
der Minister drängt. Die Wel
Gesinnungen, den schönsten Reformplänen erfüllt zu sein,
Köpfe zusammen und wittern Unheil.
berauscht sich unablässig an den eigenen Worten und ist
schuldig ist, und er selbst fühl
Sie wittern richtig. Die Sache beginnt ihre Kreise zu
das tat, was er für das rich
im Grunde ein schlauer und gewissenloser Streber, der zu
ziehen. Vorerst legt die Fürstin Sittenstein das Protektorat
führte, das hat er bitter genu
jeder Konzession bereit ist, um nur im Amt zu bleiben.
über den Ball des Elisabethinums nieder. Darüber ließe
Er nennt das freilich: „das große Ziel seiner Lebensarbeit
sehr erfahrene und sehr illusi
unverwandt im Auge behalten“. Die Iuterpellation wird
sich noch lachen. Als dann aber auch das Kuratorium des
chelnd auf: „Wenn man
Krankenhauses demissioniert, wird es ernst. Schon haben
sagt er —, oder vielmehr
also eingebracht. Und Se. Exzellenz sieht sich plötzlich der
sich auch im Professorenkörper Parteien für und wider
herrschenden Partei gegenüber. Und in derselben Rede, die
der Früh aufing, das Richtig
Bernhardi gebildet. Alte, lange zurückgedrängte Feind¬
er in der Absicht begann, Bernhardi zu verreidigen, läßt
fort den ganzen Tag lang di
schaften grinsen ihm nun offen entgegen, Rassengegensätze
sicher noch vorm Nachtmahl
er am Schlusse Bernhardi jallen. Nun wird diesem wegen
So befolgt eigentlich
werfen alle Hüllen ab, Gemeinheit, Streberei, Tartüfferie
Religionsstörung der Prozeß gemacht. Wie eine Bombe
umtobt ihn. Eine Weile lang steht er diesem Treiben fast
reichische Weisheit des Ho
platzt die Nachricht in die erregte Professorensitzung, die
peinlichen Konsequenzen hüb
verständnislos gegenüber. Was wollte er denn? Einer
eben tagt. Bernhardi legt das Präsidium und auch die
armen Sterbenden das Sterben nicht nutzlos erschweren.
Direktionsstellung nieder, sein gemeinster Gegner nimmt
aus dem Wege. Es flüchtet
doch Wut und Aerger gewis
Und deshalb der Aufruhr? Und dieser Aufruhr wächst
seinen Platz ein, die Freunde toben, die Feinde bemühen
lawinenartig. Denn nun hat auch schon die klerikale Partei
schaffen.
sich heftigst als Ehrenmänner dazustehen — es geht
Dieses Lachen begriff da
des Reichsrates den Fall aufgegriffen. Eine Interpellation
drunter und drüber. Szenisch liegt hier der Schwerpunkt
wird vorbereitet, der Minister soll aufgefordert werden, sich
ursprünglichen Konflikt zwisch
des Stückes, das vom zweiten Akt an eine entscheidende
darüber zu äußern, „ob es bei Besetzung öffentlicher
das Lachen im Zuschauerraut
Wendung zur politisch=sozialen Satire nimmt und den
der Spott über die „schlampet
Stellen in Zukunft nicht klüger wäre, Personen zu ver¬
menschlich tragischen Konflikt des ersten fast vergessen läßt.
Menschen in Berlin immer
meiden, deren Gefühl und Lebensanschauungen in
Aber diese Satire ist nicht grimmig und scharf. Sie be¬
krassem Gegensatz zu den Anschauungen und Gefühlen
auslöst, daß in Preußen
gnügt sich mit überlegener Ironie und spöttelndem Witz.
wäre.
der christlichen Bevölkerung stehen“ usw. Die ganze
Sie ist abgeklärter, als es der Stoff dieses Stückes im
Der laute Erfolg galt a
Phraseologie antisemitischer Hetzen ist wieder einmal ent¬
Grunde verträgt. Die ganz echte und ehrliche Empörung
fesselt. Bernhardis Tür steht nicht still. Es kommt unter
stellung. An fünfzehn Gesta
des Anfangs verflüchtigt sich in ein bedauerndes Achsel¬
anderen auch Professor Ebenwald und schlägt ihm einen
Bühne, die alle scharfen, per
zucken. In die resignierte Einsicht: Die Menschen sind nun
naren durchweg Aerztetypen
infamen Kuhhandel vor. Wenn sich Bernhardi bei der
einmal eine zweifelhafte Gesellschaft! Und gewisse Sachen
schon begegnet war. In Kle
bevorstehenden Besetzung der dermatologischen Abteilung für
sind nicht gut zu ändern. Das klügste ist, ihnen auszu¬
den christlichen Kandidaten entscheiden wolle, dann unterbleibt
dert winzigen und doch
weichen, nicht drau zu rühren.
Fülle feinster Beobachtung
die Interpellation. Bernhardis Rechtsgefühl bäumt sich
Der Vertreter dieser österreichischen Denkungsart ist
Und während so wieder einn
gegen diese Zumutung auf. Nun würde er es selbst dann im letzten und witztigsten Akt der Hofrat Winkler, der
kunst einen Sieg feierte, tat
nicht tun, wenn er zufällig den anderen, den jüdischen
Adlatus jenes famosen Ministers. Bei ihm findet sich auch
Schöpfer Otto Brahm den ##
Kandidaten nicht für den ungleich Befähigteren hielte. Auch
Bernhardi ein, der eben unter dem Freudengeschrei seiner
den Minister sucht Bernhardi persönlich auf. Ihm ist die „Partei“ nach zweimonatlicher Haft das Gefängnis ver¬
mbete
er
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