II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 48

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25. Professor Bernhardi
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sozialen Herrschaft. Er scheint selbst zu fühlen, daß der
sprechen kurz und sachlich über Diagnosen, Operatione
illeton.
Konflikt, den er schildert, schon zehn Jahre später wesent¬
Sektionsbefunde, gelegentlich fällt auch ein Wort über di
lich anders aussehen würde und daß er hundert Jahre
Politik, manchmal blitzen Eifersüchteleien und kleine Bo
später vielleicht unverständlich wäre. Es muß immerhin
heiten durch, man ahnt, wie der Chirurg über den Inte
rBernhardi.“
bedenklich stimmen, wenn die Glaubhaftigkeit eines Stückes
nisten denkt oder der pathologische Anatom über die Kun
von Arthur Schnitzler. —
derart von der Lebensdauer einer politischen Partei ab¬
des Diagnostikers — die ganze Spitalsatmosphäre ist m
rnst Gore
hängt. Man erkennt allmählich, daß diese Komödie weni¬
einer Echtheit und einer Prägnanz der Charakteristik ge
Berlin, 29. November.
ger einem künstlerischen als einem polemischen Willen
staltet, deren nur ein Künstler fähig ist, der gleichzeiti
des, ein lebensvolles Stück, ein
ihre Entstehung verdankt. Daß hier irgendein konkreter
ein Eingeweihter ist. Man meint, Karbol und Jodoforn
Empfinden entsprang und bis
mag er sich unter geänderten politischen Ver¬
Fall
zu riechen. Hinter der Szene aber stirbt unterdes jene#
ster Menschlichkeit erfüllt ist —
hältnissen auch kaum wieder ereignen können — den
arme Mädel, und eine der Krankenschwestern glaubt sich#
ttäuscht. Nicht etwa von den
Sozialkritiker in Schnitzler, den man noch vom „Frei¬
verpflichtet, den Priester zu holen, der ihr die Sterbe¬
nein, man ist bloß enttäuscht,
wild" und vom „Vermächtnis“ her kennt, zu heftiger Ab¬
sakramente reiche. Nun hat aber die Sterbende keine
tzler ein ganz anderes erhofft
Ahnung davon, daß sie stirbt. Sie fühlt sich im Gegenteis
wehr trieb. Ein Fall, in dem sich Bosheit, Dummheit
ützt gar nichts, einzusehen, daß
und Geistesknechtung feindlich gegen die freie Wissen¬
so wohl und glücklich wie noch nie, glaubt, daß ihr Gei
ungerecht war. Man sagt sich
liebter sie nun bald abholen und wegführen werde. Es
schaft, gegen den Aerzteberuf wendet, ein Fall also, der
Das ist nicht jeuer Schnitzler,
ist der Zustand der Euphorie, stellt Professor Bernhardt
überdies den Arzt in Schnitzler sich bäumen ließ. So
. Zumindest ist es nicht der
fest, nicht ohne selbst ein wenig gerührt zu sein. Denn Professof
schrieb nicht so sehr der Dichter, als der doctor medicinae
hon all dem ist da, was wir so
Schnitzler dieses Stück. Denn: „Alles kann man auf¬
Bernhardi ist einer jener Aerzte, die nicht nur ihr Wissen
s von der Feinheit, mit der er
Arzt niemals!“ heißt es darin an
sondern immer auch ihr Herz ans Krankenbett mitt
hören zu sein
ffen zu rühren vermochte, nichts
bringen, einer nach dem Sinne Nothnagels, von dem
einer Stelle.
doch männlichen Anmut, nichts
das Wort stammt, daß nur ein guter Mensch auch ein
Der diese Worte spricht, hat äußerlich allerdings auf¬
hmütigen Ironie, die so elegant
guter Arzt sein könne. Er erinnert mit seinem aufrechtenz
gehört, Arzt zu sein, nachdem er vom Katheder bis zum
nichts, nichts von alle¬
impulsiven und vornehmen Wesen an manche sunverges¬
Fauteuil des Unterrichtsministers aufgestiegen war. Als
ch, fest und sicher gesagt und
sene Gestalt der Wiener Schule. Es ist, als ob Skodaf
solchem obliegt ihm die Entscheidung in der überaus
(für
Wort dämmern wie sonst stille
Nothnagel, Billroth, Rokitansky und noch einige ähn¬
nachdenklichen Verborgenheiten,
lichen Schlages zu dieser Prachtgestalt gemeinsam Modell
fessor Dr. Bernhardi heraufbeschwor und die nun entstellt
gestanden wären. Da nun der Priester eintritt, ersucht
lbtöne, was auch sehr erklärlich
und verzerrt zur politischen Sensation ausgebeutet wird.
ihn Bernhardi, dem Bette jener Unglücklichen fern: zu
daß es in diesem Stück auch
Man ist im ersten Akt Zeuge dieses Vorfalls. Auf einem
bleiben, die der bloße Anblick des Geistlichen sofort auf
s keine einzige Frauenrolle hat.
Freibett des „Elisabethinums“, dem Professor Bernhardi
von Arthur Schnitzler ohne
das furchtbarste aus ihrem letzten schönen Wahn reißer
als Direktor vorsteht, liegt ein armes Mädel im Sterben.
müsse. Der Mann der Kirche aber hat dafür kein Verr
ist sein Gebiet so eng begrenzt,
Sie wurde erst in der Liebe betrogen, betrag sich dann
ständnis. Er hat „die Seele einer Sünderin zu retten“
ien des Dichters keinen Raum
selbst um die Mutterschaft, es traten Komplikationen ein,
mag darüber auch das letzte armselige Glück jener Be¬
igt es enge Grenzen. Es spielt
der Fall ist hoffnungslos. Er wird nur so zwischendurch
jammernswerten, das Glück sanft und ahnungsloschinüber¬
ich im Wien unserer Tage wie inmitten anderer ärztlichen Gespräche erwähnt, die den
schlummern zu dürfen, in Stücke gehen. Bernhardi be¬
WBeg ins Freie“, sondern — aus¬
ersten Akt fast ausschließlich füllen. Schauplatz ist der
ichter hinzu — im Wien des Vorraum eines Krankensaales. Die Leiter und die greift nicht, wie ein Mensch, dessen geweihter Berufes ist
spenden, so barbarisch denk¬
Trost. und Güte zu spenden
esagt im Wien der christlich= Assistenten der diversen Abteilungen eilen hin und her, Trost. und
liich Leien kann
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