II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 78

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25. ProfessBernhand
Auch an dem Hofrat Winkler hat man seine Freude
hardi, daß der Autor das kommt, um die Aussage, die er vor Gericht zu dessen
— an dieser so originellen, so echt wienerischen Figur
zu betrachten gewohnt ist;
Gunsten abgegeben hat, noch zu verstärken, um noch mehr,
Vorstellung, anzunehmen,
als es durch diese Aussage schon geschehen, sein Gewissen eines revolutionär gesinnten Hofrates, die ja das Leben
vor Artur Schnitzler erfunden hat und deren Original in
ossen sind, den Professok
zu entlasten, ist sicherlich eine der schönsten des Stückes.
Wien wohlbekannt ist. Durch Flint und Winkler wird
hrung an den Pranger zu
Schade nur, daß gerade hier, wo die Vertreter der zwei
der Schlußakt des Dramas zu dem reizenden Lustspielakt,
diesen Entschluß anbieten
entgegengesetzten Weltanschauungen sich gegenüberstehen und
von dem bereits gesprochen wurde. Und so gibt auch den¬
um Leiter einer Abteilung
wo sie klar und scharf die letzten Konsequenzen ziehen sollten,
jenigen, die von Artur Schnitzler immer ein Lustspiel
der Dialog stellenweise etwas verschwommen scheint und
flerikalen Dozenten ernennen
erhofft haben, sein neues Stück dadurch recht, daß es —
daß Pfarrer und Professor manchmal den Eindruck er¬
beinahe dieses Lustspiel geworden ist,
wecken, als redeten sie an dem vorbei, was sie eigentlich
ernehmen, vorher eine Er¬
sagen sollten.
die sie sich ganz in die
Mißraten ist dem Dichter nur eine einzige Gestalt —
Von allen den vielen Figuren des Dramas ist aber keine
ken den ihre Aktion sich
allerdings gerade diejenige, an der ihm besonders gelegen
so prächtig geraten, keine so unfehlbar bühnenwirksam als
Der Konflikt würde schärfer
sein mußte, — der Held des Dramas selber. Während er
die des Unterrichtsministers Dr. Flint. Hier ist, in
höhere Sphäre gehoben
alle übrigen aus dem Leben herausgegriffen hat, hat er
packender Lebenswahrheit ausgeführt, von einer feinen und
gfiele, wenn die Klerikalen
sich diese konstruiert, um in ihr das dramatische Thema
doch überaus treffenden Satire beleuchtet, das typische Bild
fessor Bernhardi nicht des¬
zu verwirklichen, das er durchführen wollte. Darum ist in
des politischen Strebers geschaffen — typisch nicht für
einer Personalfrage ihnen
der Fülle lebensvoller Figuren Professor Bernhardi die
Oesterreich allein, so spezifisch österreichisch Exzellenz Flint
peil hier zwei Weltanschau¬
einzige, der das Leben fehlt und der man nur allzu
auch sein mag. Es ist ein Meisterwerk satirischer Charakter¬
weil die klerikale Welt¬
sehr anmerkt, daß sie konstruiert ist.
zeichnung; und unter den Gestalten des dramatischen
kann, als den Arzt ver¬
Lebenswerkes von Artur Schnitzler verdient dieser
Das dramatische Thema war, einen Ehrenmann zu
om Bett einer Sterbenden
Minister einen Ehrenplatz — dieser „Minister für Kultus
zeigen, der gewissenhaft seine Pflicht erfüllt und der
und Konkordat“, der es verstanden hat, seine aufgeklärten
plötzlich, eben weil er das getan hat, was er für seine
hingegen hat der Dichter
Anschauungen mit den reaktionären, die den Staat be¬
Pflicht hielt, einer wütenden Verfolgung zum Opfer
zu werden, der von Pro¬
herrschen, in tadellosen Einklang zu bringen; der sich
fällt. Der Dichter hat es nur mit seinem Helden zu gut
das Zimmer des sterben¬
im Parlament erhebt, um den der Religionsstörung be¬
gemeint und hat aus ihm nicht allein einen Ehrenmann
also der Träger einer der
schuldigten Bernhardi zu verteidigen, und, da er merkt,
gemacht, sondern ganz einfach die Mensch gewordene Voll¬
Drama sich bekämpfen, der
kommenheit. Alle übrigen Personen des Dramas haben
daß die Majorität gegen Bernhardi ist, seine Rede mit
her mit der Wissanschaft in
ihre Fehler; der einzige, der fehlerlos ist, ist Professor:
der Ankündigung schließt, daß er ihn dem Staatsanwalt
als einen Priester geschildert

Bernhardi. So erscheint er nicht nur unglaubwürdig
übergeben wird; der jederzeit bereit ist, seine Ueberzeugung
erblendet, der eine Denk¬
denn es ist sicher, daß man auch im Leben des großen
zu opfern, um seiner Carriere zu nützen; der dafür die
seinen religiösen Ueber¬
Bernhardi manche menschliche Schwäche entdecken könnte,
wundervolle Rechtfertigung gefunden hat, es komme
Er¬
aus
menschlichen
wenn man nur die Möglichkeit hätte, hineinzuleuchten —.
weniger darauf an, sich in einem unbeträchtlichen Einzel¬
respek¬
stehen, sogar zu
er wirkt überdies antipathisch. Die Art, wie er in seinem
fall überzeugungstreu zu benehmen, als der immanenten
sich zur Pflicht macht, nicht
Unfehlbarkeitsdünkel mit dem übrigen Menschenpack ver¬
Idee seines eigenen Lebens mit Treue zu dienen: und
dern auch der Stimme des
kehrt, fällt unangenehm auf; und der Ton überlegener
der überhaupt mit so gewichtigen ethischen Argumenten
us ihm eine der sympa¬
Ironie, den er jedem gegenüber anschlägt, geht auf die
seine Unmoral zu begründen weiß, daß sie einem beinahe
geschaffen. Die Szene, in
Nerven¬
rrer zu Professor Bernhardi moralisch vorkommt.