II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 166

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25. Profe, Bernhandi
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taus: Fresseurger Tagblatt
30 b. 1913
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„„Professor Bernhardi“ wird nicht
aufgeführt.
In der gestrigen Sitzung des städtischen
Theaterkomitees wurde mit 9 gegen 6 Stim¬
men beschlossen, die Aufführung des Arthur
Schui#lerschen antikatholischen Tendenz¬
stückes „Professor Bernhardi“ vor
einer geschlossenen Wiener Privatgesellschaft
nicht zu gestatten. Ganz derselbe Beschluß
wurde (mit 7 gegen 3 Stimmen) vom selben
Theaterkomitee bekanntermaßen auch schon
vorgestern — unter Vorsitz des zweiten Bür¬
germeisters Theodor Kumlik — gefaßt, wor¬
auf mehrere Stadtrepräsentanten beim Bür¬
germeister kön. Rat Theodor Brolly die
Einberufung einer neuerlichen Sitzung für
gestern mittags durchzusetzen wußten.
An der gestrigen Sitzung nahmen unter
Brolly's Vorsitz teil: die Repräsentanten
Friedrich Duschiußky, Ludwig Eremit, Dr. Ja¬
kob Fischer, Johann Korce, Alois Langer, In¬
lins v. Marso, Edmund Mersnyj. Hofrai Jo¬
sef v. Palugyay, kön. Rat Dr. Gabriel v. Pä¬
vai=Vajna, Hdfrat Emmerich Pirchala, Vid v.
Simonyi, Viktor Weinert, Dr. Gregor Wolfs,
ferner Obernotär Karl Mitterhaußer als Re¬
ferent und Vizenotär Dr. Josef Lederer als
Schriftführer. Insgesamt 15 (von 20) stimm¬
berechtigten Komiteemitgliedern.
Es wurde folgende Depesche der Wiener
Literarischen Gesellschaft vorgelegt:
„In letzter Stunde ausgesprochenes Verbot
schädigt schwer die idealen und materiellen
Interessen hunderter Wiener Kunstfreunde
und Preßburger Bürger. Die Verbotsvoraus¬
setzung war irrig.
Auch Preßburgern waren Karten im
Vorverkauf in Wien zugänglich, wovon zahl¬
reich Gebrauch gemacht wurde. Außerdem sind
für Preßburg reservierte Karten am Vorstel¬
lungstage an der Preßburger Theaterkassa
erhältlich. Als Sühne für den direkto¬
ralen Formfehler spendet die Wiener
Freie Literarische Gruppe zweihundert
Kronen für Preßburger Armé und
erwartet von magyarischer Ritterlich¬
keit und Gastfreundschaft die Freigabe
des Theaters für Wiener Gäste und ein Asyl
für zu unrecht verfolgtes Werk des großen
Wiener Dichters. Gezeichnet: Universitäts¬
professor Halban, Bronislav Huber¬
mann, Hermann Bahr, Hofrat Steiner,
Verlagsbuchhändler Heller, k. und k. Haupt¬
mann Robert Michael Freiherr von Leve¬
How.“
Ferner gelangte ein Teleguamm des Thea¬
terdirektors Paul Blasel zur Verlesung,
orin er bekanntgibt, daß für die Pre߬
bürger genügend Sitze reserviert seien.
Ein zweites Telegramm Paul Blasels
traf verspätet ein. Es lautet:
„Obernotär Mitterhaußer, Pozsony,
Magistrat. Bitte dringend den Verbotbeschluß!
een
Beschluß auf Abweisung des Ansu¬
chens der Theaterdirektion als endgiltig
abgelehnt zu betrachten.
Bürgermeister Brolly leitete die Ver¬
handlung mit strenger Sachlichkeit und betei¬
ligte sich nicht an der Debatte. Für den frühe¬
ren Standpunkt des Theaterkomitees trat als
Erster Julius v. Marsé ein.
Wie wir hören, beabsichtigt man von gegne¬
rischer Seite die Angelegenheit in irgendeiner
Form vor die am nächsten Montag abzuhal¬
tende Generalversammlung des städ¬
tischen Munizipalausschusses zu schleppen. In
diesem Falle wird der Spiegelsaal des Prima¬
tialpalais der Schauplatz einer öffentlichen
Debatte sein, von der wir unsere Stadt am
liebsten verschont sehen würden. Wenn sich
aber die prinzipiellen Anhänger des antikatho¬
lisch=jüdischen Tendenzdramatikers Arthur
Schnitzler um jeden Preis eine neue Nie¬
derlage holen wollen, so mögen sie sich die¬
sen Erfolg selbst zuschreiben.
Vom Theaterdirektor Paul Blasel er¬
warten wir mit voller Zuversicht, daß er in
Hinkunft jeden, auch nur leisesten
Versuch unterläßt, welcher darauf hin¬
ausläuft, das beanständete Stück — sei es
durch fremde, sei es durch hiesige Bühnenkräfte
aufführen zu lassen. Ein solcher Versuch
würde den Untergang der bei uns ohnehin in
den letzten Zügen liegenden deutschen Muse
nur noch beschleunigen. Die Preßburger brau¬
chen keine konfessionellen Tendenzstücke. Sie
wollen sich in ihrem teuer subventionierten
Theater unterhalten oder belehren,
nicht aber verhetzen lassen. Wenn demnächst
auf die hiesige Bühne irgendein Stück gebracht
werden sollte, worin ein jüdischer Rabbi¬
ner, ein evangelischer Pastor oder ein „ri¬
tuell arbeitender“ Freimaurer mit ge¬
hässiger Tendenz behandelt ist, so
wären
wir die Ersten, die sich dagegen im Namen des
friedlichen Einvernehmens der Bürgerschaft
und des guten Geschmackes auflehnen würden.
Unser Stadttheater wurde zur Pflege der
Kunst und der edlen Zerstreuung er¬
baut. Als Ablagerungsstätte für politisch¬
konfessionelle Tendenzstücke, welche in Wien
verboten wurden, darf dieses ohnehin längst
fragliche „Musenheim“ nimmermehr mi߬
braucht werden. Soviel „Rilterlichkeit“.
und „Gastfreundschaft“ darf man von
uns „Magyaren“ selbst um den Preis von 200
Kronen Armengeld nimmer voraussetzen. Auf
diese Art von Fremdenverkehr kön¬
nen und müssen wir ein für allemal verzich¬
ten.