II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 187

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25. Prfeernhandi
der religiösen Erziehung und endigt, vielleicht zu
seiner eigenen Ueberraschung, mit der Mitteilung,
daß er sich mit seinem Ministerkollegen von der
Justiz ins Einvernehmen gesetzt habe, ob dem Pro¬
fessor Bernhardi nicht der Prozeß wegen Religions¬
störung gemacht werden solle.
Dieser Prozeß wird tatsächlich durchgeführt.
Die Geschworenen finden Bernhardi des Verbre¬
chens der Religionsstörung schuldig, wiewohl der
itt aus Prager Tagblatt, Prag
Pfarrer vor Gericht seine Ueberzeugung ausspricht,
das Verhalten des Angeklagten sei keineswegs von
1912
ostentativ=feindlicher Absicht gegen die katholische
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Kirche geleitet gewesen. Als der verurteilte Bern¬
hardi in seine Wohnung heimkehrt, da erscheint der
Geistliche bei ihm, um sich mit ihm auszusprechen.
Theater und Literatur.
Und es ist eine der tiefsten Szenen in dem Schnitz¬
Artur Schnitzlers „Professor Bernhardi“
lerschen Werk, in der die beiden Vertreter entgegen¬
gesetzter Weltanschauungen die geistigen Waffen
Vorgelesen von Ferdinand Onno.
kreuzen. Bernhardi geht ins Gefängnis. Aber schon
L. K. Wien, 28. Nov. (Tel.=Ber.)
deutet sich bei ihm der innere Umschwung an, der
sich während der Kerterhaft vollendet. Eine poli¬
Da es dem Wiener Publikum infolge der Be¬
tische Affaire will er aus seiner Angelegenheit nicht
sorgnisse einer hohen Zensur nicht beschieden ist, die
machen lassen. Das würde ihn zu einer Rolle ver¬
neueste Komödie des hervorragendsten Wiener
führen, zu der er sich gar nicht tanglich fühle.
Poeten Artur Schnitzler von der Bühne aus
Darum verzichtet er auf alle Rechtsmittel und büßt
kennen zu lernen, veranstaltete die Konzertdirektion
seine Haft ab. Darum verwahrt er sich auch gegen
Heller heute eine Vorlesung des „Professor Bern¬
die Wiederaufnahme des Verfahrens, als es sich her¬
hardi“ durch Ferdinand Onno. Es war eine lite¬
ausstellt, daß seine Verurteilung im ersten Prozeß
rarische Sensation, die eichzeitig einen lebhaften
nur durch falsche Zeugenaussagen ermöglicht wurde.
Protest gegen das Vorgehen des Zensors bildete.
Dieses prachtvolle Stück, vielleicht Schnitziers
Prof. Bernhardi ist etwa 50 Jahre alt. Er
gelungenste Arbeit, übte auf das Publikum eine
hat das „Elisabeteum“ gegründet, ein Krankeninsti¬
starke Wirkung und einen tiefen Eindruck aus.
tut, gegen das die Professoren seinerzeit sehr erbost
Onno stellte sich mit wahrem Feuereifer in den
waren. Unter Bernhardis Leitung ist das Institut
Dienst der Sache und las mit Temperament und
über die ärgsten Fährlichkeiten hinausgediehen. Es
Leidenschaft. Am Schluß der Vorlesung „erschol
hat einen Protektor, eine hochadelige Dame, die ihre
stürmischer Beifall, der auch dem glänzenden Inter¬
schützende Hand über die Bälle hält, die zu seinen
preten des Stückes galt.
Gunsten veranstaltet werden, und ein Kuraiorium,
in dem ein Prinz und ein Bischof, ein Bankdirektor
Vorlesung Onno „Professor Beruhardi“ in Prag,
und ein Hofrat sitzen. Und es gibt sogar reiche
Leute, die Geld dafür hergeben. Diese idyllische
Die Abteilung für Literatur und Kunst der
Situation hört mit einem Schlage auf, als Professor
Lese= und Redehalle der deutschen Studenten hat
Bernardi mit der Kirche in Konflikt gerät.
Ferdinand Onno für eine einmalige Vorlesung des
Da liegt auf einer Abteilung ein 18jähriges
Werkes in Prag gewonnen. Arthur Schnitzler hat
Mädchen. Sie hält sich für ganz gesund und ist doch
in einem sehr liebenswürdigen Schreiben an die
eine Todgeweihte, eine Sterbende. Völlig ahnungs¬
„Halle“ seine ausdrückliche Erlaubnis zu einer Re¬
los ist sie in dem glücklichen Wahn befangen, daß in
zitation des Dramas durch Ferdinand Onno gegeben
der nächsten Stunde Jemand, der ihr nahe steht, er¬
und die Lesehalle hat keine Opfer gescheut, unmit¬
scheinen wird, um sie wieder mit sich zu nehmen ins
telbar nach der Berliner Uraufführung Professor
Leben und ins Glück. An das Sterbelager dieses
Bernhardis“ auch dem Prager Publikum die Be¬
Mädchens, das unrettbar verloren ist und sich ge¬
kanntschaft mit Schnitzlers neuer Komödie zu ver¬
nesen glaubt, soll der Priester mit den Tröstungen
mitteln. Die Vorlesung findet Dienstag, den
der Religion treten und Bernhardi meint, es sei
3. Dezember um 8 Uhr abends im Spiegel¬
kein gutes, fast möchte er sagen, kein gottgefälligesssaale des Deutschen Hauses statt. Karten für
Werk, wollte man sie aus ihrem letzten Traum er= Sitzplätze zu K 6, 4, 2.50, sowie für Stehplätze zu
wecken. Der Priester zögert. Er fragt, ob die
K 1.50 sind täglich von 11 bis 1 Uhr vormittags,
Möglichkeit vorhanden sei, daß sein Erscheinen den
sowie von 5 bis 7 Uhr nachmittags im Ausschu߬
Verlauf der Krankheit in ungünstiger Weise beschleu¬
zimmer der Lese= und Redehalle der deutschen Stu¬
nigen würde. Wenn die Kranke noch zu retten ist, denten (Studentenheim, Mariengasse 34, 1. Stock,
dann will er sich zurückziehen; aber wenn sie rei= Zimmer 35) erhältlich. Hallemitgliedern wird die¬
tungslos verloren ist, dann beharrt er auf der Er-sibliche Ermäßigung gewährt.
füllung seiner Pflicht. Denn was ein glückliches
Sterben sei, darüber gehen seine Anschauung und
##s des Prösessors auseinander. Bernhardi gestattelj.
als Arzt dem Priester nicht, an das Bett der Kran¬
ken zu treten, und er rührt leicht mit der Hand an
die Schulter des Priesters, um ihm symbolisch den
Eintritt ins Krankenzimmer zu wehren. Die
Schwester hat die Kranke verständigt. „Muß ich
denn wirklich sterben?“ ächzi sie bange. Aber wäh¬
rend noch Arzt und Priester rechten, kommt der
diensthabende Wärter mit der Meldung, daß alles
vorbei sei. Als Sünderin, sagt der Geistliche, ohne
Tröstung der Religion ist sie dahingegangen, und
das ist die Schuld des Arztes. Bernhardi erklärt,
sie auf sich zu nehmen.
Nun überstürzen sich die Ereignisse. Die
Fürstin Stixenstein legt das Ballprotektorat nieder.]
Das Kuratorium demissioniert in corpore, und
Bernhardi sieht sein Institut dem sicheren Untergang
geweiht. Zuerst will er eine beschwichtigende Erklä¬
rung abgegen. Es handelt sich ja nur, wie ihm nahe.
gelegt wird, um ein lleines Opfer der Eitelkeit, das
er bringen soll. Dem großen, humanitären Zweck
zuliebe. Und ein gerettetes Menschenleben ist mehr.
wert, als ein hochgehaltenes Banner. Bernhardi
hat zunächst gar keine Lust, den Helden zu spielen.!
Aber da ist ein Kollege, ein Vetter eines einflu߬ —
Feichen Flay:
An