II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 188

hat einen Protekior, eine hochadelige Dame, die ihre
stürmischer Beifall, der auch dem glänzenden Inter
schützende Hand über die Bälle hält, die zu seinen
preten des Stückes galt.
Gunsten veranstaltet werden, und ein Kuraiorium,
in dem ein Prinz und ein Bischof, ein Bankdirektor
Vorlesung Onno „Professor Beruhardi“ in Prag,
und ein Hofrat sitzen. Und es gibt sogar reiche
Leute, die Geld dafür hergeben. Diese idyllische
Die Abteilung für Literatur und Kunst der
Situation hört mit einem Schlage auf, als Professor
Lese= und Redehalle der deutschen Studenten hat
Bernardi mit der Kirche in Konilikt gerät.
Ferdinand Onno für eine einmalige Vorlesung des
Da liegt auf einer Abteilung ein 18jähriges
Werkes in Prag gewonnen. Arthur Schntzler hat
Mädchen. Sie hält sich für ganz gesund und ist doch
in einem sehr liebenswürdigen Schreiben an die
eine Todgeweihte, eine Sterbende. Völlig ahnungs¬
„Halle“ seine ausdrückliche Erlaubnis zu einer Re¬
los ist sie in dem glücklichen Wahn befangen, daß in
zitation des Dramas durch Ferdinand Onno gegeben
der nächsten Stunde Jemand, der ihr nahe steht, er¬
und die Lesehalle hat keine Opfer gescheut, unmit¬
telbar nach der Berliner Uraufführung Professor
scheinen wird, um sie wieder mit sich zu nehmen ins
Bernhardis“ auch dem Prager Publikum die Be¬
Leben und ins Glück. An das Sterbelager dieses
kanntschaft mit Schnitzlers neuer Komödie zu ver¬
Mädchens, das unrettbar verloren ist und sich ge¬
mitteln. Die Vorlesung findet Dienstag, den
nesen glaubt, soll der Priester mit den Tröstungen
3. Dezember um 8 Uhr abends im Spiegel¬
der Religion treten und Bernhardi meint, es sei
saale des Deutschen Hauses statt. Karten für
kein gutes, fast möchte er sagen, kein gottgefälliges
Sitzplätze zu K 6, 4, 2.50, sowie für Stehplätze zu
Werk, wollte man sie aus ihrem letzten Traum er¬
K 1.50 sind täglich von 11 bis 1 Uhr vormittags,
wecken. Der Priester zögert. Er fragt, ob die
sowie von 5 bis 7 Uhr nachmittags im Ausschu߬
Möglichkeit vorhanden sei, daß sein Erscheinen den
zimmer der Lese- und Redehalle der deutschen Stu¬
Verlauf der Krankheit in ungünstiger Weise beschleu¬
nigen würde. Wenn die Kranke noch zu retten ist, denten (Studentenheim, Mariengasse 34, 1. Stock,
dann will er sich zurückziehen; aber wenn sie ret= Zimmer 35) erhältlich. Hallemitgliedern wird die
tungslos verloren ist, dann beharrt er auf der Er-süibliche Ermäßigung gewährt.
füllung seiner Pflicht. Denn was ein glückliches
Sterben sei, darüber gehen seine Anschauung und
rofessors auseinander Bernhardi gestattetj.
als Arzt dem Priester nicht, an das Bett der Kran¬
ken zu treten, und er rührt leicht mit der Hand an
die Schulter des Priesters, um ihm symbolisch den
Eintritt ins Krankenzimmer zu wehren. Die
Schwester hat die Kranke verständigt. „Muß ich
denn wirklich sterben?“ ächzi sie bange. Aber wäh¬
rend noch Arzt und Priester rechten, kommt der
diensthabende Wärter mit der Meldung, daß alles
vorbei sei. Als Sünderin, sagt der Geistliche, ohne
Tröstung der Religion ist sie dahingegangen, und
das ist die Schuld des Arztes. Bernhardi erklärt,
sie auf sich zu nehmen.
Nun überstürzen sich die Ereignisse. Die
Fürstin Stixenstein legt das Ballprotektorat nieder.
Das Kuratorium demissioniert in corpore, und
Bernhardi sieht sein Institut dem sicheren Untergang
geweiht. Zuerst will er eine beschwichtigende Erklä¬
rung abgegen. Es handelt sich ja nur, wie ihm nahe
gelegt wird, um ein kleines Opfer der Eitelkeit, das
er bringen soll. Dem großen, humanitären Zweck
zuliebe. Und ein gerettetes Menschenleben ist mehr
wert, als ein hochgehaltenes Banner. Bernhardi
hat zunächst gar keine Lust, den Helden zu spielen.
Aber da isi ein Kollege, ein Vetter eines einflu߬
reichen klerikalen Abgeordeten, der ihm ein Tausch=
geschäft anbietet. Es ist nämlich wieder eine Ab¬
teilung an dem Institut neu zu besetzen. Bernhardi
tritt für den bisherigen Supplenten ein, den freilich
bei der herrschenden Partei Glaube und Abstam¬
mung nicht sonderlich empfehlen. Aber er hält

ihn eben für den Tüchtigsten. Wenn er diesen klein¬
lichen Skrupel fallen läßt, dann soll ihm und dem
Institut geholfen werden. Dieser Vorschlag läßt
in Bernhardi die Ueberzeugung keimen, daß er die
Sache ausfechten und das, was er für Recht erkannt,
bis zum Schluß vertreten müsse. Und dabei bleibt
er auch, als jetzt der Minister auf den Plan tritt.
Der Minister war früher — ein seit Men¬
schengedenken, wenigstens in Oesterreich noch nicht
erlebter Fall — klinischer Professor. Er gilt als
administratives Genie, hat große Dinge vor, plant
Reformen auf allen möglichen Gebieten und glaubt
an seine eigenen großen Absichten, wenigstens in
dem Moment, in denen er von ihnen spricht. Vor¬
derhand stellt er sich auf die Seite Bernhardis,
wünscht aber zunächst, daß ihm die Interpellation im
Parlament erspart werde und redet Bernhardi zu,
eine Erklärung abzugeben. Aber wie er von jenem
Kuhhandel hört, der Bernhardi zugemutet wurde,
ändert er plötzlich seine Auffassung. Denn jetzt fürch¬
tet er die Interpellation nicht mehr und glaubt, der
Klerikalen Herr zu werden, wenn er von der parla¬
mentarischen Tribüne die Gesinnungslosiakeit auf¬
decken wird, die man von Bernhardi als Preis ver¬
langte.
Dazu kommt es aber nicht. Denn, wie der
Minister im Parlament die Interpellation beant¬
wortet, da spürt er plötzlich mit seinem feinen In¬
stinkt für die Massenstimmungen daß das Haus auf
der Seite der Interpellanten stehe. Er kommt von
seinem Thema ab, spricht von der Notwendigkeit