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25. Professer-Bernhandi
, die
gelernt
ebenfalls den freundlichsten Beifall des gut besuchten Häufes.
nach
Herr Ferdinand Onno vom Diutschen Volks¬
ehende
theater las gestern im dicht besezten Saale des In¬
genieur= und Architektenvereines das neue Drama von
e Bei
Artur Schnitzler „Professor Bernhardy“, dessen
velches
Aufführung untersagt worden war. Der Dichter hat sich
die sei,
hier mit großem Scharfsinn einen Konflikt zwischen dem
Dr. Thomas Stockmann, Ibsens „Volksfeind“ und dem
ichtige
Pfarrer Hell von Kirchfeld konstruiert. Der Arzt verwehrt
die
dem Geistlichen den Zutritt zu einer Sterbenden, angeblich
um dem in den letzten Zügen liegenden Mädchen nicht ein
schaft¬
illusorisches Glückgefühl, die Hoffnung auf ihre Wiedergenesung,
zu nehmen. Daraus entwickeln sich für den Arzt infolge einer
entlich
sehr konsequent aneinander schließenden Verkettung von
t. Der
äußeren Umständen die peinlichsten Folgen. Böswillige Ent¬
rakier
tellungen des tatsächlichen Vorfalles, Verleumdungen, Unter¬
gende
schiebungen, Intrigen jeder Art werden gegen ihn in Be¬
wegung gesetzt, und die immer mehr die aufgeregte Offent¬
ftliche
lichkeit beschäftigende Sensations=Affäre findet ihren vor¬
einige
läufigen Abschluß damit, daß der Doktor wegen Religions¬
menen
störung verurteilt wird. Nach der Entlassung aus der Straf¬
hlreich
haft soll er zum Märtyrer seiner Überzeugung gemacht
werden, aber diese pathetische Rolle ist nicht nach seinem
Vor¬
Geschmack, denn nun denkr er selbst ganz anders über den
Fall und würde, wenn er sich wiederholen sollte, wahrschein¬
uns¬
lich anders handeln als das erste Mal. — Unsere Gegen¬
wart bietet den Dichtern so viele wirkliche Konflikte, daß sie
vurde
es wahrlich gar nicht nötig hätten, sich neue zu erdichten
des
und sie als Brandpfeile in die Welt zu schießen. Die gestrige
Vorlesung war nicht geeignet, die Bedenken gegen die
sbruck öffentliche Aufführung des Stückes, das an die tiessten
s mit religiösen Empfindungen rührt, zu zerstreuen. Doch darf
s des
immerhin gesagt sein, daß Artur Schnitzler mit künstlerischer
chters
Mäßigung bestrebt war, Licht und Schatten, Sonne und
Grab
Wind nicht allzu ungleich zu verteilen, und daß er zuletzt
Rede
sogar seinen Helden ins Unrecht setzt. Die Gestalt des Priesters
ist mit Liebe und zartester psychologischer Noblesse durch¬
ersten
gebildet. Das ärztliche Milien erscheint in greller
ingel¬
satirischer Beleuchtung. An geistreichen Dialogpointen, an
eine
dramatisch wirksam geführten Szenen, an ergreifenden
Auftritten mangelt es diesem Männerstück keineswegs Nur
Dr.
in den politisch sein wollenden Partien fehlt es an der
zu Grunde liegenden lebendigen Anschauung. Hier reißt
den Dichter die Absicht, um jeden Preis Heiterkeit zu er¬
gen.) zwingen, zu seltsamen Übertreibungen, zu grotesken Ver¬
le in
zerrungen hin. Wirkliche Menschen von Fleisch und Blut
t dem
verkehren mit fratzenhaften Schemen, deren Wesenlosigkeit
sation
sogleich in Nichts zerfließt, wie man sie schärfer ins Auge
dstag
faßt. Herr Onno las das Stück mit besonderer Kunst.
Es gelang ihm, der gehäuften Schwierigkeiten Herr zu
dieser
werden und alle Personen und Situationen plastisch heraus¬
zzechi¬
zuarbeiten. Wie er die Regie=Anmerkungen gewissermaßen
schaft¬
kleingedruckt sprach, war schon Meisterschaft für sich.
teil¬
Gestern nachmittag fand in der Volkshalle des Rathauses
ittags
die 15. Generalversammlung des Jubiläums=Stadt¬
theater=Vereines statt. Regierungsrat Kulhanek
rträge
erstattete den Rechenschaftsbericht über das abgelaufene
lligen Berichtsjahr 1911/12. Die Bilanz ergab Aktiva im Betrage
„1 „ Passiva in B#####n
Ausschnitt aus:
Win fese Sivig Estrabiatl
Wien
vom: 291/00/1912
Theaterzeitung.
Die Vorlesung von Schnitzlers „Professor
Bernhardy“.
Die Zensur hat bekanntlich die Aufführung des
jüngsten dramatischen Werkes Artur Schnitzlers
„Professor Bernhardy“ untersagt. Deshalb
wurde es gestern öffentlich vorgelesen. Das ist nämlich
erlaubt. Herr Ferdinand Onno vom Deutschen
Volkstheater las das Stück im Saale des
Ingenieur= und Architektenvereines, der dicht besetzt
war. Dank seiner glänzenden Vorlesetechnik gewann
man in allen Hauptszenen vollständig den Eindruck des
aufgeführten lebendigen Dramas — was vielleicht
wieder gegen das Verbot verstieß. Schnitzler greift
hier in ein Wespennest, das er sich selbst sehr
jgeistrrich konstruiert hat. Der Streit der Fakul¬
2o. Nonenise. 0——
täten! Die medizinische und die theologische,
die einander ja am Kranken= und Sterbe¬
bette begegnen, kommen einander ins Gehege.
Der Arzt Professor Bernhardy verwehrt einem
Priester den Zutritt zu einer in den letzten Zügen
liegenden Patientin, die nichts von der äußersten Gefahr
ihres Zustandes ahnt und die hofft, sie werde noch genesen.
Sie stirbt ohne den Trost der Religion. Daraus er¬*
wachsen nun für Professor Bernhardy eine lange Reihe
von Unannehmlichkeiten. Die Affäre wird aufgebauscht,
politisch ausgeschrotet und infolge von allerlei Felonien und
kollegialen Niederträchtigkeiten des Undanks und der
Streberei kommt es sogar zu einer Anklage wegen
Religionsstörung. Falsche Zeugenaussagen bewirken
die Verurteilung Bernhardys zu zweimonatlicher Haft.
Er büßt sie ab. Wie er den Kerker verläßt, wird er
im Triumph von seinen Anhängern eingeholt, stürmische
Ovationen umrauschen ihn, ein Fackelzug steht
bereit. Es soll wieder politisch fruktifiziert werden.
Von seinen Freunden diesmal. „Aber die
Freunde kann man sich aussuchen, die Feinde nicht!“
Der Schluß hebt das ganze Stück satirisch auf. Das
letzte Wort sagt dem Helden derb, daß er „ein Viech“
geweson ist. In solche heikle Sachen läßt man sich
einfach nicht ein. Schnitzler hat hier vor allem seinen
ehemaligen ärztlichen Kollegen mehrere böse Stamm¬
buchblätter eingelegt, die ihnen wohl kaum sondetliche
Freude bereiten werden. Die medizinischen Typen werden
mit exquisiter Bosheit und grausamster satirischer
Tücke viviseziert. Den Beamten ergeht's nicht viel
besser. Da ist ein Minister „für Kultus und Konkordat“,
dessen Charakterlosigkeit nach einem Charakterspieler
ersten Ranges ruft. Die große Ausspracheszene nach
der Verurteilung zwischen dem redlichen Arzt und
dem edlen Priester gehört gewiß zum Größten,
Reifsten und Tiefsten, das Schnitzler überhaupt bisher
geschrieben hat. Ohne alle Pathetik reichen sich
hier zwei wirkliche Menschen die reinen Hände
über einem Abgrund. Zwei Welten, zwei Welt¬
anschauungen stoßen da aufeinander: Glaube und
Zweifel, Demut und
Vermessenheit! Auch der
Sitzungsakt der Aerzte ist voll dramatischen Lebens,
reich an kunstvollen Steigerungen und Uebergipfelunger¬
Ob das Drama auf der Szene — ohne Frauenrolle
fast! — rein zu wirken vermag, würde nur eine Auf¬
führung lehren. Herr Onno machte starte — sehr
nötige und sehr wohltuende Kürzungen — und
ersetzt das Gestrichene durch knappe orientierende
Inhaltsangaben. Doch brachte er alles Wesentliche
zu Gehör, eine bedeutende rhetorische Leistung. Ohne
merkliche Schwierigkeit hielt er die vielen Stimmen
sicher und ungemein charakteristisch auseinander und
las auch sonst mit Geist, Schwung und Empfindung.
Reicher Beifall ward ihm zuteil. Er dankte für den
abwesenden Dichter und für sich. Schade, daß der
genußreiche Abend durch zwei wilde Garderoben¬
schlachten — vorher und nachher — erkämpft werden
mußte.
Aus Berlin wird uns telegraphiert: Im
Kleinen Theater wurde heute Artur Schnitzlers
fünfaktige Komödie „Professor Beruhardy“,
der man nach der Wiener Zensur mit be¬
sonderem Interesse entgegengesehen hatte, zum
ersten Male aufgeführt und errang einen starken
Erfolg, der sich in den lebhaftesten Beifallskundgebungen
äußerte.
25. Professer-Bernhandi
, die
gelernt
ebenfalls den freundlichsten Beifall des gut besuchten Häufes.
nach
Herr Ferdinand Onno vom Diutschen Volks¬
ehende
theater las gestern im dicht besezten Saale des In¬
genieur= und Architektenvereines das neue Drama von
e Bei
Artur Schnitzler „Professor Bernhardy“, dessen
velches
Aufführung untersagt worden war. Der Dichter hat sich
die sei,
hier mit großem Scharfsinn einen Konflikt zwischen dem
Dr. Thomas Stockmann, Ibsens „Volksfeind“ und dem
ichtige
Pfarrer Hell von Kirchfeld konstruiert. Der Arzt verwehrt
die
dem Geistlichen den Zutritt zu einer Sterbenden, angeblich
um dem in den letzten Zügen liegenden Mädchen nicht ein
schaft¬
illusorisches Glückgefühl, die Hoffnung auf ihre Wiedergenesung,
zu nehmen. Daraus entwickeln sich für den Arzt infolge einer
entlich
sehr konsequent aneinander schließenden Verkettung von
t. Der
äußeren Umständen die peinlichsten Folgen. Böswillige Ent¬
rakier
tellungen des tatsächlichen Vorfalles, Verleumdungen, Unter¬
gende
schiebungen, Intrigen jeder Art werden gegen ihn in Be¬
wegung gesetzt, und die immer mehr die aufgeregte Offent¬
ftliche
lichkeit beschäftigende Sensations=Affäre findet ihren vor¬
einige
läufigen Abschluß damit, daß der Doktor wegen Religions¬
menen
störung verurteilt wird. Nach der Entlassung aus der Straf¬
hlreich
haft soll er zum Märtyrer seiner Überzeugung gemacht
werden, aber diese pathetische Rolle ist nicht nach seinem
Vor¬
Geschmack, denn nun denkr er selbst ganz anders über den
Fall und würde, wenn er sich wiederholen sollte, wahrschein¬
uns¬
lich anders handeln als das erste Mal. — Unsere Gegen¬
wart bietet den Dichtern so viele wirkliche Konflikte, daß sie
vurde
es wahrlich gar nicht nötig hätten, sich neue zu erdichten
des
und sie als Brandpfeile in die Welt zu schießen. Die gestrige
Vorlesung war nicht geeignet, die Bedenken gegen die
sbruck öffentliche Aufführung des Stückes, das an die tiessten
s mit religiösen Empfindungen rührt, zu zerstreuen. Doch darf
s des
immerhin gesagt sein, daß Artur Schnitzler mit künstlerischer
chters
Mäßigung bestrebt war, Licht und Schatten, Sonne und
Grab
Wind nicht allzu ungleich zu verteilen, und daß er zuletzt
Rede
sogar seinen Helden ins Unrecht setzt. Die Gestalt des Priesters
ist mit Liebe und zartester psychologischer Noblesse durch¬
ersten
gebildet. Das ärztliche Milien erscheint in greller
ingel¬
satirischer Beleuchtung. An geistreichen Dialogpointen, an
eine
dramatisch wirksam geführten Szenen, an ergreifenden
Auftritten mangelt es diesem Männerstück keineswegs Nur
Dr.
in den politisch sein wollenden Partien fehlt es an der
zu Grunde liegenden lebendigen Anschauung. Hier reißt
den Dichter die Absicht, um jeden Preis Heiterkeit zu er¬
gen.) zwingen, zu seltsamen Übertreibungen, zu grotesken Ver¬
le in
zerrungen hin. Wirkliche Menschen von Fleisch und Blut
t dem
verkehren mit fratzenhaften Schemen, deren Wesenlosigkeit
sation
sogleich in Nichts zerfließt, wie man sie schärfer ins Auge
dstag
faßt. Herr Onno las das Stück mit besonderer Kunst.
Es gelang ihm, der gehäuften Schwierigkeiten Herr zu
dieser
werden und alle Personen und Situationen plastisch heraus¬
zzechi¬
zuarbeiten. Wie er die Regie=Anmerkungen gewissermaßen
schaft¬
kleingedruckt sprach, war schon Meisterschaft für sich.
teil¬
Gestern nachmittag fand in der Volkshalle des Rathauses
ittags
die 15. Generalversammlung des Jubiläums=Stadt¬
theater=Vereines statt. Regierungsrat Kulhanek
rträge
erstattete den Rechenschaftsbericht über das abgelaufene
lligen Berichtsjahr 1911/12. Die Bilanz ergab Aktiva im Betrage
„1 „ Passiva in B#####n
Ausschnitt aus:
Win fese Sivig Estrabiatl
Wien
vom: 291/00/1912
Theaterzeitung.
Die Vorlesung von Schnitzlers „Professor
Bernhardy“.
Die Zensur hat bekanntlich die Aufführung des
jüngsten dramatischen Werkes Artur Schnitzlers
„Professor Bernhardy“ untersagt. Deshalb
wurde es gestern öffentlich vorgelesen. Das ist nämlich
erlaubt. Herr Ferdinand Onno vom Deutschen
Volkstheater las das Stück im Saale des
Ingenieur= und Architektenvereines, der dicht besetzt
war. Dank seiner glänzenden Vorlesetechnik gewann
man in allen Hauptszenen vollständig den Eindruck des
aufgeführten lebendigen Dramas — was vielleicht
wieder gegen das Verbot verstieß. Schnitzler greift
hier in ein Wespennest, das er sich selbst sehr
jgeistrrich konstruiert hat. Der Streit der Fakul¬
2o. Nonenise. 0——
täten! Die medizinische und die theologische,
die einander ja am Kranken= und Sterbe¬
bette begegnen, kommen einander ins Gehege.
Der Arzt Professor Bernhardy verwehrt einem
Priester den Zutritt zu einer in den letzten Zügen
liegenden Patientin, die nichts von der äußersten Gefahr
ihres Zustandes ahnt und die hofft, sie werde noch genesen.
Sie stirbt ohne den Trost der Religion. Daraus er¬*
wachsen nun für Professor Bernhardy eine lange Reihe
von Unannehmlichkeiten. Die Affäre wird aufgebauscht,
politisch ausgeschrotet und infolge von allerlei Felonien und
kollegialen Niederträchtigkeiten des Undanks und der
Streberei kommt es sogar zu einer Anklage wegen
Religionsstörung. Falsche Zeugenaussagen bewirken
die Verurteilung Bernhardys zu zweimonatlicher Haft.
Er büßt sie ab. Wie er den Kerker verläßt, wird er
im Triumph von seinen Anhängern eingeholt, stürmische
Ovationen umrauschen ihn, ein Fackelzug steht
bereit. Es soll wieder politisch fruktifiziert werden.
Von seinen Freunden diesmal. „Aber die
Freunde kann man sich aussuchen, die Feinde nicht!“
Der Schluß hebt das ganze Stück satirisch auf. Das
letzte Wort sagt dem Helden derb, daß er „ein Viech“
geweson ist. In solche heikle Sachen läßt man sich
einfach nicht ein. Schnitzler hat hier vor allem seinen
ehemaligen ärztlichen Kollegen mehrere böse Stamm¬
buchblätter eingelegt, die ihnen wohl kaum sondetliche
Freude bereiten werden. Die medizinischen Typen werden
mit exquisiter Bosheit und grausamster satirischer
Tücke viviseziert. Den Beamten ergeht's nicht viel
besser. Da ist ein Minister „für Kultus und Konkordat“,
dessen Charakterlosigkeit nach einem Charakterspieler
ersten Ranges ruft. Die große Ausspracheszene nach
der Verurteilung zwischen dem redlichen Arzt und
dem edlen Priester gehört gewiß zum Größten,
Reifsten und Tiefsten, das Schnitzler überhaupt bisher
geschrieben hat. Ohne alle Pathetik reichen sich
hier zwei wirkliche Menschen die reinen Hände
über einem Abgrund. Zwei Welten, zwei Welt¬
anschauungen stoßen da aufeinander: Glaube und
Zweifel, Demut und
Vermessenheit! Auch der
Sitzungsakt der Aerzte ist voll dramatischen Lebens,
reich an kunstvollen Steigerungen und Uebergipfelunger¬
Ob das Drama auf der Szene — ohne Frauenrolle
fast! — rein zu wirken vermag, würde nur eine Auf¬
führung lehren. Herr Onno machte starte — sehr
nötige und sehr wohltuende Kürzungen — und
ersetzt das Gestrichene durch knappe orientierende
Inhaltsangaben. Doch brachte er alles Wesentliche
zu Gehör, eine bedeutende rhetorische Leistung. Ohne
merkliche Schwierigkeit hielt er die vielen Stimmen
sicher und ungemein charakteristisch auseinander und
las auch sonst mit Geist, Schwung und Empfindung.
Reicher Beifall ward ihm zuteil. Er dankte für den
abwesenden Dichter und für sich. Schade, daß der
genußreiche Abend durch zwei wilde Garderoben¬
schlachten — vorher und nachher — erkämpft werden
mußte.
Aus Berlin wird uns telegraphiert: Im
Kleinen Theater wurde heute Artur Schnitzlers
fünfaktige Komödie „Professor Beruhardy“,
der man nach der Wiener Zensur mit be¬
sonderem Interesse entgegengesehen hatte, zum
ersten Male aufgeführt und errang einen starken
Erfolg, der sich in den lebhaftesten Beifallskundgebungen
äußerte.