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25. Professor-Bernhandi
——
Ausschnitt aus:Neues Wiener Jourhal, Wies
2#.NOV 1912
vom:
Theater und Kunst.
Artur Schnitzlers „Professor Bernhardi“.
Vorkefung=durch Ferdinand Onno.
Artur Schnitzlers neue fünfaktige Komödie „Professor
Bernhardi“ die ihrer polemischen Tendenz wegen einem Zensur¬
verbot anheimfiel, wurde gestern, am Abend der Berliner Premiere,
von Ferdinand Onno im Saale des Architektenvereines in ihrem
ganzen Inhalte vorgelesen. Das zahlreiche distinguierte Publikum
folgte der Vorlesung mit stärkstem Interesse, aber es kam an
keiner einzigen Stelle zu irgendeiner demonstrativen Kundgebung,
wenn auch der Beifall nach jedem Aktschlusse ein lebhafter und
warmer war.
Schnitzler betritt in „Professor Bernhardi“ zum erstemmal
das Gebiet der tendenziösen satirischen Komödie. Stärker als
gegen gewisse österreichische Zustände und die klerikalen Mächte
wendet er sich gegen die Verkümmerung der Charaktere in unserem.
öffentlichen Leben, gegen Leisetreterei und Strebertum. Mauches
feine ironische Wort fällt in dem Stück und stärker als in
seinen vorangegangenen Dramen akzentuiert hier der Dicten
seine Lebensanschauung, ein freies Menschentum, das
über den Konfessionen und Parteien
steht. Ungemein
klar, von starkem dramatischen Puls bewegt, gibt sich
diese Komödie bis zu ihrem vorletzten Akt.
Bis dahin war das
Interesse des Publikums am stärksten. Mit einer ironischen Zu¬
sammensassung und einer letzten Avrechnung der beiden kon¬
trastierenden Hauptgestalten wird sie geschlossen. Auffallend ist das
Fehlen des erotischen Moments. Unter den vielen handelnden
Gestalten greift mit Ausnahme der episodisch auftretenden
Krankenschwester keine einzige Frau in die Handlung ein. Sie
beginnt in einem Sanatorium und wir sind in ein fast ausschlie߬
lich ärztliches Milieu versetzt.
Da ist eine in Todesnöten liegende Kranke, die, ohne ihren
hoffnungslosen Zustand zu ahnen, eine baldige Genesung erhofft.
Die wenigen Stunden, die ihrem Dasein noch beschieden sind,
bedeuten für sie köstliche Wonnen, sind von einem unsagbaren
Glück der Erwartung und des Hoffens erfüllt. In diesen
Moment kommt der Pfarrer, um der ahnungslosen Kranken die
letzte Oelung zu erteilen. Ihm stellt sich Professor Bernhardi, dee
Direktor des Elisabethinums, in den Weg. Zweierlei Pflichten
kämpfen gegeneinander, die des Pfarrers, der mit seiner religiösen
Handlung die Illusion einer Sterbenden vernichten muß, und die
des Arztes, dem die Lüge hier als ein Gebot der Menschlich¬
keit erscheint. Aber während des Streites der beiden ist
es die Krankenschwester, die den Tod der Hoffenden
durch die Ankündigung des Geistlichen herbeiführt. Nun beginnt
die eigentliche Handlung mit all ihren Konsequenzen. Professor
Bernhardi wird von den meisten seiner Kollegen im Stich gelassen.]
Die Streber beginnen mit einer geheimen Hetze gegen den so
menschlich Empfindenden. Die sich getroffen fühlende kiechlich ge¬
sinnte Parlamentspartei erhebt in einer Interpellation die
heftigste Anklage gegen Bernhardi, der wegen Störung eines
religiösen Aktes angeklagt und zu zwei Monaten Kerkerhaft ver¬
urteilt wird, nachdem er seine Direktorstelle niedergelegt hat. Im
Triumph wird Bernhardi von Gesinnungsverwandten vom Ge¬
fängnis abgeholt, er aber ist ein auch an seinen frühern
Freunden tief enttäuschter Mann, seinem Beruf gewaltsam ent¬
zogen, trotzdem ihm noch die Gunst eines Fürsten zuteil wird.
Mit wirksamer und geistvoller Dialektik werden nun die Szenen!
weitergesponnen. In schaifer Kontrastierung heben sich die ein¬
zelnen Gestalten voneinander ab, die des überzeugungsstarken,
an den Stockmann des „Volksfeindes“ erinnernden Bernhardi
von seinem einstigen Freunde, dem Minister Flint, der ganz
der Heuchelei und dem Strebertum verfallen ist, der treue
und charaktervolle Professor Pflugfelder von dem tückischen
Vizedirektor des Sanatoriums Ebenwald. Am wärmsten wirkte die
Szene, in der Bernhardi und der Pfarrer sich über einen Ab¬
grund von Gegensätzen in einer tiefen Achtung die Hände reichen.
Im Gegensatz
(65
n d
25. Professor-Bernhandi
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Ausschnitt aus:Neues Wiener Jourhal, Wies
2#.NOV 1912
vom:
Theater und Kunst.
Artur Schnitzlers „Professor Bernhardi“.
Vorkefung=durch Ferdinand Onno.
Artur Schnitzlers neue fünfaktige Komödie „Professor
Bernhardi“ die ihrer polemischen Tendenz wegen einem Zensur¬
verbot anheimfiel, wurde gestern, am Abend der Berliner Premiere,
von Ferdinand Onno im Saale des Architektenvereines in ihrem
ganzen Inhalte vorgelesen. Das zahlreiche distinguierte Publikum
folgte der Vorlesung mit stärkstem Interesse, aber es kam an
keiner einzigen Stelle zu irgendeiner demonstrativen Kundgebung,
wenn auch der Beifall nach jedem Aktschlusse ein lebhafter und
warmer war.
Schnitzler betritt in „Professor Bernhardi“ zum erstemmal
das Gebiet der tendenziösen satirischen Komödie. Stärker als
gegen gewisse österreichische Zustände und die klerikalen Mächte
wendet er sich gegen die Verkümmerung der Charaktere in unserem.
öffentlichen Leben, gegen Leisetreterei und Strebertum. Mauches
feine ironische Wort fällt in dem Stück und stärker als in
seinen vorangegangenen Dramen akzentuiert hier der Dicten
seine Lebensanschauung, ein freies Menschentum, das
über den Konfessionen und Parteien
steht. Ungemein
klar, von starkem dramatischen Puls bewegt, gibt sich
diese Komödie bis zu ihrem vorletzten Akt.
Bis dahin war das
Interesse des Publikums am stärksten. Mit einer ironischen Zu¬
sammensassung und einer letzten Avrechnung der beiden kon¬
trastierenden Hauptgestalten wird sie geschlossen. Auffallend ist das
Fehlen des erotischen Moments. Unter den vielen handelnden
Gestalten greift mit Ausnahme der episodisch auftretenden
Krankenschwester keine einzige Frau in die Handlung ein. Sie
beginnt in einem Sanatorium und wir sind in ein fast ausschlie߬
lich ärztliches Milieu versetzt.
Da ist eine in Todesnöten liegende Kranke, die, ohne ihren
hoffnungslosen Zustand zu ahnen, eine baldige Genesung erhofft.
Die wenigen Stunden, die ihrem Dasein noch beschieden sind,
bedeuten für sie köstliche Wonnen, sind von einem unsagbaren
Glück der Erwartung und des Hoffens erfüllt. In diesen
Moment kommt der Pfarrer, um der ahnungslosen Kranken die
letzte Oelung zu erteilen. Ihm stellt sich Professor Bernhardi, dee
Direktor des Elisabethinums, in den Weg. Zweierlei Pflichten
kämpfen gegeneinander, die des Pfarrers, der mit seiner religiösen
Handlung die Illusion einer Sterbenden vernichten muß, und die
des Arztes, dem die Lüge hier als ein Gebot der Menschlich¬
keit erscheint. Aber während des Streites der beiden ist
es die Krankenschwester, die den Tod der Hoffenden
durch die Ankündigung des Geistlichen herbeiführt. Nun beginnt
die eigentliche Handlung mit all ihren Konsequenzen. Professor
Bernhardi wird von den meisten seiner Kollegen im Stich gelassen.]
Die Streber beginnen mit einer geheimen Hetze gegen den so
menschlich Empfindenden. Die sich getroffen fühlende kiechlich ge¬
sinnte Parlamentspartei erhebt in einer Interpellation die
heftigste Anklage gegen Bernhardi, der wegen Störung eines
religiösen Aktes angeklagt und zu zwei Monaten Kerkerhaft ver¬
urteilt wird, nachdem er seine Direktorstelle niedergelegt hat. Im
Triumph wird Bernhardi von Gesinnungsverwandten vom Ge¬
fängnis abgeholt, er aber ist ein auch an seinen frühern
Freunden tief enttäuschter Mann, seinem Beruf gewaltsam ent¬
zogen, trotzdem ihm noch die Gunst eines Fürsten zuteil wird.
Mit wirksamer und geistvoller Dialektik werden nun die Szenen!
weitergesponnen. In schaifer Kontrastierung heben sich die ein¬
zelnen Gestalten voneinander ab, die des überzeugungsstarken,
an den Stockmann des „Volksfeindes“ erinnernden Bernhardi
von seinem einstigen Freunde, dem Minister Flint, der ganz
der Heuchelei und dem Strebertum verfallen ist, der treue
und charaktervolle Professor Pflugfelder von dem tückischen
Vizedirektor des Sanatoriums Ebenwald. Am wärmsten wirkte die
Szene, in der Bernhardi und der Pfarrer sich über einen Ab¬
grund von Gegensätzen in einer tiefen Achtung die Hände reichen.
Im Gegensatz
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