25. ProfesseBernhand
box 30/3
Wien, Freitag
[Neue Freie Presse.
—
Persönlichkeit seiner Witwe gehörts zug, gegen den ein Attentat geplant war. Rechts und links
platzen die Granaten. Ein Splitter derselben hat, wie der
ihr selbst vorbereitete Wortlaut
„Heute
Vorleser der „Urania“ mitteilte, den Filmoperateur selbst ge¬
starb Frau Hermine
ich Professor Dr. J. Seegen. Sie
troffen und verletzt. Das Publikum folgte diesen Darbietungen
Verwandten und Bekannten einen
mit begreiflicher Spannung.
und bittet um ein freundliches An¬
[Der Diebstahl von einer Viertelmillion
licht mutiger und anmutiger ein letztes
in Gold.] Wie wir bereits kurz berichtet haben, wurde
K.
dieser Tage ein sensationeller Diebstahl an einer Goldsendung,
Aus München wird uns gemeldet:
die von der Bank von England an den Crédit Lyonnais in
Heyses blieb heute nach ärztlichem
Alexandrien adressiert war, begangen. Mit dem Fall sind
9 Uhr in der Wohnung des erkrankten
jetzt die englischen, deutschen und die Triestiner Polizei¬
behörden beschäftigt, und die geschicktesten Detektives stehen vor
andauernd befriedigend. Der Kranke
hin das Bett hüten.
einem scheinbar unlösbaren Rätsel. Der Londoner „Daily
Telegraph“ der eine besondere Untersuchung eingeleitet hat,
[Zuerkennung des Anton
berichtet über diese mysteriöse Affaire folgendes: Die Bank
Wir erhalten folgende Mitteilung:
von England erhielt vor einiger Zeit vom Crédit Lyonnais
fessor Anton Menger einen Betrag
in London den Auftrag, sofort fünf Millionen Kronen in
surch eine Widmung der juristischen Ge¬
Sovereigns an die Filiale des Crédit Lyonnais in Alexandrien
als Preis für eine Arbeit aus der
zu senden. Diese enorme Summe wurde am 12. November
[Rechtsgeschichte. Nachdem diese
unter den ganz außerordentlichsten Vorsichtsmaßregeln verpackt
gen Mangels von Arbeiten, die den Be¬
und befördert. In Gegenwart von je zwei Repräsentanten der
mehrmals erfolglos geblieben war, hat
Bank von England und des Crédit Lyonnais wurden die
richterkollegium, das aus dem Univer¬
Goldstücke genau gezählt und dann zu je tausend Stück in
Adler und H. v. Voltelini als
kleine Säckchen gepackt. Fünf solche Säckchen wurden in
juristischen Professorenkollegiums und
eine Kiste getan, so daß die Sendung aus vierzig Kisten mit
Schwind als Delegierten der Juri¬
je 5000 Goldstücken, zusammen 200.000 Pfd. St., bestand.
kmmengesetzt war, den Preis einstimmig
Diese Kistchen sind 40 Zentimeter lang, 25 Zentimeter breit
ssor Dr. Gustav Turba für seine
und 22 Zentimeter tief und bestehen aus außerordentlich
matische Sanktion mit besonderer Rück¬
starkem, drei Zentimeter dickem Holz. Außerdem sind die
er Stephanskrone" und „Die Grund¬
Kisten mit starken neuen Eisenbändern versehen und so sorg¬
en Sanktion“ zuerkannt.
fältig genagelt, daß es großer Anstrengungen bedarf, um sie
der Hausfrauen gegen die
zu öffnen. Ganz ausgeschlossen ist es, sie zu öffnen, ohne
eredte Wortführerin im Kampfe der Haus¬
daß man dies sofort sehen würde. Der Deckel wird nicht nur
egen die Teuerung, Frau Helene Gra¬
rin einer sehr wirkungsvollen Streitschrift,
geschraubt, und der Kopf jeder Schraube und jedes Nagels
iener Mode“ erscheinend, eben im vierten
wurde in der üblichen Weise mit einem Wachssiegel bedeckt,
tlichkeit gelangt. In übersichtlicher Weise
die abwechselnd die Stampiglie der Bank von England und
leichsbildern unterstützt, wird hier auf
des Crédit Lyonnais trugen. Unter militärischer Eskorte
uellenstudien den Ursachen der Teuerung
wurden die vierzig Kisten nun am 12. November von London
nachgegangen, sowie den Folgen der
nach dem deutschen Dampfer „Schwalbe“ gebracht und dort in
„ „„ Mah#nnos. „
einem eigens für solche Sendungen bestimmten Raum ver¬
sperrt. Dieser Raum liegt direkt unter der Kommandobrücke
und wurde ununterbrochen bewacht. Die Tür dieser Kammer
hat drei schwere Schlösser. Ein Schlüssel paßt zu zwei der
Vorlegeschlösser, ein anderer zum dritten Schloß. Den einen
Schlüssel übernahm der Kapitän, den zweiten der erste Offizier.
Nach menschlichem Ermessen ist es also vollkommen ausge¬
schlossen, daß irgend jemand während der Fahrt der „Schwalbe“
mit den Goldkisten in Berührung kommen konnte. Die
„Schwalbe“ fuhr nach Bremen, wo die vierzig Kisten wieder
unter allen Vorsichtsmaßregeln von deutschen Postbeamten
übernommen und per Eisenbahn weiter nach Triest be¬
fördert wurden. Vorher wurde jede Kiste genau untersucht
und als unversehrt gefüllt und gleich im Gewichte befunden.
In Triest wurden die kostbaren Kisten abermals übernommen
und wieder mit aller Vorsicht an Bord des Dampfers
„Heluan“ gebracht. Am 18. November kamen sie dann an
ihrem Bestimmungsort Alexandrien an. Dort wurden sie von
Postbeamten und Beamten des Crédit Lyonnais ausgeladen
und wieder einzeln untersucht. Die Untersuchung besteht darin,
daß jede Kiste genau auf allen Seiten angesehen, die Siegel
geprüft und jede Kiste geschüttelt wird. Bei diesem Schütteln
entdeckte man nun sofort, daß zwei der Kisten nicht dicht ge¬
füllt waren, sondern ihr Inhalt sich lose bewegte. Aeußerlich
wiesen auch diese zwei Kisten nicht die geringste Spur irgend
einer Manipulation auf und auch ihre vielen Siegel waren
absolut intakt. Als man sie aber unter Hinzuziehung von
Polizeibeamten öffnete, fand man, daß ihr Inhalt nicht aus
Holdstücken, sondern aus je einem Bleistück im Gewichte
von 96 Pfund — dem genauen Aequivalent für fünftausend
Sovereigns — bestand. Der Crédit Lyonnais in London
owohl wie die Bank von England wurden sofort per Kabel
erständigt, und die Detektive=Inspektoren John Collison
und Leach, die zwei fähigsten Beamten von Scotland
Yard, wurden mit dem Fall betraut. Diese Beamten stehen
aber ebenso wie ihre alexandrinischen, Triester und Bremer
Kollegen vor einem unlösbaren Rätsel und erklären, daß
dies das raffinierteste Diebsmanöver sei, das jemals die
Polizei beschäftigt habe. Zweifellos war der Diebstahl von
langer Hand vorbereitel.
[Ein Zyklon.] Aus Manila wird gemeldet:
Keil
Seite 13
20. Novemper 1912
Artur Schnitzlers Professor Vernhardi“.
(Vorlesung durch Ferdinand Onno im Ingenieurvereins¬
lacke.) Wien, 28. Novenber.
Artur Schnitzlers „Professor Bernhardi“, den ein
unbeugsames Machtwort der Zensur von der Wiener
Bühne verwiesen hat, mußte heute abends seine Zuflucht
in den Vortragssaal nehmen. Im Festsaale des In¬
genieur= und Architeklenvereines rezitierte ein junger,
sehr begabter Schauspieler, Herr Ferdinand Onno, das
neueste Stück unseres österreichischen Dichters, und aus
dem jubelnden Beisall des vielköpfigen Publikums ver¬
nahm ein feineres Ohr recht deutlich neben dem tiefen
Eindruck, den die erste politische Komödie Schnitzlers bei
den Hörern weckte, und neben der aufrichtigen Verehrung
für den heimischen Poeten den nur allzu begreiflichen
Wunsch, daß die Theaterzensur endlich aus der langen
Reihe unserer ungelösten Fragen ausscheiden möge. Der
Inhalt des „Professor Bernhardi“ war beinahe bis zum
heutigen Abend das Geheimnis eines kleinen Kreises
Wissender geblieben, und das Zensurverbot ist ohne An¬
gabe von Gründen erfolgt. Man hatte nur von ungefähr
vernommen, daß in der Handlung der Komödie die Vor¬
nahme der kirchlichen Zeremonie am Sterbebette eine Rolle
spiele, und desgleichen ebenso unbestimmt gehört, daß
unter den Perionen des Stückes ein Unterrichtsminister
in Amt und Würden figuriert, der gelegentlich „auch
anders kann“ und sich in Ueberzeugungsdingen gegen
Opportunitätsgründe nicht unnachgiebig zeigt. Aus diesen
Andeutungen ergaben sich zwei Hypothesen, was die
Gründe des Zenfurverbotes betrifft. Beide durfte das
Publikum heute im Vortragssaal nachprüfen, und, das
Resultat, zu dem man gelangte, war wohl allgemein eine
Kräftigung der längst gewonnenen Erkenntnis, daß der
Zensurbeirat, der sich übrigens nicht einstimmig gegen
„Professor Bernhardi“ ausgesprochen hat, so gut gemeint
er sein mag, keine Gewähr für eine moderne Handhabung
der Bühnenzensur bi# et, und daß es höchste Zeit ist,
auch die Justiz in Theaterdingen nach heutigen Rechts¬
auffassungen mit dem Instanzenzug bis zum Verwal¬
tungsgerichtshofe zu regeln.
Aus dem weiten Land der Seele hat Artur Schnitzler
sich den Weg zu gesellschaftlichen und politischen Problemen
der Gegenwart oder sagen wir zum mindesten der Mit¬
vergangenheit gebahnt und ein Stück geschrieben, das in
dem Wien um das Jahr 1900 spielt. Vielleicht wird der
aufmerksame Hörer oder Leser sich mitunter sagen, daß
der Dichter, der die Handlung des „Professor Bernhardi“
etwa um ein halbes Menschenalter zurückdatiert, noch ge¬
trost eine weitere Hälfte hätte daraufgeben können; denn
es will einen glücklicherweise dünken, als sei die Flut,
deren verheerende Wirkung auf die Wiener Oeffentlichkeit
Artur Schnitzler darstellt, bereits ein wenig zurückgeebbt.
Von nicht geringem Reize ist es freilich, daß Artur
Schnitzler auf dieser seiner erfreulichen Flucht in die
Oeffentlichkeit unserer Tage an die Jugenderinnerungen
des Vaterhauses anknüpft, und älteren Wienern wird bei
der Lektüre des Professor Bernhardi“ die Gestalt des
Vaters des Dichters, des unvergessenen Arztes und
Menschenfreundes, des Mitbegründers der Wiener Poli¬
klinik, vor das geistige Auge treten. Seiner österreichischen
Historie des jungen Medardus hat Artur Schnitzler nun
die österreichische Komödie folgen lassen oder wenigstens
den Ansatz dazu; denn Professor Bernhardi gesteht selbst
zu, daß das, was er innerlich erlebte, ihm schließlich nicht
mehr österreichische Politik oder Politik überhaupt war,
sondern daß es sich ihm allmählich um allgemeine ethische
Dinge handelte, um Verantwortung und Offenbarung und
im letzten Sinne um die Frage der Willensfreiheit.
Artur Schnitzler hat diesmal ein durchaus männ¬
liches Stück geschrieben. Nicht nur in dem Sinne, daß
„Professor Bernhardi“ die entschiedene Abkehr von allen
erotischen Fragen bedeutet und daß von den zwei Dutzend
handeinden Personen, die der Theaterzettel aufweist, nur
box 30/3
Wien, Freitag
[Neue Freie Presse.
—
Persönlichkeit seiner Witwe gehörts zug, gegen den ein Attentat geplant war. Rechts und links
platzen die Granaten. Ein Splitter derselben hat, wie der
ihr selbst vorbereitete Wortlaut
„Heute
Vorleser der „Urania“ mitteilte, den Filmoperateur selbst ge¬
starb Frau Hermine
ich Professor Dr. J. Seegen. Sie
troffen und verletzt. Das Publikum folgte diesen Darbietungen
Verwandten und Bekannten einen
mit begreiflicher Spannung.
und bittet um ein freundliches An¬
[Der Diebstahl von einer Viertelmillion
licht mutiger und anmutiger ein letztes
in Gold.] Wie wir bereits kurz berichtet haben, wurde
K.
dieser Tage ein sensationeller Diebstahl an einer Goldsendung,
Aus München wird uns gemeldet:
die von der Bank von England an den Crédit Lyonnais in
Heyses blieb heute nach ärztlichem
Alexandrien adressiert war, begangen. Mit dem Fall sind
9 Uhr in der Wohnung des erkrankten
jetzt die englischen, deutschen und die Triestiner Polizei¬
behörden beschäftigt, und die geschicktesten Detektives stehen vor
andauernd befriedigend. Der Kranke
hin das Bett hüten.
einem scheinbar unlösbaren Rätsel. Der Londoner „Daily
Telegraph“ der eine besondere Untersuchung eingeleitet hat,
[Zuerkennung des Anton
berichtet über diese mysteriöse Affaire folgendes: Die Bank
Wir erhalten folgende Mitteilung:
von England erhielt vor einiger Zeit vom Crédit Lyonnais
fessor Anton Menger einen Betrag
in London den Auftrag, sofort fünf Millionen Kronen in
surch eine Widmung der juristischen Ge¬
Sovereigns an die Filiale des Crédit Lyonnais in Alexandrien
als Preis für eine Arbeit aus der
zu senden. Diese enorme Summe wurde am 12. November
[Rechtsgeschichte. Nachdem diese
unter den ganz außerordentlichsten Vorsichtsmaßregeln verpackt
gen Mangels von Arbeiten, die den Be¬
und befördert. In Gegenwart von je zwei Repräsentanten der
mehrmals erfolglos geblieben war, hat
Bank von England und des Crédit Lyonnais wurden die
richterkollegium, das aus dem Univer¬
Goldstücke genau gezählt und dann zu je tausend Stück in
Adler und H. v. Voltelini als
kleine Säckchen gepackt. Fünf solche Säckchen wurden in
juristischen Professorenkollegiums und
eine Kiste getan, so daß die Sendung aus vierzig Kisten mit
Schwind als Delegierten der Juri¬
je 5000 Goldstücken, zusammen 200.000 Pfd. St., bestand.
kmmengesetzt war, den Preis einstimmig
Diese Kistchen sind 40 Zentimeter lang, 25 Zentimeter breit
ssor Dr. Gustav Turba für seine
und 22 Zentimeter tief und bestehen aus außerordentlich
matische Sanktion mit besonderer Rück¬
starkem, drei Zentimeter dickem Holz. Außerdem sind die
er Stephanskrone" und „Die Grund¬
Kisten mit starken neuen Eisenbändern versehen und so sorg¬
en Sanktion“ zuerkannt.
fältig genagelt, daß es großer Anstrengungen bedarf, um sie
der Hausfrauen gegen die
zu öffnen. Ganz ausgeschlossen ist es, sie zu öffnen, ohne
eredte Wortführerin im Kampfe der Haus¬
daß man dies sofort sehen würde. Der Deckel wird nicht nur
egen die Teuerung, Frau Helene Gra¬
rin einer sehr wirkungsvollen Streitschrift,
geschraubt, und der Kopf jeder Schraube und jedes Nagels
iener Mode“ erscheinend, eben im vierten
wurde in der üblichen Weise mit einem Wachssiegel bedeckt,
tlichkeit gelangt. In übersichtlicher Weise
die abwechselnd die Stampiglie der Bank von England und
leichsbildern unterstützt, wird hier auf
des Crédit Lyonnais trugen. Unter militärischer Eskorte
uellenstudien den Ursachen der Teuerung
wurden die vierzig Kisten nun am 12. November von London
nachgegangen, sowie den Folgen der
nach dem deutschen Dampfer „Schwalbe“ gebracht und dort in
„ „„ Mah#nnos. „
einem eigens für solche Sendungen bestimmten Raum ver¬
sperrt. Dieser Raum liegt direkt unter der Kommandobrücke
und wurde ununterbrochen bewacht. Die Tür dieser Kammer
hat drei schwere Schlösser. Ein Schlüssel paßt zu zwei der
Vorlegeschlösser, ein anderer zum dritten Schloß. Den einen
Schlüssel übernahm der Kapitän, den zweiten der erste Offizier.
Nach menschlichem Ermessen ist es also vollkommen ausge¬
schlossen, daß irgend jemand während der Fahrt der „Schwalbe“
mit den Goldkisten in Berührung kommen konnte. Die
„Schwalbe“ fuhr nach Bremen, wo die vierzig Kisten wieder
unter allen Vorsichtsmaßregeln von deutschen Postbeamten
übernommen und per Eisenbahn weiter nach Triest be¬
fördert wurden. Vorher wurde jede Kiste genau untersucht
und als unversehrt gefüllt und gleich im Gewichte befunden.
In Triest wurden die kostbaren Kisten abermals übernommen
und wieder mit aller Vorsicht an Bord des Dampfers
„Heluan“ gebracht. Am 18. November kamen sie dann an
ihrem Bestimmungsort Alexandrien an. Dort wurden sie von
Postbeamten und Beamten des Crédit Lyonnais ausgeladen
und wieder einzeln untersucht. Die Untersuchung besteht darin,
daß jede Kiste genau auf allen Seiten angesehen, die Siegel
geprüft und jede Kiste geschüttelt wird. Bei diesem Schütteln
entdeckte man nun sofort, daß zwei der Kisten nicht dicht ge¬
füllt waren, sondern ihr Inhalt sich lose bewegte. Aeußerlich
wiesen auch diese zwei Kisten nicht die geringste Spur irgend
einer Manipulation auf und auch ihre vielen Siegel waren
absolut intakt. Als man sie aber unter Hinzuziehung von
Polizeibeamten öffnete, fand man, daß ihr Inhalt nicht aus
Holdstücken, sondern aus je einem Bleistück im Gewichte
von 96 Pfund — dem genauen Aequivalent für fünftausend
Sovereigns — bestand. Der Crédit Lyonnais in London
owohl wie die Bank von England wurden sofort per Kabel
erständigt, und die Detektive=Inspektoren John Collison
und Leach, die zwei fähigsten Beamten von Scotland
Yard, wurden mit dem Fall betraut. Diese Beamten stehen
aber ebenso wie ihre alexandrinischen, Triester und Bremer
Kollegen vor einem unlösbaren Rätsel und erklären, daß
dies das raffinierteste Diebsmanöver sei, das jemals die
Polizei beschäftigt habe. Zweifellos war der Diebstahl von
langer Hand vorbereitel.
[Ein Zyklon.] Aus Manila wird gemeldet:
Keil
Seite 13
20. Novemper 1912
Artur Schnitzlers Professor Vernhardi“.
(Vorlesung durch Ferdinand Onno im Ingenieurvereins¬
lacke.) Wien, 28. Novenber.
Artur Schnitzlers „Professor Bernhardi“, den ein
unbeugsames Machtwort der Zensur von der Wiener
Bühne verwiesen hat, mußte heute abends seine Zuflucht
in den Vortragssaal nehmen. Im Festsaale des In¬
genieur= und Architeklenvereines rezitierte ein junger,
sehr begabter Schauspieler, Herr Ferdinand Onno, das
neueste Stück unseres österreichischen Dichters, und aus
dem jubelnden Beisall des vielköpfigen Publikums ver¬
nahm ein feineres Ohr recht deutlich neben dem tiefen
Eindruck, den die erste politische Komödie Schnitzlers bei
den Hörern weckte, und neben der aufrichtigen Verehrung
für den heimischen Poeten den nur allzu begreiflichen
Wunsch, daß die Theaterzensur endlich aus der langen
Reihe unserer ungelösten Fragen ausscheiden möge. Der
Inhalt des „Professor Bernhardi“ war beinahe bis zum
heutigen Abend das Geheimnis eines kleinen Kreises
Wissender geblieben, und das Zensurverbot ist ohne An¬
gabe von Gründen erfolgt. Man hatte nur von ungefähr
vernommen, daß in der Handlung der Komödie die Vor¬
nahme der kirchlichen Zeremonie am Sterbebette eine Rolle
spiele, und desgleichen ebenso unbestimmt gehört, daß
unter den Perionen des Stückes ein Unterrichtsminister
in Amt und Würden figuriert, der gelegentlich „auch
anders kann“ und sich in Ueberzeugungsdingen gegen
Opportunitätsgründe nicht unnachgiebig zeigt. Aus diesen
Andeutungen ergaben sich zwei Hypothesen, was die
Gründe des Zenfurverbotes betrifft. Beide durfte das
Publikum heute im Vortragssaal nachprüfen, und, das
Resultat, zu dem man gelangte, war wohl allgemein eine
Kräftigung der längst gewonnenen Erkenntnis, daß der
Zensurbeirat, der sich übrigens nicht einstimmig gegen
„Professor Bernhardi“ ausgesprochen hat, so gut gemeint
er sein mag, keine Gewähr für eine moderne Handhabung
der Bühnenzensur bi# et, und daß es höchste Zeit ist,
auch die Justiz in Theaterdingen nach heutigen Rechts¬
auffassungen mit dem Instanzenzug bis zum Verwal¬
tungsgerichtshofe zu regeln.
Aus dem weiten Land der Seele hat Artur Schnitzler
sich den Weg zu gesellschaftlichen und politischen Problemen
der Gegenwart oder sagen wir zum mindesten der Mit¬
vergangenheit gebahnt und ein Stück geschrieben, das in
dem Wien um das Jahr 1900 spielt. Vielleicht wird der
aufmerksame Hörer oder Leser sich mitunter sagen, daß
der Dichter, der die Handlung des „Professor Bernhardi“
etwa um ein halbes Menschenalter zurückdatiert, noch ge¬
trost eine weitere Hälfte hätte daraufgeben können; denn
es will einen glücklicherweise dünken, als sei die Flut,
deren verheerende Wirkung auf die Wiener Oeffentlichkeit
Artur Schnitzler darstellt, bereits ein wenig zurückgeebbt.
Von nicht geringem Reize ist es freilich, daß Artur
Schnitzler auf dieser seiner erfreulichen Flucht in die
Oeffentlichkeit unserer Tage an die Jugenderinnerungen
des Vaterhauses anknüpft, und älteren Wienern wird bei
der Lektüre des Professor Bernhardi“ die Gestalt des
Vaters des Dichters, des unvergessenen Arztes und
Menschenfreundes, des Mitbegründers der Wiener Poli¬
klinik, vor das geistige Auge treten. Seiner österreichischen
Historie des jungen Medardus hat Artur Schnitzler nun
die österreichische Komödie folgen lassen oder wenigstens
den Ansatz dazu; denn Professor Bernhardi gesteht selbst
zu, daß das, was er innerlich erlebte, ihm schließlich nicht
mehr österreichische Politik oder Politik überhaupt war,
sondern daß es sich ihm allmählich um allgemeine ethische
Dinge handelte, um Verantwortung und Offenbarung und
im letzten Sinne um die Frage der Willensfreiheit.
Artur Schnitzler hat diesmal ein durchaus männ¬
liches Stück geschrieben. Nicht nur in dem Sinne, daß
„Professor Bernhardi“ die entschiedene Abkehr von allen
erotischen Fragen bedeutet und daß von den zwei Dutzend
handeinden Personen, die der Theaterzettel aufweist, nur