Münchner Schauspielhaus. Wohin man
bickt, überall tobt heute der Kampf der Parteien,
Richtungen, Meinungen. Und vorbei die Zeiten,
Do die Gegner in ehrlichem Kampfe sich messen.
Ein häßliches, wildes Ringen, in dem oft kein
Mittel im Kampfe zu schlecht. Sehnen wir uns
da noch, diesem häßlichen Spiel auch auf der
Bühne zu begegnen? Nun wir wären jedenfalls
um einen interessanten Abend, um ein interessantes
Stück ärmer, wenn Artur Schnitzler seine fünf¬
aktige Komödie „Professor Vernhar—nicht ge¬
schrieben hätte. Schnitzler versetzt uns nach Wien
um 1900. Fanatisch tobt der Kampf der Parteien.
Hie Semiten — hie Antisemiten tönt der Schlacht¬
ruf. Und alles wird zu Parteizwecken ausge¬
schlachtet. Ein Vorgang, der sich bei der Betei¬
ligtem guten Willen, leicht in Ruhe hätte austragen
lassen, wird durch der Parteien Hetze zur Parteien¬
Sache aufgebauscht. Professor Bernhardi, der
Vorstand einer großen Klinik, hat dem Priester
den Zutritt zum Sterbebett eines jungen, gefallenen
Mädchens verweigert, aus Menschlichkeit, weil er
der Unglücklichen, die keine Ahnung von ihrem nahen
Ende hat, die freudig von der Zukunft hofft, die
letzte Stunde nicht trüben will, aber auch vom
Pflichtstandpunkte des Arztes, der dem menschlichen
Leben jede Minute Lebensdauer abzuringen und
hier die durch das Erscheinen des Priesters als uner¬
warteten Todesboten bedingte plötzliche Katastrophe
abzuwenden hat. Streber und Neider, vor allem
aber die politischen Feinde des Juden Bernhardi,
der hier dem Vertreter des Christentums entgegen¬
tritt, bemächtigen sich in partei= und religions¬
fanatischer Weise des Falles. Die Preßhetze setzt
ein, die falschen Aussagen egoistisch strebender
Kollegen und politischer Feinde, einer glaubens¬
fanatischen Krankenschwester und des zwar innerlich
ehrlich denkenden, aber auch fanatisch der „heiligen
Sache; dienenden Priesters führen zu einer poli¬
tischen Interpellation und diese zur Anklage und
Verurteilung Bernhardis wegen Religionsverletzung.
Zwei Monate hat Bernhardi verbüßt. Gewaltig
ist die Schar seiner Anhänger gewachsen und auch
der Regierung ist der Fall bereits unangenehm
geworden. Da auch die Hauptzeugin, die Kranken¬
schwester, Beichte von ihrer falschen Aussage abge¬
legt hat, steht der vollen Rehabilitierung Bernhardis
nichts im Wege. Aber wie ihn vorher der Par¬
teien Hetze angewidert hat, will er auch jetzt von
einem neuen Rummel nichts wissen. Er sehnt sich
nach stillem Schaffen. Aus der Inhaltsangabe
heraus möchte man an ein handlungsreiches, hand¬
lungsbewegtes Stück glauben. Das ist es nun
keineswegs. Das Mehr der Handlung spielt sich
hinter den Kulissen ab, auf der Bühne nur eine
unendliche Reihe von Dialogen, von Reden, Aus¬
einandersetzungen. Aber gerade hier zeigt sich die
gewaltige Kunst Schnitzlers, diese fast 3½ stündigen
Dialoge so zu beleben, daß sie statt zu ermüden,
uns mit fortreißen, spannen bis zum letzten Augen¬
blicke. Und eines muß man besonders loben. Er hat
den Stoff nicht häßlich tendenziös gefärbt, sein Bern¬
hardi steht so über der Parteien Haß und Hetze,
erhaben hat er für sie nur Hohn und Satire.
Dieses alles Ueberragende wußte auch Colla Jessen
als Träger in der Titelrolle voll und ganz zu ge¬
wahren. Sein Bernhardi ist schon aus einem
Guß. Das partei= und religiös=gespaltete Professoren¬
Kollegium war durch die Herren Eßlair, Raabe,
Peppler, Grell, Heller, Ausfelder, Raabe, Duniecki,
Spenger, Bauer prächtig vertreten, jeder einzelne
charakteristisch am Platze. Mit köstlich wienerischer
Färbung gab Randolf den Hofrat Winkler, fein
diplomatisch Günther den Minister. Schlich##und
doch eindringlich spielte Kalser den Pfarre Stoll¬
bergs Regie hatte bei dieser Novität Meder ein
weites, trefflich ausgenütztes Feld der Betätigung.
Ein voller Erfolg auf allen Seitengn Akt zu Akt.
* WDüuchene Schoufwollsie llia.
bickt, überall tobt heute der Kampf der Parteien,
Richtungen, Meinungen. Und vorbei die Zeiten,
Do die Gegner in ehrlichem Kampfe sich messen.
Ein häßliches, wildes Ringen, in dem oft kein
Mittel im Kampfe zu schlecht. Sehnen wir uns
da noch, diesem häßlichen Spiel auch auf der
Bühne zu begegnen? Nun wir wären jedenfalls
um einen interessanten Abend, um ein interessantes
Stück ärmer, wenn Artur Schnitzler seine fünf¬
aktige Komödie „Professor Vernhar—nicht ge¬
schrieben hätte. Schnitzler versetzt uns nach Wien
um 1900. Fanatisch tobt der Kampf der Parteien.
Hie Semiten — hie Antisemiten tönt der Schlacht¬
ruf. Und alles wird zu Parteizwecken ausge¬
schlachtet. Ein Vorgang, der sich bei der Betei¬
ligtem guten Willen, leicht in Ruhe hätte austragen
lassen, wird durch der Parteien Hetze zur Parteien¬
Sache aufgebauscht. Professor Bernhardi, der
Vorstand einer großen Klinik, hat dem Priester
den Zutritt zum Sterbebett eines jungen, gefallenen
Mädchens verweigert, aus Menschlichkeit, weil er
der Unglücklichen, die keine Ahnung von ihrem nahen
Ende hat, die freudig von der Zukunft hofft, die
letzte Stunde nicht trüben will, aber auch vom
Pflichtstandpunkte des Arztes, der dem menschlichen
Leben jede Minute Lebensdauer abzuringen und
hier die durch das Erscheinen des Priesters als uner¬
warteten Todesboten bedingte plötzliche Katastrophe
abzuwenden hat. Streber und Neider, vor allem
aber die politischen Feinde des Juden Bernhardi,
der hier dem Vertreter des Christentums entgegen¬
tritt, bemächtigen sich in partei= und religions¬
fanatischer Weise des Falles. Die Preßhetze setzt
ein, die falschen Aussagen egoistisch strebender
Kollegen und politischer Feinde, einer glaubens¬
fanatischen Krankenschwester und des zwar innerlich
ehrlich denkenden, aber auch fanatisch der „heiligen
Sache; dienenden Priesters führen zu einer poli¬
tischen Interpellation und diese zur Anklage und
Verurteilung Bernhardis wegen Religionsverletzung.
Zwei Monate hat Bernhardi verbüßt. Gewaltig
ist die Schar seiner Anhänger gewachsen und auch
der Regierung ist der Fall bereits unangenehm
geworden. Da auch die Hauptzeugin, die Kranken¬
schwester, Beichte von ihrer falschen Aussage abge¬
legt hat, steht der vollen Rehabilitierung Bernhardis
nichts im Wege. Aber wie ihn vorher der Par¬
teien Hetze angewidert hat, will er auch jetzt von
einem neuen Rummel nichts wissen. Er sehnt sich
nach stillem Schaffen. Aus der Inhaltsangabe
heraus möchte man an ein handlungsreiches, hand¬
lungsbewegtes Stück glauben. Das ist es nun
keineswegs. Das Mehr der Handlung spielt sich
hinter den Kulissen ab, auf der Bühne nur eine
unendliche Reihe von Dialogen, von Reden, Aus¬
einandersetzungen. Aber gerade hier zeigt sich die
gewaltige Kunst Schnitzlers, diese fast 3½ stündigen
Dialoge so zu beleben, daß sie statt zu ermüden,
uns mit fortreißen, spannen bis zum letzten Augen¬
blicke. Und eines muß man besonders loben. Er hat
den Stoff nicht häßlich tendenziös gefärbt, sein Bern¬
hardi steht so über der Parteien Haß und Hetze,
erhaben hat er für sie nur Hohn und Satire.
Dieses alles Ueberragende wußte auch Colla Jessen
als Träger in der Titelrolle voll und ganz zu ge¬
wahren. Sein Bernhardi ist schon aus einem
Guß. Das partei= und religiös=gespaltete Professoren¬
Kollegium war durch die Herren Eßlair, Raabe,
Peppler, Grell, Heller, Ausfelder, Raabe, Duniecki,
Spenger, Bauer prächtig vertreten, jeder einzelne
charakteristisch am Platze. Mit köstlich wienerischer
Färbung gab Randolf den Hofrat Winkler, fein
diplomatisch Günther den Minister. Schlich##und
doch eindringlich spielte Kalser den Pfarre Stoll¬
bergs Regie hatte bei dieser Novität Meder ein
weites, trefflich ausgenütztes Feld der Betätigung.
Ein voller Erfolg auf allen Seitengn Akt zu Akt.
* WDüuchene Schoufwollsie llia.