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nand Onno vom deutschen Volkstheiter
Wien diese Komödie Schnitzlers am vergan¬
genen Samstag im deutschen Kasino vor dem
Publikum des jüd. lit. Vereines vorlas, war
in der Tat ein respektables Surrogat für eine
Aufführung im Theater, die bekanntlich noch
immer von der Zensur inhibiert ist. Herr
Onno disserenziert die handelnden Personen
wohl weniger durch drastischen Wechsel stimm¬
licher Register, als vielmehr durch eine gewisse
Eiskrete Darstellung jeder einzelnen Person,
auch durch mimische Behelfe, ohne dabei die
Grenzen zu überschreiten, die für den gewieg¬
ten Rezitator durch die künstlerische Erkennt¬
nis gezogen sind, daß ein Vortragspodium
eben ein Podium und keine Bühne ist. Durch
diese Kunst, vorzulesen, vorlesend darzustellen
oder — vie eicht noch besser gesagt: — dem
gesprochenen Worte plastische Wirkungen ab¬
zuringen: trat das Werk, Szene für Szene,
in das Vorstellungsvermögen des Audito¬
riums, für dessen geistiges Auge und Phan¬
tasie solcherart die wirksamsten Szenenbilder
intuitiv geschafsen werden. Wir schreiben es
idem jüdisch=siterarischen Vereine direkt als eine
Tat an, daß er diese Vorlesung inaugurierte,
sind aber aus prinzipiellen Gründen nicht
der Lage, diese Vorlesung als eine Art
B
—
Olmützer Premiere aufzufassen: wir erwar=C
ten diese Erstaufführung durch das Olmürerk
Stadtthealer. War doch gerade diese ausge¬
n
zeichnete Vorle ung dazu wie geschaffen, die
ganze erbärmliche Haltlosigkeit des hinterwäld¬
lerischen Stan punktes greu zu beleuchten, auf
den sich die österreichische Zensur zu diesem
Stücke steilt, das in Deutschland volle Thea=sg
terhäuser erzengt. Als ob nur gerade dasg
Ausland darüber unterrichtet werden dürfte,p
wie ein österreichischer Dichter über die gewisse
„Liberalität“ österreichischer Minister mit künst¬
lerischem Ernste denkt, wo diese ministeriellen
„Liberalität“ schon längst das stereotype
Steckenperd der Witzblätter werden
mußte. Es trifft sich just recht gut, daß wir
heute an leitender Stelle der vorliegenden
Nummer einen Ausspruch des gegenwärtigen
Ministerpräsidenten, des Grasen Stürgkh,
sthalten können, der drastischer, ursprüng¬
licher und niederschmetternder, als es irgend
eine Komödie vermöchte, dieselben traurigen
Wahrheiten mit verblüffender Brutalität aus¬
ro#t, die Schnitler nur mit künstlerischer Fein¬
heit aufzeigt. Und dann — was das kultur¬
kämpferische Motiv der Komödie betrifft, muß
gesagt werden, daß auch hier das Zensur¬
Verbot vor der künstlerischen Objektivität, die
Schnitlers Komödie ausstrahlt, über kurz
oder lang zusammenbrechen muß. Eine Zen¬
fur, die sich an literarischen Werten
vergreist, scheint die Absicht zu haben sich vor
ganz Europa lächerlich machen zu wollen. Sie
wird zu der biteren Einsicht kommen, daß
diese Vorlesungen Onno's nicht etwa Vor¬
schubleistungen für ihr törichtes Vorhaben sind,
sondern vielmehr Handlungen, durch die
jedesmal die ganze Hohlheit dieser tendentiösen
Zensur entblößt wird. Die Zensur wird dieses
Stück frei geben müssen, will sie nicht im
Lichte dieser Omo'schen Rezitation fortwäh¬
rend als der Zeitel aus Shakespeares „Som¬
mernachtstraum“ erscheinen, der sich nur des
halb so gravitätisch geben kann, weil weder er
noch seine, nächste Umgebung sehen, daß er
—ch.
einen Eselskopf hat.
Auf dem
nand Onno vom deutschen Volkstheiter
Wien diese Komödie Schnitzlers am vergan¬
genen Samstag im deutschen Kasino vor dem
Publikum des jüd. lit. Vereines vorlas, war
in der Tat ein respektables Surrogat für eine
Aufführung im Theater, die bekanntlich noch
immer von der Zensur inhibiert ist. Herr
Onno disserenziert die handelnden Personen
wohl weniger durch drastischen Wechsel stimm¬
licher Register, als vielmehr durch eine gewisse
Eiskrete Darstellung jeder einzelnen Person,
auch durch mimische Behelfe, ohne dabei die
Grenzen zu überschreiten, die für den gewieg¬
ten Rezitator durch die künstlerische Erkennt¬
nis gezogen sind, daß ein Vortragspodium
eben ein Podium und keine Bühne ist. Durch
diese Kunst, vorzulesen, vorlesend darzustellen
oder — vie eicht noch besser gesagt: — dem
gesprochenen Worte plastische Wirkungen ab¬
zuringen: trat das Werk, Szene für Szene,
in das Vorstellungsvermögen des Audito¬
riums, für dessen geistiges Auge und Phan¬
tasie solcherart die wirksamsten Szenenbilder
intuitiv geschafsen werden. Wir schreiben es
idem jüdisch=siterarischen Vereine direkt als eine
Tat an, daß er diese Vorlesung inaugurierte,
sind aber aus prinzipiellen Gründen nicht
der Lage, diese Vorlesung als eine Art
B
—
Olmützer Premiere aufzufassen: wir erwar=C
ten diese Erstaufführung durch das Olmürerk
Stadtthealer. War doch gerade diese ausge¬
n
zeichnete Vorle ung dazu wie geschaffen, die
ganze erbärmliche Haltlosigkeit des hinterwäld¬
lerischen Stan punktes greu zu beleuchten, auf
den sich die österreichische Zensur zu diesem
Stücke steilt, das in Deutschland volle Thea=sg
terhäuser erzengt. Als ob nur gerade dasg
Ausland darüber unterrichtet werden dürfte,p
wie ein österreichischer Dichter über die gewisse
„Liberalität“ österreichischer Minister mit künst¬
lerischem Ernste denkt, wo diese ministeriellen
„Liberalität“ schon längst das stereotype
Steckenperd der Witzblätter werden
mußte. Es trifft sich just recht gut, daß wir
heute an leitender Stelle der vorliegenden
Nummer einen Ausspruch des gegenwärtigen
Ministerpräsidenten, des Grasen Stürgkh,
sthalten können, der drastischer, ursprüng¬
licher und niederschmetternder, als es irgend
eine Komödie vermöchte, dieselben traurigen
Wahrheiten mit verblüffender Brutalität aus¬
ro#t, die Schnitler nur mit künstlerischer Fein¬
heit aufzeigt. Und dann — was das kultur¬
kämpferische Motiv der Komödie betrifft, muß
gesagt werden, daß auch hier das Zensur¬
Verbot vor der künstlerischen Objektivität, die
Schnitlers Komödie ausstrahlt, über kurz
oder lang zusammenbrechen muß. Eine Zen¬
fur, die sich an literarischen Werten
vergreist, scheint die Absicht zu haben sich vor
ganz Europa lächerlich machen zu wollen. Sie
wird zu der biteren Einsicht kommen, daß
diese Vorlesungen Onno's nicht etwa Vor¬
schubleistungen für ihr törichtes Vorhaben sind,
sondern vielmehr Handlungen, durch die
jedesmal die ganze Hohlheit dieser tendentiösen
Zensur entblößt wird. Die Zensur wird dieses
Stück frei geben müssen, will sie nicht im
Lichte dieser Omo'schen Rezitation fortwäh¬
rend als der Zeitel aus Shakespeares „Som¬
mernachtstraum“ erscheinen, der sich nur des
halb so gravitätisch geben kann, weil weder er
noch seine, nächste Umgebung sehen, daß er
—ch.
einen Eselskopf hat.
Auf dem