II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 303

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25. Professer Bernhandi
Dies muß man festhalten, um zu verstehen, warum
nachher mit
K
Grabentdrsa) det


Schnitzler mit dem zweiten Akt scheinbar ein ganz neues Stück galen.
aeenem
Gefänqnis be¬
anfängt. Der Konflikt zwischen Bernhardi und dem Pfarrer
sprochen. Für und wider gesprochen, und dahinter steht immer
hung ab, in die
kann, da die beiden nicht auf einer wüsten Insel, sondern im
einer Wieder¬
der Dichter und lächelt ironisch: ihr habt alle Recht oder vielmehr
Weltgetriebe leben, nicht zwischen ihnen allein ausgetragen
daß die Kran¬
ihr habt alle Unrecht. Man kann nicht sagen, daß dies Geplau¬
werden, sondern greift auf ihre Umwelt über. Und nun wird
Meineids be¬
der an sich langweilig wäre; dazu enthält es zu viel hübsche und
er Nebensache, wird nur Mittel im Parteikampf. Daß das
Er will seinem
witzige Vemerkungen. Der Anti=Semit, der auch noch Anti¬
lebens=echt ist, kann man schwerlich bestreiten. Schnitzlers In¬
Arier wird, weil er die Menschen als eine im allgemeinen recht
stinkt hat ihn hier ganz richtig geführt. Schade nur, daß er
mangelhafte Gesellschaft erkannt hat, ist z. B. eine Erfindung,
der
den
selbst zu sehr außerhalb des Parteigetriebes lebt, um das, was
um die man Schnitzler beneiden möchte. Aber diese andauem¬
kten
alle
nun kommen müßte, in allen Teilen überzeugend zu gestalten.
den Gespräche machen müde, so müde daß die Gipfelszene des
nches
Hnitz
Der Fehler, den der Dichter hier gemacht hat, läßt sich nicht
Stücks, die Auseinandersetzung des Pfarrers mit dem Professor
dem
treffender kennzeichnen als mit den Worten Dr. Paul Gold¬
lut¬
im vierten Akt, nicht mehr zu voller Wirkung kommt.
er
manns, der in einer Besprechung des Zerkes in der Wiener
Ein Stück, das dem nachdenklichen Zuschauer mancherlei An¬
kampf
Stück
Neuen Freien Presse geschrieben hat:
rge¬
regung gibt, des den Autor aufs neue als feinen, klugen Kopf
Ode
„Es ist eine etwas kindliche Vorstellung, anzunehmen, daß
zeigt. Aber ein Stück von zweifelhafter Bühnenwirksamkeit, ein
=Glaubens und
die Klerikalen, die entschlossen sind, den Professor Bernhardi
er von einem
Stück, dem der dramatische Nerv fehlt.
wegen Religionsstörung an den Pranger zu stellen, ihm ihren
Dr. Hagemann hatte das Werk verständig und wirksam in¬
dem
chen und
Verzicht auf diesen Entschluß anbieten werden, für den Fall,
der betonen läßt,
daß er zum Leiter einer Abteilung in seinem Krankenhau's szeniert Vielleicht war er sogar zu gründlich dabei vorgegangen.
nhardi handeln:
einen klerikalen Dozenten ernennen will, — daß also eine mäch Vielleicht hatte er zu sehr Gewicht darauf gelegt, alle Feinheiten
Jedenfalls ver¬
dern günstigsten¬
des Dialogs den Hörern nahe zu bringen.
tige Partei, im Begriff, eine große politische Aktion zu unter¬
er indivi¬
od unse
schleppte sich das Tempo mehr und mehr, statt immer leichtere
nehmen, vorher eine Erpressung versuchen wird, durch die sie
insbe¬
Schwingen zu heben, je mehr es aus dem Drama zur Komödie
ige A
sich ganz in die Hände des Mannes gibt, gegen den ihre Aktion
für
wurde. Das Wiener Stück erschien hier durch die Brille nord¬
m G
sich richten, den sie vernichten will. Der Konflikt würde schär¬
nicht
deutschen Verstandes gesehen und verlor dadurch allerhand von
fer sich abzeichnen, würde in eine höhere Sphäre gehoben sein,
enseits
seinen eigensten Reizen.
wenn die Intrige ganz wegfiele, wenn die Klerikalen ihren
Von den Darstellern, die übrigens teilweise in Bezug auf die
Ansturm gegen den Professor Bernhardi nicht deshalb unter¬
Maske die Vorschriften des Autors nicht berücksichtigt hatten, sind
ist
tück au
nähmen, weil er in einer Personalfrage ihnen nicht zu Willen
oben an zu nennen Herr Wagner, der als Pfarrer ganz echt
ngs¬
war, ondern weil hier zwei Weltanschauungen zusammen¬
und überzeugend, ganz Glaubenssicherheit und Herzensfrömmig¬
licht
nung
stoßen und weil die klerikale Weltanschauung eben nicht anders
keit war, Herr Nhil, der den Professor Bernhardi kraftvoll und
chla¬
kann, als den Arzt verdammen, der den Priester vom Bett
überlegen gab, und Herr Lang, der den Minister mit wirkungs¬
de zuge¬
hem E
einer Sterbenden fernhält.“
vollem selbstironischem Unterion darstellte.
spielt, wo die
Und ebenso kann man Goldmann nur Recht geben, wenn er
Den antisemitischen Professor Ebenwald stattete Herr
würde Bernhardi
im Verfolg seiner Betrachtungen die Aufgabe, die sich Schnitzler
Montor mit wirkungsvoller äußerer Gemütlichkeit und wasch¬
thisch genommen,
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gestellt hat, dahin fixiert, daß der Dichter das Schicksal eines
ichtem Dialekt aus, wohingegen Herr Andresen für seinen
itigen Frankreich,
Mannes schildern wollte, der ganz seinem Beruf lebt und der
Professor Tugendvetter nur ein Idiom aufbrachte, das nördlich
zu Grunde ge¬
plötzlich eben durch einen reinen Berufs=Akt mitten in den Stru¬
von Bodenbach gewachsen war. Ganz famos war Herrn Sar¬
del der Politik hineingerissen wird, von dem er nichts weiß und
er aber nicht. Er
nichts wissen will. Schnitzler behandilt dies Thema ganz objek= torys Dr. Löwenstein: in solchen Rollen entfaltet sich das
tiv: er gibt keiner der beiden Parteien Recht oder Unrecht. Er Können dieses Darstellers weit besser, als wenn er ernste Väter
Problem Stellung
er bedingungslos
schildert einfach, was er sieht schildert es allerdings als Ironiker, und würdige Greise mimt. Herrn Brahms Cyprian war von
dem mangelhaften Dialekt abgesehen, ein Kabinettstück feiner
recht gabe. Das
Aber seine Ironie trifft rechts und links gleicherweise. Es ist
Charakteristik und mit einer dem Leben abgelauschten Suade gab
selbstverständlich
besonders fein, daß er eben den Dr. Wenger, für den sich Bern¬
Herr Kreidemann wirkungsvoll den freiheitlichen Professor
Per sich konsequent
hardi dem Sturm aussetzt, nach Ausbruch des Sturms zue Ge¬
Pflugfelder. Fräulein Mays Krankenschwester, Herrn Pich¬
Alt, der kann von
genpartei treten läßt. Und selbst seinen Helden zeichnet er nicht
lers Hochroihpointner und Herrn Kallenbergers Dr.
kehr sprechen: für
als Idealfigur, sondern gibt ihm mancherlei Schwächen mit auf
Feuermann verdienen noch anerkennend genannt zu werden. Nicht
den stehen auch
den Weg, vor allem eine Weltfremdheit, die manchmal wie Bor¬
zu vergessen Herrn Wlach, der einen raunzerischen Hofrat, eigen¬
hiedenen Entwick¬
niertheit wirkt. So geschickt hat der Künstler in seinem Massen¬
stes Wiener Gewächs, mit zündender Laune svielte.
dem Punkt, auf
gemälde Licht und Schatten verteilt, daß keine der beiden strei¬
Das Haus war ausverkauft und auf Sensation gestimmt. Der
kommen um diese
tenden Parteien ihn als Eideshelfer heranziehen kann.
Sinn ist auf der
Vielleicht liegt eben hier die Fehlerwurzel des Stücks, das lehhafte Beifall rief zum Schluß mit den Darstellern auch Dr. *
uung nicht mehr
auf die Dauer nicht hält, was sein Anfang verspricht. Nach dem Hagemann wiederholt vor die Rampe.
Dr. Carl Müller-Rastalt%
tmanns in ihrer
ersten starken Akt folgen vier andere, die im Grunde nur kluges
ich Schnitzler. Bei
Geplauder sind. Was bis zum Schluß des Stückes noch geschieht,
amas der Lebens¬
geschieht hinter der Szene. Auf der Szene wird nur ge¬