Zu Schnitzlers Komödie „Profesror Bernhardi“.
InKt-abethinum, der Klinik des Professors Bernhardi,
legl Aarmes Ding im Sterben. Im letzten Augenblick
gerät die Kranke in den Zustand der „Euphorie“ in
jene traumhafte Ilusion der Rettung und des Glücks, den
die Natur mitunter in gnädiger Lanne der Vernichtung
unmittelbar vorangehen läßt. Da tritt, von der über¬
cifrigen Krankenschwester herangeholt, ein Priester ein,
der Todgeweihten die Sterbesakramente zu reichen. Der
Arzi bittet in, davon abzustehen, die Unglückliche nicht
durch sein Erscheinen aus ihrem kurzen holden Wahn
zu reißen. Es gibt einen raschen Wortwechsel. Der
Pfarrer bestcht auf seinem Recht. Professor Bernhardi
verbietet es ihm. Inzwischen hat die übereilige Kran¬
kenschwester die Ankunft des Priesters gemeldet und da¬
mit die Kranke aus ihrem holden Wahn gerissen
und zur tötlichen Verzweiflung gebracht. Der
Assistent tritt ein: es ist vorbei. Die Kranke ist ohne
die Tröstungen der katholischen Religion dahingegangen.
Mit diesem Kampf der ärztlichen Erkenntnis und rein
menschlichen Empfindens gegen die Satzungen der ka¬
tholischen Religion leitet Schnitzler seine „Komödie“
ein. 4 Akte folgen. Der Kampf zicht immer größere Kreise.
Die klerikale Partei ereifert sich für ihren Pfarrer, die
günstige Gelegenheit benützend, gegen den ohnehin ver¬
haßten Juden Bernhardi Stimmung zu machen. Vonallen
Seiten wird gegen Bernhardi gewühlt; eine Untersuchung
eingeleitet, die ganze Angelegenheit sogar ins Parla¬
ment geschleppt. Wider Willen Bernhardis wird sie ins
Allgemeine, vor allem ins Politische gezogen. Aus einer
ärztlichen Pflichtfrage wird eine Machtfrage der Parteien.
Für das Vorgehen Bernhardis wird das schöne Wort „Re¬
ligionsstörung“ geprägt und Bernhardi verurteilt, wobei
falsche Zeugen eine bedeutsame Rolle spielen. So wird
aus einem ursprünglich privaten, kleinen, aber tiefernst
genommenen Anlaß eine öffentliche, laute Komödic.
Daß darin eine beißende Satire liegt, daß Schnitzler
mit einzelnen Figuren, wie mit dem Gang der Hand¬
lung selbst eine scharfe Spitze gegen die österreichische
Regierung richte, war von vorneherein klar und die
Zensur hat denn auch mit einem bestimmten Veto geant¬
wortet. Trotz verzweifelter Versuche, das Stück, das
ursprünglich für das Burgtheater, später für das Volks¬
theater bestimmt war, wenigstens zu Vorstellungen in
geschlossener Gesellschaft freizukriegen, blieb „Profes¬
sor Bernhardi“ in der österreichisch-ungarischen Mo¬
narchie nur den Theatern Ungarns vorbehalten: wer diese
typisch wienerische Komödie sehen wollte, mußte sich
dazu bequemen, nach Budapest oder wenigstens nach
dem nahen Preßburg zu reisen, wo das vielumstrittene
Stück einen starken und nachhaltigen Erfolg errang. In¬
zwischen war es längst über die nördliche Grenze ge¬
wandert: Das „Kleine Theater“ in Berlin konnte bereits
im Januar die 50. Aufführung ankündigen.
N
#0 THEATER UND KONZERT es
Matr L. 00
ZÜRCHERTHEATER. Die Schau¬
Ambition oder der Partei oder der ##
spielsaison des Stadttheaters brachte
Rasse. So gerät die Weigerung Bern¬
gleich zu Beginn eine Premiere, die
hardis dem katholischen Pfarrergegen¬
sich des lebhaftesten Erfolges zu
über sofort in den unreinen Dunst¬
erfreuen hatte: Arthur Schnitzlers
kreis persönlicher Streberei und
wüstester Parteipolitik. Alles was mit
Komödie Professor Bern
auf der Schauspiefbeffffed Antisemitismus Geschäfte macht,
zur Aufführung gebracht. Gegen Ende
gerät in Aktion. Und so kommt es
des letzten Jahres war das Stück in
schließlich zur Verurteilung Bernhar¬
Berlin — bei Barnowsky im Kleinen
dis wegen Religionsstörung: der Pro¬
Theater
fessor muss zwei Monste sitzen. Der
— aus der Taufe gehoben
worden. Für Österreich hat die Zen¬
Umschlag tritt dann während seiner
sur dem Werk den Zutritt zur Bühne
Gefängnisstrafe ein, und der fünfte
versperrt. Ob sich Schnitzler im Ernst
Akt der Komödie entlässt uns mit#
über dieses Verbot verwundert hat?
der Aussicht, dass nunmehr mit dem
Seine Komödie beleuchtet öster¬
Märtyrer Bernhardi der gleiche po¬
reichische Verhältnisse mit einer
litische Handel von seiten der Frei¬
solchen Schärfe, dass ein Zensor
gesinnten wird getrieben wverden wie
schon ein sehr vorurteilsloser Mann
vorher mit dem Freigeist und Juden
Bernhardi von seiten der Reaktion.
sein müsste, wenn er nur das Künst¬
Nur einer der Gegner Bernhardis#
lerische des Stückes zur Richtschnur
seines Urteils gemacht und der Ko¬
und das ist die blutigste Satire
mödie seine Sanktion erteilt hätte.
der ganzen Komödie — benimmt sich
Schnitzler war es in seinem Professor
anständig: der katholische Pfarrer.
Bernhardi nicht sowohl um eine Ver¬
Er hat es über sich gewonnen, vor
teidigung des Rechtes der Wissenschaft
Gericht dem Professor das Zeugnis
gegenüber den Forderungen der Re¬
zu geben, nach seiner, des Pfarrers
ligion, beziehungsweise der Kirche
Uberzeugung habe Bernhardi bei
zu tun, als darum, zu zeigen, wie
seinem Verhalten im Spital keines¬
sich aus einem an sich recht belang¬
wegs einen Akt der Feindseligkeit
losen Vorkommnis in einem Privat¬
gegen die Kirche begehen wollen
spital ein „Fall“ entwickelt. Daraus,
Ja, der Geistliche geht noch weiter
dass Professor Bernhardi eine Ster¬
er gibt dieser seiner Überzeugung
bende, die über ihren Zustand sich
auch noch persönlich Bernhardi gegen¬
dem glücklichsten Optimismus hin¬
über bei einem Besuch nach des
gibt, in ihrem Wahnglauben belassen
Professors Verurteilung in dessen
und ihr die letzten Momente nicht
Wohnung Ausdruck. Dieser Dialogder
trüben lassen will durch das Er¬
beiden Männer hebt das Stück für
scheinen des Geistlichen mit seiner
einen kurzen, aber bedeutungsvollen
Mahnung zur Regelung des sündig
Augenblick in eine reinere Atmo¬
beschwerten Seelenkontos mit dem
sphäre empor; hier stehen sich end¬
strafenden oder — im Bußfall — ver¬
lich zwei Weltanschauungen sauber
gebenden Gotte — daraus wird ihm
gegenüber, und weil Bernhardi und
ein Strick gedreht von Solchen, die aus
der Geistliche homines bonde volun¬
allem und jedem nur Kapital schlagen
tatis sind, können sie sich zum
für ihre selbstischen Interessen, seien
Schluss, der Kluft vergessend, welche
es nun Interessen der persönlichen
die beiden Ansichten einfürallemal
InKt-abethinum, der Klinik des Professors Bernhardi,
legl Aarmes Ding im Sterben. Im letzten Augenblick
gerät die Kranke in den Zustand der „Euphorie“ in
jene traumhafte Ilusion der Rettung und des Glücks, den
die Natur mitunter in gnädiger Lanne der Vernichtung
unmittelbar vorangehen läßt. Da tritt, von der über¬
cifrigen Krankenschwester herangeholt, ein Priester ein,
der Todgeweihten die Sterbesakramente zu reichen. Der
Arzi bittet in, davon abzustehen, die Unglückliche nicht
durch sein Erscheinen aus ihrem kurzen holden Wahn
zu reißen. Es gibt einen raschen Wortwechsel. Der
Pfarrer bestcht auf seinem Recht. Professor Bernhardi
verbietet es ihm. Inzwischen hat die übereilige Kran¬
kenschwester die Ankunft des Priesters gemeldet und da¬
mit die Kranke aus ihrem holden Wahn gerissen
und zur tötlichen Verzweiflung gebracht. Der
Assistent tritt ein: es ist vorbei. Die Kranke ist ohne
die Tröstungen der katholischen Religion dahingegangen.
Mit diesem Kampf der ärztlichen Erkenntnis und rein
menschlichen Empfindens gegen die Satzungen der ka¬
tholischen Religion leitet Schnitzler seine „Komödie“
ein. 4 Akte folgen. Der Kampf zicht immer größere Kreise.
Die klerikale Partei ereifert sich für ihren Pfarrer, die
günstige Gelegenheit benützend, gegen den ohnehin ver¬
haßten Juden Bernhardi Stimmung zu machen. Vonallen
Seiten wird gegen Bernhardi gewühlt; eine Untersuchung
eingeleitet, die ganze Angelegenheit sogar ins Parla¬
ment geschleppt. Wider Willen Bernhardis wird sie ins
Allgemeine, vor allem ins Politische gezogen. Aus einer
ärztlichen Pflichtfrage wird eine Machtfrage der Parteien.
Für das Vorgehen Bernhardis wird das schöne Wort „Re¬
ligionsstörung“ geprägt und Bernhardi verurteilt, wobei
falsche Zeugen eine bedeutsame Rolle spielen. So wird
aus einem ursprünglich privaten, kleinen, aber tiefernst
genommenen Anlaß eine öffentliche, laute Komödic.
Daß darin eine beißende Satire liegt, daß Schnitzler
mit einzelnen Figuren, wie mit dem Gang der Hand¬
lung selbst eine scharfe Spitze gegen die österreichische
Regierung richte, war von vorneherein klar und die
Zensur hat denn auch mit einem bestimmten Veto geant¬
wortet. Trotz verzweifelter Versuche, das Stück, das
ursprünglich für das Burgtheater, später für das Volks¬
theater bestimmt war, wenigstens zu Vorstellungen in
geschlossener Gesellschaft freizukriegen, blieb „Profes¬
sor Bernhardi“ in der österreichisch-ungarischen Mo¬
narchie nur den Theatern Ungarns vorbehalten: wer diese
typisch wienerische Komödie sehen wollte, mußte sich
dazu bequemen, nach Budapest oder wenigstens nach
dem nahen Preßburg zu reisen, wo das vielumstrittene
Stück einen starken und nachhaltigen Erfolg errang. In¬
zwischen war es längst über die nördliche Grenze ge¬
wandert: Das „Kleine Theater“ in Berlin konnte bereits
im Januar die 50. Aufführung ankündigen.
N
#0 THEATER UND KONZERT es
Matr L. 00
ZÜRCHERTHEATER. Die Schau¬
Ambition oder der Partei oder der ##
spielsaison des Stadttheaters brachte
Rasse. So gerät die Weigerung Bern¬
gleich zu Beginn eine Premiere, die
hardis dem katholischen Pfarrergegen¬
sich des lebhaftesten Erfolges zu
über sofort in den unreinen Dunst¬
erfreuen hatte: Arthur Schnitzlers
kreis persönlicher Streberei und
wüstester Parteipolitik. Alles was mit
Komödie Professor Bern
auf der Schauspiefbeffffed Antisemitismus Geschäfte macht,
zur Aufführung gebracht. Gegen Ende
gerät in Aktion. Und so kommt es
des letzten Jahres war das Stück in
schließlich zur Verurteilung Bernhar¬
Berlin — bei Barnowsky im Kleinen
dis wegen Religionsstörung: der Pro¬
Theater
fessor muss zwei Monste sitzen. Der
— aus der Taufe gehoben
worden. Für Österreich hat die Zen¬
Umschlag tritt dann während seiner
sur dem Werk den Zutritt zur Bühne
Gefängnisstrafe ein, und der fünfte
versperrt. Ob sich Schnitzler im Ernst
Akt der Komödie entlässt uns mit#
über dieses Verbot verwundert hat?
der Aussicht, dass nunmehr mit dem
Seine Komödie beleuchtet öster¬
Märtyrer Bernhardi der gleiche po¬
reichische Verhältnisse mit einer
litische Handel von seiten der Frei¬
solchen Schärfe, dass ein Zensor
gesinnten wird getrieben wverden wie
schon ein sehr vorurteilsloser Mann
vorher mit dem Freigeist und Juden
Bernhardi von seiten der Reaktion.
sein müsste, wenn er nur das Künst¬
Nur einer der Gegner Bernhardis#
lerische des Stückes zur Richtschnur
seines Urteils gemacht und der Ko¬
und das ist die blutigste Satire
mödie seine Sanktion erteilt hätte.
der ganzen Komödie — benimmt sich
Schnitzler war es in seinem Professor
anständig: der katholische Pfarrer.
Bernhardi nicht sowohl um eine Ver¬
Er hat es über sich gewonnen, vor
teidigung des Rechtes der Wissenschaft
Gericht dem Professor das Zeugnis
gegenüber den Forderungen der Re¬
zu geben, nach seiner, des Pfarrers
ligion, beziehungsweise der Kirche
Uberzeugung habe Bernhardi bei
zu tun, als darum, zu zeigen, wie
seinem Verhalten im Spital keines¬
sich aus einem an sich recht belang¬
wegs einen Akt der Feindseligkeit
losen Vorkommnis in einem Privat¬
gegen die Kirche begehen wollen
spital ein „Fall“ entwickelt. Daraus,
Ja, der Geistliche geht noch weiter
dass Professor Bernhardi eine Ster¬
er gibt dieser seiner Überzeugung
bende, die über ihren Zustand sich
auch noch persönlich Bernhardi gegen¬
dem glücklichsten Optimismus hin¬
über bei einem Besuch nach des
gibt, in ihrem Wahnglauben belassen
Professors Verurteilung in dessen
und ihr die letzten Momente nicht
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beiden Männer hebt das Stück für
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einen kurzen, aber bedeutungsvollen
Mahnung zur Regelung des sündig
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sphäre empor; hier stehen sich end¬
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lich zwei Weltanschauungen sauber
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ein Strick gedreht von Solchen, die aus
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allem und jedem nur Kapital schlagen
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für ihre selbstischen Interessen, seien
Schluss, der Kluft vergessend, welche
es nun Interessen der persönlichen
die beiden Ansichten einfürallemal