II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 358

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25. Professerernhandi
B
dem Sterbebett. Die Aerzte wissen, daß es hier keine Hoff-naten Gefängnis verurteilt, obwohl der Geistliche selbst nicht
nuna mehr gibt, die Kranke selbst aber ist in einem Zustand ungünstig für ihn aussagt und ihm hinterher in einem Pri¬
von Euphorie, wie es die Aerzte nennen, voller Hoffnung
vatgespräch sogar zugesteht, daß er als Arzt vollständig
auf baldige Wiedergenesung. Da tritt, von einer Pflege¬
pflichtgemäß gehandelt habe. Vor Gericht habe er, der
schwester gerufen, der Geistliche mit den Sterbesakramenten
Priester, dieser Ueberzeugung allerdings nicht Ausdruck
ins Vorzimmer. Professor Bernhardi will der Kranken die
geben können, da es für ihn als Diener der Kirche eben
Todesangst, die das Erscheinen des Priesters zur Folge haben
noch höhere und heiligere Rücksichten gebe. Diese private
würde, ersparen und bittet daher den Geistlichen, von seinem
Auseinandersetzung zwischen dem Geistlichen und dem Pro¬
Vorhaben abzustehen. Während Arzt und Priester noch
fessor bildet wohl den Höhepunkt in den Kontroversen des
süber ihre Rechte und Pflichten unterhandeln, und Professor
Stücks. Weltanschauung und Weltanschauung stehen sich
Bernhardi, sich auf sein Hausrecht und seine ärztliche Macht¬
hier gegenüber und begegnen sich zum Schluß über den Ab¬
vollkommenheit berufend, dem Priester nochmals entschieden
grund hin, der sie für ewig trennt, in einem kurzen Hände¬
das Eindringen ins Krankenzimmer verwehrt, meldet der
druck der gegenseitigen Mannesachtung. So erscheint Re¬
Assistenzart den inzwischen eingetretenen Tod des Mädchens,
signation als der Weisheit letzter Schluß. Im weiteren
sodaß der Geistliche sich unverrichteter Dinge zurückziehen
nimmt Professor Bernhardi alles mit der größten Gelassen¬
muß. Für den Professor Bernhardi aber hat die Angelegen¬
heit hin. Er verzichtet auf jedes Rechtsmittel, sitzt seine
heit üble Folgen. Der klerikalen Partei ist der Fall ein
zwei Monate ab und will auch von Begnadigung nichts
willkommener Anlaß, dem Juden und „Freigeist“ Bernhardi
wissen. Er hat gehandelt wie er handeln mußte; jetzt will er
ur.)
etwas am Zeug zu flicken. Ihr Einfluß erstreckt sich bis ins
nur noch seine Ruhe haben. Sogar seine Rehabilitation, auf
er Merkur
Professorenkollegium der Anstalt, das zur Hälfte für, zur
die sich am Schluß des Stücks ein Ausblick eröffnet, ist ihm
Hälfte wider Bernhardi ist. Die hochadelige und sehr fromme
gleichaültig. Der Herr Kultusminister nennt ihn dafür einen
tgart
Patronesse der Anstalt zieht sich zurück und die hohen Herren
Tragikomiker des Eigensinns“. Und ein in seiner skep¬
des Kuratoriums legen ihre Aemter nieder. Bernhardi selbst
tischen Resignation schon bis zu einer Art von Anarchis¬
sieht sich gar von einer Anklage wegen Religionsstörung be¬
mus gediehener Ministerialrat nennt ihn zum Schluß sogar
droht. Er könnte nun den Kopf aus der Schlinge ziehen, wenn
freundschaftlich ein „Viech“. Ueber dieser Apotheose fällt der
Vorhang.
er sich zu gewissen Kompromissen und Erklärungen ent¬
schließen möchte. Zu einer Erklärung ist er schon halb
Der große Reiz der Schnitzler'schen Komödie besteht in den
Haus.
und halb bereit, da wird ihm von den Klerikalen hinsichtlich
geistreichen und fesselnden Kontroversen. Sie glossieren in
der Besetzung einer der Assistentenstellen an der Anstalt
einer wundervollen Weise alle möglichen Zustände und Strö¬
sor Bernhardi.“
eine Zumutung gestellt, die er zurückweisen muß. Und so ist
mungen im politischen und sozialen Leben der schönen Donau¬
es einigermaßen be¬
er entschlossen, den Kampf aufzunehmen als eine Art Recht¬
monarchie. Die verschiedensten politischen und unpolitischen
streich an Arthur
lichkeitsfanatiker, der jedem Menschen die Wahrheit ins
Standpunkte urd Prinzipien, moralische Begriffe wie Wahr¬
sernhardi“ keine Gesicht sagen muß, sogar dem Herrn Kultusminister, der
heitsliebe und Ueberzeugungstreue: die Politik der höheren
aß sie sogar das Auf-seinst sein Jugendfreund war und der ihn aus politischen
Gesichtspunkte, Antisemitismus und Zionismus und noch
gten. Schnitzler hält Zweckmäßigkeitsgründen schonen möchte, den er aber in sei¬
viele andere schöne Dinge und Begriffe werden in interessan¬
ant den Spiegel vor,
nem Wahrheitsfanatismus in recht unangenehmer Weise an
tem Wechsel beleuchtet. Schnitzler bedient sich dazu einer sehr
blitische Kreise in einer
gewisse Jugendsünden erinnert. Wie dann die Angelegen= umfänglichen Reihe von Typen und Charakteren, die zum
ffenen unmöglich ange- heit Gegenstand einer klerikalen Interpellation im Parla= überwiegenden Teil ganz vortrefflich gezeichnet sind. Hier
esselnden Stücks, das ment wird, läßt ihn der Minister trotz der schönsten Ver¬
zeigt sich Schnitzler in seiner ganzen Stärke. Die Handlung
dieser Stelle anläßlich
sprechungen aus Gründen der höheren Politik fallen. Um
wird übrigens ausschließlich mit Männerrollen bestritten,
führlich berichtet wor¬
die Anstalt nicht zu schädigen, legt Prof. Bernhardi seinen
wenn man von der gerinafügigen Rolle der Pflegeschwester
öffentlichen Mitteln
Direktorposten nieder. Vor Gericht wird er weoen Religions¬
absieht. Mit der dramatischen Technik und Oekonomie ist es
junge Sünderin auf terbrechens auf Grund verlogener Zeugenaussagen zu 2 Mo= nicht durchweg zum besten bestellt. Dramatisch sehr wirksam