II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 404

hat in New York auch aus dem Grunde einen schweren Stand,
weil er ein großes Ensemble mit sich führen muß — er muß
für alle Fälle, Krankheit der Mitglieder, Kontraktbrüche und der¬
gleichen, gewappnet sein, denn er kann natürlich keinen Ersatz
schaffen, es gibt keinen Schauspielermarkt wie hier, man ist wie
auf einer einsamen Insel.
Der deutsche Theaterdirektor hätte es drüben auch dann
etwas leichter, wenn die deutschen Dichter und die deutschen
Verleger endlich einsehen wollten, daß die Aufführung ihrer
Stücke in deutscher Sprache die englischen Aufführungen durchaus
nicht schädigt, sondern ihnen nur nützt. Die englischen Bühnen¬
leiter sind glücklich, wenn sie die Stücke, die sie aufführen wollen,
zunächst auf der deutschen Bühne sehen, wenn sie auf solche Art!
zu beurteilen vermögen, was sich aus dem Stücke auf der Szene
machen läßt.
Gegenwärtig machen die englischen Theaterdirektoren folgen¬
des: Zum Beispiel zahlt Herr Schuberts, einer der größten
unter ihnen, eine Kaution von 5000 Mark dafür, daß er „Hans
Sonnenstößers Höllenfahrt" von Apel oder „Nur ein Traum“
von Lothar Schmidt innerhalb drei Jahren aufführen wird. Dann::
paßt es Schuberts aus irgendwelchen Gründen nicht, die Stücke
zu spielen. Er hat ja seinen Zweck erreicht, wenn er der Kon¬
kurrenz einen guten Braten wegschnappt, er läßt die Kaution,
eine wahre Kleinigkeit für den Millionär, der hundert englische
Theater hat, verfallen, und der Autor hat außer den 5000 Mark
das Nachsehen, denn nach drei Jahren ist das Stück für amerika¬
nische Begriffe veraltet. Hat aber eine deutsche Aufführung einen
anständigen Erfolg, dann ist es sicher, daß sich Schuberts oder
Vellasco 2c. das Stück zu ganz anderen Bedingungen — unter
anderem mit einer Aufführungsverpflichtung
sichern.
Dazu kommt noch, daß das deutsche Theater in New=York
der englischen Bühne keine wirksame Konkurrenz machen
kann. Denn die fünfzigmalige Aufführung eines Stückes in
deutscher Sprache ist etwas Ungewöhnliches. Ich hatte in dieser
Saison einen ganz großen Treffer gezogen: „Kasernenluft“ von
Stein und Söhnge, ein Militärdrama, das in der Mannschaft
spielt, ein sozusagen mit dem Hammer zurechtgemachtes Stück, aber
keineswegs ein ordinärer Reißer, denn die Schilderung des Milieus
ist glänzend. Das ist etwa sechzigmal gegangen. Gute Erfolge
hatte ich noch mit Goethes „Faust“, dann mit Bernard Shaws
„Pygmalion“, mit Ibsens „Stützen der Gesellschaft“, und nächst
„Kasernenluft“ zog am meisten Artur Schnitzlers „Pro¬
ssor Bernhardi“. Schnitzler stelle ich übrigens unter
den zeitgenössischen Dichtern am höchsten; ich bin auch ein Ver¬
ehrer von Hermann Bahr, dessen Stücke immer amüsant sind.
Unter den deutschen Dichtern ist in Amerika keiner so populär
wie Bahr, sein „Konzert“, hatte einen kolossalen Ersolg auf der
englischen Bühne, es füllt gegenwärtig noch überall die Häuser.
Ich bringe in der nächsten Saison von Bahr das „Phantom“
und den „Krampus“ Eröffnen werde ich die Herbstsaison, die am à
letzten September anfängt und am 1. Mai endet, mit Shake=
speares „Verlorener Liebesmüh“, darauf folgt die Wallenstein¬
Trilogie, wozu mir jetzt der bekannte Maler Ernst Stern,
Max Reinhardts Ausstattungschef, die Dekorationsskizzen entwirft, ##
dann kommt Vollmöllers „Turandot“ Hebbels „Gyges und sein:
Ring", „Julius Cäsar“, „Egmont“ 2c. 2c.
Als Nieten erweisen sich auf der deutschen Bühne
Schwänke sowohl wie Possen und Operetten — Operetten des!
halb, weil die Amerikaner in der Operette an eine ungeheure!s
Pracht der Ausstattung gewöhnt sind. Wenn ein englischer Theater¬
direktor eine Operette herausbringt, gibt er 30.000 oder auch v
40.000 Dollar für die Ausstattung aus — davon wird nicht
viel Aufhebens gemacht. Dagegen fehlt es der englischen Bühne“
an einem großzügigen Regisseur, an einem, der die äußere Oracht
verinnerlicht, vergeistigt. Ein Reinhardt täte den Engländern
not. Wenn Reinhardt mit seiner eigener Truppe hinüberkäme, so
würde er nach meiner Ueberzeugung ungemein gefeiert werden,
aber nicht wegen seiner Ausstattungskünste (darin sind die Ameri¬
kaner großartiger), sondern wegen der Gesamtwirkung seines
Eusembles.
Ob ich noch manchmal an Wien denke? Ganz gewiß tu
ich das! Die drei Jahre, die ich unter dem lieben, guten Bukovics
gemeinsam mit der Odilon, der Retty, Tyrolt und Giampietro am
Deutschen Volkstheater zugebracht habe, sind die schönsten meines
Lebens geblieben. Kein Abschied ist mir je schwerer gefallen als
der von Wien, und ich wäre ewig in Wien geblieben, wenn ich
mich nicht vor Wien ans Königliche Schauspielhaus in Berlin
gebunden hätte. Ich habe damals den Kaiser Wilhelm inständig
gebeten, mich von den Vertragspflichten zu entbinden, der Kaiser
gab mich nicht frei. Das tut mir heute noch leid, obwohl es mir
in New=Hork sehr gefällt. Am Volkstheater ist dann der ausge¬
zeichnete Kramer mein Nachfolger geworden.“