II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 408

25 Professor Bernbandi
om:
s#iter Zeitung
Aus dem Vortragssaale.
Vorlesung & Professor Bernhardi“.
Wie bereits mitgeteilt, veranstaltet der Tep¬
litz=Schönallgr Leseklub Samstag, den
28. März, 8 Uhr abends, im Kaiserbadsaale eine
Vorlesung voy Schnitzlers „Professor Bernhardi“:
die Komödie wird von Herrn Oswald Egerer,
Mitglied des hiesigen Stadttheaters, gelesen. Die
Komödie wurde von der österreichschen Zensur hart¬
näckig verfolgt und, wie bekannt, eine öffentliche Auf¬
führung derselben nicht gestattet; gleichwohl hat sich
der Dichter bisher nicht dazu bewegen lassen, der
Zensur zuliebe sein Stück umzuformen. Schnitzler
behandelt mit großer Kühnheit ein heikles Problem:
Der Mann der Wissenschaft tritt dem Priester ent¬
gegen; der Arzt verhindert den Priester, an das
Lager einer Sterbenden zu treten, weil er befürchtet,
das sanfte Entschlafen derselben könnte durch die
kirchliche Zeremonie gestört werden. Der Arzt, Pro¬
fessor Bernhardi, wird wegen Religionsstörung an¬
geklagt und verurteilt. Die Art, wie sich der Mann
der Kirche und der Mann der Wissenschaft auseinan¬
dersetzen, weiter die treffliche Satire auf die spezifisch
österreichischen, politischen Zustände und Universitäts¬
verhältnisse, sind mit geistsprühenzer Lebendigkeit
wiedergegeben. Die Vorlesung bgfegnet in hiesigen
literarischen Kreisen dem lebhgftesten Interesse, so
daß ein außerordentlich zahlrgscher Besuch der Vor¬
lesung zu erwarten stcht.
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Ausschnitt aus:
644
31.MRZ1914
ize
vom:

Aus dem Vortragssaale.
(„Professor Bernhardi“ von Arthur Schnitzler
Der Teplitz=Schönauer Leseklub, der auf
literarischem Gebiete schon manche wertvolle Anre¬
egung vermittelte, veranstaltete Samstag abend eine
Vorlesung von Schnitzlers vielbesprochenen Bühnen¬
werke, dem durch die einschränkenden Maßnahmen
der Behörde das volle Leben der Bühne versagt ist.
Man könnte dieses Drama als eine mit einer ge¬
wissen Absicht geschaffene Tragödie des jüdischen
Wiener Gelehrtentums bezeichnen. Zweifellos sind
Licht und Schatten etwas ungleich verteilt. Die
Stellungnahme Bernhardis gegen den Staatsanti¬
semitismus ist in ihren Folgen zum Teile lebens¬
wahr getroffen, trotzdem aber, weil Schnitzlers her¬
vorragende Schaffenskraft schon weit überragendere
Werke schuf, ist das Stück, ähnlich wie Hauptmanns
Jahrhundertspiel, mehr wegen seiner Ablehnung durch
die hohe Zensur popularisiert worden, als daß ihm
eigene Kraft zum vollen Erfolge verhalf. Herr Os¬
wald Egerer, Mitglied unseres Stadttheaters, der
„krden Abend seine ganze Kraft eingesetzt hatte, ver¬
stand es ausgezeichnet, das Werk in seinen drama¬
tischen Abstufungen zu vermitteln. Sein haarscharf
nuanzierendes Organ, das ihm besonders bei der
interpretation epigrammatisch kurzer Wechselreden
statten kommt, holte alle die feinen, wirksamen
Stellen hervor, deren das Stück keineswegs entbehrt.
Der Abend war ausnehmend gut besucht, das In¬
teresse für den Fünfakter Schnitzlers, über dessey
Karatgehalt an literarischem Wert die Ansichten ge¬
E. S
wiß varjieren, war ungemein stark.
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40t chne GeWE.
nieche Veitung Meulily. O-Knat
Ausschnitt aus: Malsese-achuugr Tephie Tenchau
vom:
Bei1514
7= Vorlesung „Prosesfor Bruhägdi“. Am „letzten
Lamstag las Herr Oswald Egerdr, Mitglied un¬
(seres Stadttheaters als Gast des Teplitz=Schönauer Lese¬
klubs SchnihlersLomödie „Professor Bernhardi“. Das
Verdienst, das sich der Leseklub dadurch erworben hat.
daß er unserem Publikum die Kenntuis der durch Zen¬
surverbot der Bühnenaufführung entzogenen Komödie
vermittelte, wird jeder Literaturfreund voll zu würdigen
wissen. Das Werk, dessen wesentlichster Inhalt an dieser
Stelle bereits mitgeteilt wurde, ist für Schnitzlerfreunde
deswegen interessant, weil es das Schaffen des Autors
in einer bisher fremden Materie zeigt; denn nicht wie
sonst sind weiche Lyrik und psychologische Feinheiten die
Seele der Dichtung, sondern eine politische Tendenz. Der
Autor greift mitten in die Alltagspolitik, die er allerdings
zum Kampf der Weltanschauungen erhebt; er zeigt
weiters, wie sehr auch das akademische Leben von der
Politik versumpft wird, sodaß schließlich auch dem Mann,
der den Kampf aufgenommen hat, ohne seinen Umfang
vorausgeahnt zu haben, die Sache zum Ekel wird, wes¬
halb er die Flucht vor allen politischem Getriebe ergreift.
Herr Egerer wußte die Schwierigkeiten, welche die
Vorlesung eines dramatischen Werkes bietet, wenn sie
nicht (müden soll, leicht zu überwinden. In der rich¬
tigen Erkenntnis, daß es vergebliche Mühe wäre, alle
Personen des Stückens nüanzieren zu wollen. beschränkte
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er sich darauf, gedanken= und ausdrucksvoll zu lesen und
hatte den Erfolg, beim Publikum gespannte Aufmerksam¬
keit und volles Verständnis zu finden. Die Zuhörerschaft
hatte sich äußerst zahlreich eingefunden; insbesondere
waren auch aus den Nachbarstädten viele Literatun
freunde der Einladung des Leseklubs gefolgt.
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