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25 PrfEnhandi
S
nen wir dieses Nicht=ernst=nehmen des Stückes und seines
Helden nicht schon vom ersten Akt an tun? Oder besser
noch früher? Das Gescheiteste wäre das; denn wir
könnten es uns dann ersparen, uns die Komödie anzu¬
sehen .....
Gespielt wird sie jetzt (mit wenigen Aus¬
Ausschnitt aus Münchner Zeitung
nahmen) fist noch flotter wie früher. Herr Gerdes ist
ein Profes c Bernhardi, den man sich kaum besser denken
vom:7
München
kann und anders wünschen möchte. Herr Weigert gibt
die heikle Rolle des Pfarrers mit rühmenswertem Takt,
nur vielleicht um eine Kleinigkeit zu theatralisch. Herr
R. B. [Schauspielhaus.] Man kann Artur Schl
Günther hat uns den Unterrichtsminister schon vor
„Drs Komodie „Professor Bernhardi“ nicht ge¬
drei Jahren zu Dank gespielt. An alter Stelle stehen
rade eine politische Komödie nennen; denn der eigentliche
ferner der ausgezeichnete Ebenwald des Herrn Eßlair,
Konflikt des Stückes liegt auf ethischem Gebiet, oder sagen
der jugendlich=feurige Pflugfelder des Herrn Peppler
wir es rund heraus: es handelt sich hier letzten Endes
um das Recht auf Menschlichkeit. Aber da religiöse Mo¬
und noch viele andere, z. B. die Herren Burghardt.
Heller, Siegfried Raabe, Seger usw. Der Schlei¬
mente dabei eine entscheidende Rolle spielen und der
cher Filitz war eine „gemähte Wiese“ für Herrn Weyd¬
Schauplatz der ganzen Geschichte Wien, also Oesterreich,
ner. Der Hofrat des vom Gärtnertheater freundlichst ge¬
(das zerrissene Oesterreich vor dem Kriege) ist, so wird
die Komödie von selbst zu einer politischen. Und es frägt
liehenen Herrn Wonger dagegen war recht farblos;
sich deshalb, ob es besonders richtig war dieses Stück mit
man durfte da wirklich nicht an den seligen Herrn Ran¬
seinen Debatten über Antisemitismus und christlich¬
dolf denken. Natürlich fand die Aufführung wieder vielen
soziale Weltenschauung, über christliche und andere Stand¬
Beifall; unn das Publikum wird sich hoffentlich durch
punkte und über hundert Dinge, die wir im Wirbel der
meine ziemlich negative Meinung über das Stück nur erst
Gegenwart für einige Zeit wenigstens untergegangen
recht veranlaßt fühlen, die drei Stunden abzusitzen. Das
„meinten, gerade jetzt wieder neu einzustudieren. Aber ist es sich doch schuldig.
schließlich ist das ebenso Sache des Taktes, wie die Hand¬
lungsweise Professor Bernhardis, und bekanntlich läßt
sich über solche Dinge nicht streiten, zum mindesten nicht
mit einiger Aussicht auf Erfolg. Doch auch abgesehen von
all dem: man kann dieses Stück, das an dem Schnitzler¬
schen Erbfehler des Redens ohne Ende in manchmal fast
veinlicher Weise krankt, auch dann für nicht übermäßig
unterhaltend ansehen, wenn man die Vorzüge des klugen
und witzigen Dialogs und die Wirksamkeit einiger dra¬
matischer „Kniffe“ ohne weiteres und bewundernd an¬
erkennt. Vielleicht leidet dieses Stück daran, daß alles
zu sehr bis ans letzte Ende und weiter noch, bis in sein
Gegenteil, durchdacht ist. Wer zu viel gibt, gibt unter
Umständen gar nichts oder zu wenig, und wenn Schnitzler
sich am Schluß über seinen Bernhardi, diesen Märtyrer
des Eigensinns, selbst lustig macht, so hat er — zum ersten
Male in diesen fünf langen Akten! — vollkommen recht.
Sollen wir also päpstlicher sein als der Vaust! Und kön¬
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Be
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25 PrfEnhandi
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nen wir dieses Nicht=ernst=nehmen des Stückes und seines
Helden nicht schon vom ersten Akt an tun? Oder besser
noch früher? Das Gescheiteste wäre das; denn wir
könnten es uns dann ersparen, uns die Komödie anzu¬
sehen .....
Gespielt wird sie jetzt (mit wenigen Aus¬
Ausschnitt aus Münchner Zeitung
nahmen) fist noch flotter wie früher. Herr Gerdes ist
ein Profes c Bernhardi, den man sich kaum besser denken
vom:7
München
kann und anders wünschen möchte. Herr Weigert gibt
die heikle Rolle des Pfarrers mit rühmenswertem Takt,
nur vielleicht um eine Kleinigkeit zu theatralisch. Herr
R. B. [Schauspielhaus.] Man kann Artur Schl
Günther hat uns den Unterrichtsminister schon vor
„Drs Komodie „Professor Bernhardi“ nicht ge¬
drei Jahren zu Dank gespielt. An alter Stelle stehen
rade eine politische Komödie nennen; denn der eigentliche
ferner der ausgezeichnete Ebenwald des Herrn Eßlair,
Konflikt des Stückes liegt auf ethischem Gebiet, oder sagen
der jugendlich=feurige Pflugfelder des Herrn Peppler
wir es rund heraus: es handelt sich hier letzten Endes
um das Recht auf Menschlichkeit. Aber da religiöse Mo¬
und noch viele andere, z. B. die Herren Burghardt.
Heller, Siegfried Raabe, Seger usw. Der Schlei¬
mente dabei eine entscheidende Rolle spielen und der
cher Filitz war eine „gemähte Wiese“ für Herrn Weyd¬
Schauplatz der ganzen Geschichte Wien, also Oesterreich,
ner. Der Hofrat des vom Gärtnertheater freundlichst ge¬
(das zerrissene Oesterreich vor dem Kriege) ist, so wird
die Komödie von selbst zu einer politischen. Und es frägt
liehenen Herrn Wonger dagegen war recht farblos;
sich deshalb, ob es besonders richtig war dieses Stück mit
man durfte da wirklich nicht an den seligen Herrn Ran¬
seinen Debatten über Antisemitismus und christlich¬
dolf denken. Natürlich fand die Aufführung wieder vielen
soziale Weltenschauung, über christliche und andere Stand¬
Beifall; unn das Publikum wird sich hoffentlich durch
punkte und über hundert Dinge, die wir im Wirbel der
meine ziemlich negative Meinung über das Stück nur erst
Gegenwart für einige Zeit wenigstens untergegangen
recht veranlaßt fühlen, die drei Stunden abzusitzen. Das
„meinten, gerade jetzt wieder neu einzustudieren. Aber ist es sich doch schuldig.
schließlich ist das ebenso Sache des Taktes, wie die Hand¬
lungsweise Professor Bernhardis, und bekanntlich läßt
sich über solche Dinge nicht streiten, zum mindesten nicht
mit einiger Aussicht auf Erfolg. Doch auch abgesehen von
all dem: man kann dieses Stück, das an dem Schnitzler¬
schen Erbfehler des Redens ohne Ende in manchmal fast
veinlicher Weise krankt, auch dann für nicht übermäßig
unterhaltend ansehen, wenn man die Vorzüge des klugen
und witzigen Dialogs und die Wirksamkeit einiger dra¬
matischer „Kniffe“ ohne weiteres und bewundernd an¬
erkennt. Vielleicht leidet dieses Stück daran, daß alles
zu sehr bis ans letzte Ende und weiter noch, bis in sein
Gegenteil, durchdacht ist. Wer zu viel gibt, gibt unter
Umständen gar nichts oder zu wenig, und wenn Schnitzler
sich am Schluß über seinen Bernhardi, diesen Märtyrer
des Eigensinns, selbst lustig macht, so hat er — zum ersten
Male in diesen fünf langen Akten! — vollkommen recht.
Sollen wir also päpstlicher sein als der Vaust! Und kön¬