II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 423

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25 Pfnhandi
Seite 162.0
Allgemen
Bürgerherz erschüttern. Das Publikum ist heute in seinem
Geschmack, in seiner Bildung und in seinen Gesinnungen da
angelangt, wo die Kritik und Dichtung um 1890 stand. Jahr¬
zehntelang haben ihm die Kritiker den Naturalismus ge¬
predigt und jetzt glaubt man ihnen endlich. So ist denn auch
das Geschäft noch rentabel und die Theater führen daher
naturalistische Stücke aller Art auf.
All diese Betrachtungen drängen sich gelegentlich der
fünfzigsten Aufführung von -Schni###ers ärztlicher
Komödie „Professor Bernhardi“ auf, in der wenig
Komödienluft weht, desto mehr Verärgerung des seiner
Meinung nach zurückgesetzten Juden abgelagert ist. Das
Stück ist ganz Tendenz, der Held ein jüdischer Arzt und be¬
deutender Gelehrter, der einem Geistlichen den Zutritt zum
Bett eines Sterbenden verwehrt und daraufhin in einer all¬
gemeinen Hetze gegen ihn zugrunde geht, ins Gefängnis
kommt usw. Selbstverständlich sind alle Juden gut und alle
Christen feige Speichellecker und schlechte Menschen und
ebenso selbstverständlich ist, wie bei einem Tendenzstück zu
erwarten, der Ausgang kläglichster Pessimismus und der
Eindruck tötende Langeweile, über die auch die gute Dar¬
stellung des Schauspielhaus=Ensembles nicht hinweghelfen
konnte. Aber das Stück gefiel dem Publikum sichtlich und
so wird es ja am Ende noch seine hundertste Aufführung
erleben.
Noch bedeutend verstaubter mutet Gerhard Haupt¬
manns Drama „Einsame Menschen“ an. Die
Hauptpersonen: ein unverstandener Gelehrter, ein spie߬
bürgerliches Elternpaar, eine gute dumme Frau, eine ver¬
stehende Studentin; dazu etwas Kampf um monistische Welt¬

anschauung, um Bibelglauben, ein wenig als „Freundschaft“
verkappte Liebesleidenschaft — das mutet alles so fern und
fremd an. Bei Ibsen war es neu, Hauptmann hat es popu¬
larisiert und die Gegenwart hat diese Scheinprobleme in ihrer
Nichtigkeit aufgedeckt. Das mag im wirklichen Leben manch¬
mal traurig, auch für den einzelnen Privatmenschen aufregend
sein — auf der Bühne wirkt es wie Gerede und Lamento;
man mag es begraben und vergessen sein lassen, aber man
soll es nicht immer wieder neu einstudieren, so lange die
lebenden Dramatiker und gute alte Sachen auf Aufführung
warten. Die Darstellung war durchaus lobenswert, be¬
sönders Fräulein Nicoletti schuf eine rührende Käte.
Geradezu erfrischend einfach und unkompliziert war die
Schauspielhaus=Neuheit dieser Woche: „Das Mädchen
aus der Fremde“. Die Autoren Bernstein und
Heller haben bei diesem leichten Stück keinen literarischen
Ehrgeiz befessen, sondern wollten zwei Stunden lang anspruchs¬
los, unterhalten. Und zu ihrem Ruhme ist zu sagen, daß
ihnen das ohne Sentimentalität und ohne allzu handgreif¬
lichen Unsinn gelungen ist. Die Figuren des Lustspiels sind
alte gute Bekannte: ein ganz junger Ehemann, der durch
das Wiedersehen mit einer früheren Geliebten in Nöte gerät,
ein gutmütig=dummer Freund, eine fesche exotische Geliebte,
ein gutes junges Frauchen usw. Alle Szenen sind wohl¬
bekannt und auf Situationskomik gebaut; aber das Stück hat
einen flotten Zug, man amüsiert sich, lacht über die pein¬
lichen Nöte des jungen Ehemanns, freut sich über die
schicken Kostüme der Damen und ehe man sichs versieht, sind
die zwei Stunden Spieldauer vergangen. Die Darstellung
war frisch: Herr Günther spielte sehr hübsch den Ehemann
in Nöten, Frl. Schwarz die zierliche junge Frau, Herr Bode
den Freund mit diskretem Humor. Die sesche Liebschaft war
ein Gast aus Wien, Fräulein Paula Dürr, die mit viel
Temperament und Geschmack das Exotische der Rolle heraus¬
brachte. Die Damen Leonardi und Selbing und Herr Burg¬
hardt vervollständigten das Zusammenspiel recht gut. Der
sekttrinkende Pikkolo von Ziegler war reizend.
Dr. W. M.
Theater am Gärtnerplatz.
Drei arme Teufel.
Die Musik Karl Weinbergers ist sorgfältig gear¬
beitet, orchestral treten hübsche Einzelheiten, so bei den bevor¬