S
25 PRernhandi
Neues 8 Uhr Bist,
21017 10
Wien.
Theater.
Die heutigen Premieren.
Der heutige Thegtertag stehtim Lasen der
Zensurfreiheit. Im Deutschen Völks¬
theater gelangt das aus der Buchausgabe be¬
kannte Aerztestück Artur Schnitzlers „Pro¬
[fessor Bernhardi“ zur ersten Aufführung.
Eine engherzige und kleinlich denkende Zensur¬
behörde verhinderte bis jetzt, aus religiösen
Gründen, die dramatische Wiedergabe dieses
interessanten Werkes.
——
de
2EZung
X0
reler-Kebung, Wen
Trutsches Volkstheater. Die Trag'#des Prosessord
Bernhardi, nach denk eine Ksmödie Arthur Schnißlers
den Namen hat, cult iit denet Wiper pench zwistken der Bürch“
die jüdische Hertunft bebiygten Natur und Stellung des Helden:
zu der Aufgabe, die ihm auferlegt scheint: die Sorge um das
ihm ansectraute Menschenleben auch gegen ein fremdes
teligiö'es Gebpt zu behaupten. Er hut einem Priester den
Zutritt zu einem Sterbenden verwehrt, in einem Falle, wo
illes Recht, ärnlich gesehen, auf Seite des Arztes war: doch
daß ein Jude dieses Prinzin sollte vertreten dürfen, schafft den
Konflikt, der nur deshalb in eine Komödie ausläuft, weit
schließsich nichts prinzipienfest bleibt — wir sind in Oesterreich.
in Wien. Auch Bernhardi selber wird das eine Prinzin los.
indem er sich auf eine umfassendere, auf seine ürztliche Tätig¬
keit zum Heile der Menschheit zurückzieht; er will keir
sämpfer, kein Held, sondern nur ein Aret sein, ein Arzt
freilich, der immer in allem auch den Mann behauptet.
Es gibt viel kluge und seine Bemerkungen und wirkungs¬
volle Stenen in dieser Komödie; aber auch ein Behngen
im jüdischen Schmerz des Nichtvollgenommenwerdens, ein
Schmerz, der durch leise Selbstirenie noch verstärkt wird. Die
Darstellung zog namentlich in den Cbargen das Stück um
einen Grad tiefer ins Jüdische, als noswendig oder vom
Dichter beabsichtigt war; besonders Herr Forest übertrieb
maßlos, ohne rechten Erfolg. Aus dem Journalisten Kulka
dem Embryo des prächtigen, emporgediehenen Fink=Flieder¬
busch, wäre mehr Wirkung zu ziehen gewesen, als Herr Stein
vermochte, aus dem Bezirtsarzt Feuermann mehr, als Heri
Golthaber zustande brachte. Nun aber gilt es, der Vor¬
stellung auch vieles Lob zu spenden, vor allem Herrn Onno,
der als Priester so gekammelt und gefaßt war wie nur selten.
Direktor Vernau in der Titelrolle schuf eine glaubwürdige
Gestalt; die Herren Homma, Göß, Kutschera, Fürth
und wenigstens in der Maske auch Herr Elfeld ergänzten,
das Kollegium der Menschlichkeiten. Die ö#terreichische Büro¬
kratte kann in Herrn Klitsch und in Herin Edthofer
zwei ihrer Grundtynen anschauen: die streberische Frivolität
und die stivole Anständigke“: Der Beifall war außerordentlich
groß, der Dichter erschien mehreremal, um auch i Wien den
Erfolg entgegenzunehmen, den die Komödie in Teutschland
D. B.
schon leit Jahren gesunden hat.
box 31/2
SonteraleP.-.
— Weffrreschfache V.R
22012 Uig
Wien.
Theater und Kunst.
Deutsches Volkstheater. Artur Schn
lers aus jahrelangem Zensurarieste befreite
Komödie „Professor Bernhardi“ hat
estern einen geradezu stürmischen Erfolg er¬
rungen. Die angokündigten Protosikundgebungen
blieben #ffenbar den Schreiern im Halse stecken,
denn sie waren gegenüber der überaus warmen
Stimmung des Publikuns ganz und gar nicht auf¬
sgekommen. Das Stück hat alle Vorzuge, aber auch
alle Fehler der Problemdramatik. Die Charaktere
Me
voll, Lele
1 interellant, gemal erschaut, Wrenschen,
016=
100
aus unserer Mitte, aber sie reden sich fast zu Tode.]
Die Bühne ist unbarmherzig, in gewissen Fällen,
erschreckend ungebildet: Für einen Jingerhut
Matevie — genannt Handlung — gibt sie einen
Eimer von Geist — genannt Dialog, Witz, Ironie,
Wahrheit — leichter Hand hin. Die Gefahr für den
Dramatiker Schnitzler — den stärkste
Schönherr
lag in dem Wagnis,
greich zwer Prödiene auf der Bühne austragen zu
wollen. Das eine ist eine Sache der Weltanschauung,
das andere des Charakters. Der Fall Bernhardi ist
natürlich der wichtigere. Ein bedeutender Arzt,
das Muster eines Spitalsdirektors, verwehrt einem
Priester den Zutritt zum Bette einer jungen¬
Kranken, um ihr wenigstens ein glückliches Sterben
zu retten. Denn sie hat keine Ahnung von ihrem
nahen Ende, sie befindet sich im Zustande der
Euphorie, der Glückseligkeit. Das plötzliche Er¬
scheinen des Priesters wurde ihr dieses letzte Glück
rauben. Professor Bernhardi büßt diees sein
Verhalten infolge der gegen ihn eingeleiteten kleri¬
talen Hetze und falscher Zeugenaussagen mit einem
zweimonatigen Arrest wegen — Religionsstörung!
Den Geistlichen trifft keine Schuld an diesem un¬
gerechten Urteil. Er benimmt sich durchaus korrekt.
Wie Schnitzler überhaupt trotz seiner unbedingten
Hingebung für Bemnhardi auch auf der Gegeneeite
nicht alles schwarz malt. Beweis dafür, daß er auch
den Prozeß Bernhardi einer gerichtlichen Revision
unterziehen läßt . . . Das zweite Problem gipfelt in
der Frage, ob ein bedeutender Mann einem be¬
deutenden Ziele zuliebe kleine, der Welt verborgen
gbleibende Schurkereien begehen darf, ein bißchen
Wortbruch dem Freunde gegenüber, ein bißchen
Kriecherei nach oben usw. Der Ethiker Schnitzler
üiberläßt die Beantwortung dieser Frage merk¬
würdigerwere mehr dem Publikum als dem Dichter
Schnitzler. Ueber zwei so merkwürdige Probleme weiß
hin Denker wie Schnitzler leider viel zu viel zu sagen.
Man hatte gestern in den fünf Akten große Stellen
herausgestrichen. Aber trotzdem und trotz der zün¬
senden Wirkung glänzender Worte spürte man
namentlich in den zwei letzten Akten) das Fehlen
alles dramatischen Moments empfindlichst. Die Dar¬
steller suchten über diesen Mangel aufs glücklichste
hinweggutänschen. Sie boten eine der besten Vor¬
stellungen des jüngeren Volkstheaters. Herr
Bernau in der Titelrolle und die Derren Homma,
Goetz, Klitsch, Kutschera, Teubler,
Elfeld, Askonas, Onno, Fürth, besonders
noch Forest und Edthofer in heiteren Charakter=
rollen, wurden mit dem Dichter nach fast allen Akten
oft und oft gerufen.
j. st.
25 PRernhandi
Neues 8 Uhr Bist,
21017 10
Wien.
Theater.
Die heutigen Premieren.
Der heutige Thegtertag stehtim Lasen der
Zensurfreiheit. Im Deutschen Völks¬
theater gelangt das aus der Buchausgabe be¬
kannte Aerztestück Artur Schnitzlers „Pro¬
[fessor Bernhardi“ zur ersten Aufführung.
Eine engherzige und kleinlich denkende Zensur¬
behörde verhinderte bis jetzt, aus religiösen
Gründen, die dramatische Wiedergabe dieses
interessanten Werkes.
——
de
2EZung
X0
reler-Kebung, Wen
Trutsches Volkstheater. Die Trag'#des Prosessord
Bernhardi, nach denk eine Ksmödie Arthur Schnißlers
den Namen hat, cult iit denet Wiper pench zwistken der Bürch“
die jüdische Hertunft bebiygten Natur und Stellung des Helden:
zu der Aufgabe, die ihm auferlegt scheint: die Sorge um das
ihm ansectraute Menschenleben auch gegen ein fremdes
teligiö'es Gebpt zu behaupten. Er hut einem Priester den
Zutritt zu einem Sterbenden verwehrt, in einem Falle, wo
illes Recht, ärnlich gesehen, auf Seite des Arztes war: doch
daß ein Jude dieses Prinzin sollte vertreten dürfen, schafft den
Konflikt, der nur deshalb in eine Komödie ausläuft, weit
schließsich nichts prinzipienfest bleibt — wir sind in Oesterreich.
in Wien. Auch Bernhardi selber wird das eine Prinzin los.
indem er sich auf eine umfassendere, auf seine ürztliche Tätig¬
keit zum Heile der Menschheit zurückzieht; er will keir
sämpfer, kein Held, sondern nur ein Aret sein, ein Arzt
freilich, der immer in allem auch den Mann behauptet.
Es gibt viel kluge und seine Bemerkungen und wirkungs¬
volle Stenen in dieser Komödie; aber auch ein Behngen
im jüdischen Schmerz des Nichtvollgenommenwerdens, ein
Schmerz, der durch leise Selbstirenie noch verstärkt wird. Die
Darstellung zog namentlich in den Cbargen das Stück um
einen Grad tiefer ins Jüdische, als noswendig oder vom
Dichter beabsichtigt war; besonders Herr Forest übertrieb
maßlos, ohne rechten Erfolg. Aus dem Journalisten Kulka
dem Embryo des prächtigen, emporgediehenen Fink=Flieder¬
busch, wäre mehr Wirkung zu ziehen gewesen, als Herr Stein
vermochte, aus dem Bezirtsarzt Feuermann mehr, als Heri
Golthaber zustande brachte. Nun aber gilt es, der Vor¬
stellung auch vieles Lob zu spenden, vor allem Herrn Onno,
der als Priester so gekammelt und gefaßt war wie nur selten.
Direktor Vernau in der Titelrolle schuf eine glaubwürdige
Gestalt; die Herren Homma, Göß, Kutschera, Fürth
und wenigstens in der Maske auch Herr Elfeld ergänzten,
das Kollegium der Menschlichkeiten. Die ö#terreichische Büro¬
kratte kann in Herrn Klitsch und in Herin Edthofer
zwei ihrer Grundtynen anschauen: die streberische Frivolität
und die stivole Anständigke“: Der Beifall war außerordentlich
groß, der Dichter erschien mehreremal, um auch i Wien den
Erfolg entgegenzunehmen, den die Komödie in Teutschland
D. B.
schon leit Jahren gesunden hat.
box 31/2
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— Weffrreschfache V.R
22012 Uig
Wien.
Theater und Kunst.
Deutsches Volkstheater. Artur Schn
lers aus jahrelangem Zensurarieste befreite
Komödie „Professor Bernhardi“ hat
estern einen geradezu stürmischen Erfolg er¬
rungen. Die angokündigten Protosikundgebungen
blieben #ffenbar den Schreiern im Halse stecken,
denn sie waren gegenüber der überaus warmen
Stimmung des Publikuns ganz und gar nicht auf¬
sgekommen. Das Stück hat alle Vorzuge, aber auch
alle Fehler der Problemdramatik. Die Charaktere
Me
voll, Lele
1 interellant, gemal erschaut, Wrenschen,
016=
100
aus unserer Mitte, aber sie reden sich fast zu Tode.]
Die Bühne ist unbarmherzig, in gewissen Fällen,
erschreckend ungebildet: Für einen Jingerhut
Matevie — genannt Handlung — gibt sie einen
Eimer von Geist — genannt Dialog, Witz, Ironie,
Wahrheit — leichter Hand hin. Die Gefahr für den
Dramatiker Schnitzler — den stärkste
Schönherr
lag in dem Wagnis,
greich zwer Prödiene auf der Bühne austragen zu
wollen. Das eine ist eine Sache der Weltanschauung,
das andere des Charakters. Der Fall Bernhardi ist
natürlich der wichtigere. Ein bedeutender Arzt,
das Muster eines Spitalsdirektors, verwehrt einem
Priester den Zutritt zum Bette einer jungen¬
Kranken, um ihr wenigstens ein glückliches Sterben
zu retten. Denn sie hat keine Ahnung von ihrem
nahen Ende, sie befindet sich im Zustande der
Euphorie, der Glückseligkeit. Das plötzliche Er¬
scheinen des Priesters wurde ihr dieses letzte Glück
rauben. Professor Bernhardi büßt diees sein
Verhalten infolge der gegen ihn eingeleiteten kleri¬
talen Hetze und falscher Zeugenaussagen mit einem
zweimonatigen Arrest wegen — Religionsstörung!
Den Geistlichen trifft keine Schuld an diesem un¬
gerechten Urteil. Er benimmt sich durchaus korrekt.
Wie Schnitzler überhaupt trotz seiner unbedingten
Hingebung für Bemnhardi auch auf der Gegeneeite
nicht alles schwarz malt. Beweis dafür, daß er auch
den Prozeß Bernhardi einer gerichtlichen Revision
unterziehen läßt . . . Das zweite Problem gipfelt in
der Frage, ob ein bedeutender Mann einem be¬
deutenden Ziele zuliebe kleine, der Welt verborgen
gbleibende Schurkereien begehen darf, ein bißchen
Wortbruch dem Freunde gegenüber, ein bißchen
Kriecherei nach oben usw. Der Ethiker Schnitzler
üiberläßt die Beantwortung dieser Frage merk¬
würdigerwere mehr dem Publikum als dem Dichter
Schnitzler. Ueber zwei so merkwürdige Probleme weiß
hin Denker wie Schnitzler leider viel zu viel zu sagen.
Man hatte gestern in den fünf Akten große Stellen
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senden Wirkung glänzender Worte spürte man
namentlich in den zwei letzten Akten) das Fehlen
alles dramatischen Moments empfindlichst. Die Dar¬
steller suchten über diesen Mangel aufs glücklichste
hinweggutänschen. Sie boten eine der besten Vor¬
stellungen des jüngeren Volkstheaters. Herr
Bernau in der Titelrolle und die Derren Homma,
Goetz, Klitsch, Kutschera, Teubler,
Elfeld, Askonas, Onno, Fürth, besonders
noch Forest und Edthofer in heiteren Charakter=
rollen, wurden mit dem Dichter nach fast allen Akten
oft und oft gerufen.
j. st.