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25. BrofezürBernhandi
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Beute Wiene. JRL.4%, Wien
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nach den drei letzten Akten oft vor die Rampe rief,
„Professor Bernhardi.“
hatte denn auch ein etwas postum demonstratives
Komödie in fünft Akten von Artur Schnitzler.
Gepräge. — Den Professor Bernhardi gab Direktor
Erstaufführung im Deutschen Volkstheater am
[Bernau in den drei ersten Akten mit vornehmer
21. Dezember.
Ueberlegenheit und markiger Männlichkeit und
Der Zensurbann, der so lange auf Artur
bewahrte der Gestalt auch in den zwei letzten Akten,
Schuitlers Komödie „Professor Bern¬
in denen sie zerflattert, eine sympathische Haltung. —
hardi“ gelastet, ist endlich gebrochen. Gestern ist das
Herr Klitsch zeichnete den Unterrichtsminister
Stück zum erstenmal im Deutschen Volkstheater vor¬
Flint mit weicheren Umrisfen, als die Figur
überzogen. Scheinbar ein durchaus männliches Stück.
verträgt. Der geistige Machiavellismus dieses
Deshalb, weil darin jeder erotische Klang vermieden
Politikers, der seiner Umwandlungsfähigkeit und
ist und weil ausschließlich Strömungen unsres politi¬
Geschmeidigkeit durch eine bestechende Dialektik eine
schen und geistigen Lebens sowie jene Mächte, die
großzügige Begründung verleiht, heischt eine
es bislang entscheidend beeinflußten, in satirischer
schärfere Martierung. Der ironisch frondierende,
Beleuchtung sich spiegeln. Um was handelt es sich?
weltmännisch überlegene Hofrat Winkler gewann
Professor Bernhardi, ein Mann von vornehmer,
durch Herrn Edthofer liebenswürdige Frische
milber Gesinnung, Leiter der Krankenanstalt
und Natürlichkeit. Herr Ono gestaltete den Pfarrer
Elisabethinum, verbietet dem Pfarrer Reder, einem
Reder mit behutsamer Diskretion auch in jenen
in der Agonie liegenden Mädchen das Sakrament
Momenten, wo ein aufglühender Fanatismus seine
der letzten Oelung zu spenden. Er tut dies unter dem
humane Denkungsart verdunkelt. Die andern
jähen Antrieb eines warmen Menschlichteisgefühles.
Typen, eine Galerie scharf umrissener Gestalten aus
Vor dem brechenden Auge der Sterbenden gaukelt
medizinischen Kreisen, empfingen durch die Herren
ein Glückstraum von Wiedergenesung und neuem
Homma, Forest, Götz, Kutschera, Elfeld,
Leben. Euphorie — so nennt der Arzt diese wunder¬
Golthaber und Askonas eindringliche
same Heiterkeit der Seele, unmittelbar vor ihrem Er¬
Lebendigkeit.
Marco Brociner.
löschen. Es ist ihr letzes Glücksgefühl, das ihr nicht
verbittert werden soll. Und so stirbt das Mädchen
ohne die Tröstungen der Religion. Hat Professor
Bernhardi bei aller Reinheit seiner Absichten mit
Takt, mit Maß und mit feinfühligem Verständnis
der Psyche des Mädchens gehandelt, die durch die
seelische Zucht einer ihm fremden religiösen Lehre
ihre Färbung und Prägung empfing? Diese Fragen,
die zugleich Einwände sind, verleihen den gegen ihn
erhobenen Anklagen Gewicht. Aber diese Anklagen,
in die Oeffentlichkeit und in das Parlament
hinausgetragen, durch der Parteien Haß und
1
Mißgunst verwirrt und verzerrt, entwickeln
sich rasch zu einer regelrechten, wüsten Hetze
gegen Professor Berhardi, der schließlich wegen?
Religionsstörung zu einer Gefängnisstrafe von zwei
Monaten verurteilt wird. Er hüßt die Strafe ab. 9
Liberale Blätter und „Freidenker aus der
Brigittenau“ wollen ihn nun als Märtyrer seiner
Ueberzeugung feiern. Professor Bernhordi winkt!
entschieden ab. Er ist kein Kämpfer! Er hat nicht für
seine Ueberzeugung geblutet! Er erblickt in dieser
Angelegenheit überhaupt kein Politikum, keine
Gewissensfrage. Sie erscheint ihm bloß als unlieb¬
same Unterbrechung seiner ärztlichen Tätigkeit und
wissenschaftlichen Forschung. Er hat nur in einem
speziellen Falle das gekan, was er für das Richtige
hielt. Das führt er dem Hofrat Winkler, hinter dessen
Zügen Max Burckhardt durchschimmert, zu Gemüte.
Und dieser Hofrat, der seinem Chef, dem in gedämpst
liberalen und sanft abgetönten klerikalen Farben
schillernden Unterrichtsminister Flint, ruhig ins
Gesicht sagt, daß man als Beamter entweder ein
Anarchist oder ein Trottel sein muß, erklärt dem
Professor Bernhardi: „Ich hätte in Ihrem Falle
vielleicht ebenso gehandelt wie Sie, aber dann wäre
ich grad so ein Viech gewesen wie Sie.
Mit diesen Worten endigt das Werk. Sie sind
bezeichnend. Also kein Kampf= und kein Problem¬
stück, aber eigentlich auch nicht ein Tendenzstück aus
einem Guß und mit einer geraden, glatten Wurf¬
richtung. Schnitzler ist keiner Partei eingeschworen
und zeigt in allen Lagern das Allzumenschliche in
seinen vielfachen Abstusungen bis zur „seibstlosen
Gemeinheit". Zur großen Satire fehlt der Komödie
die Entrüstung. Indignatio feeit versum.“ Die Ent¬
rüstung hat meinen Vers geprägt! So schrieb
Juvenal, einer, der es wußte. Das Werk ist im
letzten Grunde das Erzeugnis einer scharfen
Intellektualität, einer sehr seinen, aber an der Ober¬
fläche hingleitenden ironishen Mest= und Menkh##¬
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25. BrofezürBernhandi
2M us.
Beute Wiene. JRL.4%, Wien
—
nach den drei letzten Akten oft vor die Rampe rief,
„Professor Bernhardi.“
hatte denn auch ein etwas postum demonstratives
Komödie in fünft Akten von Artur Schnitzler.
Gepräge. — Den Professor Bernhardi gab Direktor
Erstaufführung im Deutschen Volkstheater am
[Bernau in den drei ersten Akten mit vornehmer
21. Dezember.
Ueberlegenheit und markiger Männlichkeit und
Der Zensurbann, der so lange auf Artur
bewahrte der Gestalt auch in den zwei letzten Akten,
Schuitlers Komödie „Professor Bern¬
in denen sie zerflattert, eine sympathische Haltung. —
hardi“ gelastet, ist endlich gebrochen. Gestern ist das
Herr Klitsch zeichnete den Unterrichtsminister
Stück zum erstenmal im Deutschen Volkstheater vor¬
Flint mit weicheren Umrisfen, als die Figur
überzogen. Scheinbar ein durchaus männliches Stück.
verträgt. Der geistige Machiavellismus dieses
Deshalb, weil darin jeder erotische Klang vermieden
Politikers, der seiner Umwandlungsfähigkeit und
ist und weil ausschließlich Strömungen unsres politi¬
Geschmeidigkeit durch eine bestechende Dialektik eine
schen und geistigen Lebens sowie jene Mächte, die
großzügige Begründung verleiht, heischt eine
es bislang entscheidend beeinflußten, in satirischer
schärfere Martierung. Der ironisch frondierende,
Beleuchtung sich spiegeln. Um was handelt es sich?
weltmännisch überlegene Hofrat Winkler gewann
Professor Bernhardi, ein Mann von vornehmer,
durch Herrn Edthofer liebenswürdige Frische
milber Gesinnung, Leiter der Krankenanstalt
und Natürlichkeit. Herr Ono gestaltete den Pfarrer
Elisabethinum, verbietet dem Pfarrer Reder, einem
Reder mit behutsamer Diskretion auch in jenen
in der Agonie liegenden Mädchen das Sakrament
Momenten, wo ein aufglühender Fanatismus seine
der letzten Oelung zu spenden. Er tut dies unter dem
humane Denkungsart verdunkelt. Die andern
jähen Antrieb eines warmen Menschlichteisgefühles.
Typen, eine Galerie scharf umrissener Gestalten aus
Vor dem brechenden Auge der Sterbenden gaukelt
medizinischen Kreisen, empfingen durch die Herren
ein Glückstraum von Wiedergenesung und neuem
Homma, Forest, Götz, Kutschera, Elfeld,
Leben. Euphorie — so nennt der Arzt diese wunder¬
Golthaber und Askonas eindringliche
same Heiterkeit der Seele, unmittelbar vor ihrem Er¬
Lebendigkeit.
Marco Brociner.
löschen. Es ist ihr letzes Glücksgefühl, das ihr nicht
verbittert werden soll. Und so stirbt das Mädchen
ohne die Tröstungen der Religion. Hat Professor
Bernhardi bei aller Reinheit seiner Absichten mit
Takt, mit Maß und mit feinfühligem Verständnis
der Psyche des Mädchens gehandelt, die durch die
seelische Zucht einer ihm fremden religiösen Lehre
ihre Färbung und Prägung empfing? Diese Fragen,
die zugleich Einwände sind, verleihen den gegen ihn
erhobenen Anklagen Gewicht. Aber diese Anklagen,
in die Oeffentlichkeit und in das Parlament
hinausgetragen, durch der Parteien Haß und
1
Mißgunst verwirrt und verzerrt, entwickeln
sich rasch zu einer regelrechten, wüsten Hetze
gegen Professor Berhardi, der schließlich wegen?
Religionsstörung zu einer Gefängnisstrafe von zwei
Monaten verurteilt wird. Er hüßt die Strafe ab. 9
Liberale Blätter und „Freidenker aus der
Brigittenau“ wollen ihn nun als Märtyrer seiner
Ueberzeugung feiern. Professor Bernhordi winkt!
entschieden ab. Er ist kein Kämpfer! Er hat nicht für
seine Ueberzeugung geblutet! Er erblickt in dieser
Angelegenheit überhaupt kein Politikum, keine
Gewissensfrage. Sie erscheint ihm bloß als unlieb¬
same Unterbrechung seiner ärztlichen Tätigkeit und
wissenschaftlichen Forschung. Er hat nur in einem
speziellen Falle das gekan, was er für das Richtige
hielt. Das führt er dem Hofrat Winkler, hinter dessen
Zügen Max Burckhardt durchschimmert, zu Gemüte.
Und dieser Hofrat, der seinem Chef, dem in gedämpst
liberalen und sanft abgetönten klerikalen Farben
schillernden Unterrichtsminister Flint, ruhig ins
Gesicht sagt, daß man als Beamter entweder ein
Anarchist oder ein Trottel sein muß, erklärt dem
Professor Bernhardi: „Ich hätte in Ihrem Falle
vielleicht ebenso gehandelt wie Sie, aber dann wäre
ich grad so ein Viech gewesen wie Sie.
Mit diesen Worten endigt das Werk. Sie sind
bezeichnend. Also kein Kampf= und kein Problem¬
stück, aber eigentlich auch nicht ein Tendenzstück aus
einem Guß und mit einer geraden, glatten Wurf¬
richtung. Schnitzler ist keiner Partei eingeschworen
und zeigt in allen Lagern das Allzumenschliche in
seinen vielfachen Abstusungen bis zur „seibstlosen
Gemeinheit". Zur großen Satire fehlt der Komödie
die Entrüstung. Indignatio feeit versum.“ Die Ent¬
rüstung hat meinen Vers geprägt! So schrieb
Juvenal, einer, der es wußte. Das Werk ist im
letzten Grunde das Erzeugnis einer scharfen
Intellektualität, einer sehr seinen, aber an der Ober¬
fläche hingleitenden ironishen Mest= und Menkh##¬