Be
25. Professer rnhandi
1. 13A. 19“
Der Humorist, Wien
Ffeuilleton.
Theater.
Nicht daß unsere Bühnen der Artur Schnitzlerschen Ko¬
nödie „Professor Bernhardi“ bisher verschlossel ist
serstaunlich, sondern, daß sie als Buch nicht dem Scheiter¬
haufen überliefert wurde. Denn anno k. k. durfte das Be¬
kenntnis zum christlichen Staat Oesterreich, weder in Schrift,
noch in Wort ironisch unterstrichen werden, oder gar in nach¬
teiligem Gegensatz zur jüdisch=humanen Weltanschauung er¬
scheinen. Die müßige Frage, ob „Professor Bernhardi“ ein
Tendenzstück sei, erledigt sich am besten mit dem Hinweise,
daß jedes halbwegs brauchbare Bühnenwerk eine Tendenz
habe; wenn nicht gerade politische oder religiöse, soziale oder
moralische Ideen zu bekämpfen oder zu fördern, so doch die
große Menge zu belehren, anzuregen, zu spannen, zu amü¬
sieren. So wären neben „Professor Bernhardi“ auch die
„Brüder von St. Bernhard“ und „Onkel Bernhard“, die
komischerweise den wiener Weihnachtsspielplan beherrschten, als
Tendenzstücke anzusprechen. Darüber wollen wir uns um so
weniger aufregen, als die unheimlich schreibselige Jungfer Be¬
nedikt verriet, daß sie als Jugendfreundin des Dichters wisse,
dieser „Professor Bernhardi“ sei ein Haus= und Familien¬
stück, hinter dessen Gestalten teils abgeschiedene, teils noch
lebende Originale um die Zeit von 1900 stünden. Der Titel¬
held wäre der Vater des Dichters, der liberal gesprächige
Professor Cyprian der Papa der mitteilsamen Schmuserin;
hinter dem charakterlos gemütlichen Minister wäre der Fort¬
wurstler Taaffe oder die Kautschukerzellenz v. Gautsch zu
suchen. Vielleicht ist auch die in der Komödie mehrfach ge¬
nannte Fürstin Stixenstein Symbol für die höchste Patronesse
der Jesuiten in Oesterreich, und so fort mit der Schnitzler
eigenen boshaften Grazie.
Das Interesse an „Professor Bernhardi“ schon durch
die Zensurvorgeschichte erregt, wurde durch die Aufführung
box 31/2
gerechtfertigt. Ist es schon etwas Außerordentliches in un¬
seren Tagen, einem Stücke zu begegnen, das jenseits aller
Erotik liegt und eigentlich gar keine eigentliche Frauenrolle
enthält, so erhöht sich das Staunen, wenn man unter dem
Stücke den Namen Artur Schnitzler liest. Es gewinnt dann
die Version Benedikt Glauben, daß der gute Sohn mit dieser
ganz aus der Art geschlagenen Komödie pietätvolle Absichten
hatte, im Sinne Goethes: Zart' Empfinden und hold' Er¬
innern, macht den Menschen im tiefsten Innern. — Die Fabel
des Stückes mag auch einem wirklichen Geschehen im ärzt¬
lichen Hause Schnitzlers entsprungen sein. Sie ist mit so viel
Witz und polemischer Schärfe bedacht, daß ein restloser Bei¬
fall das Ergebnis des Abends war. Alle Darsteller zeigten
hemmungslose Spielfreude. Die Hauptrolle lag in den sicheren
Händen Direktor Bernaus, dem die aufrechten, gradlinigen
Kraftmenschen stets wirkungsvoll gelingen. Er war übrigens
diesmal Erster unter Gleichen. Denn alle Nebenfiguren wuchsen
zu erstklassiger Bedeutung. So Onno, Klitsch, Edthofer,
v. Goetz, Forest und die anderen, die ihr Bestes gaben. Man
erwärmte sich im ungeheizten Hause für Dichter und Schau¬
spieler. Selbst die Rote Garde des Stehparterres im Deutschen
Volkstheater gab ihren geräuschvollen Segen mit unermüdlichen
Händen
Am selben Abend blühte der anderen Bernau=Bühne
in der Rotenturmstraße ein schöner Erfolg. Man gab in
den Kammerspielen Ludwig Fuldas Komödie „Der Lebens¬
schüler" oder: Die Einführung in die höhere Liebeskunst mit
psychologischen Hintergründen und jenem gemäßigt Dämoni¬
schen, das Fuldas wohlerzogenen Muse eigen ist. Prinzen¬
erziehung mit germanisch=philosophischem Einschlag, klugen Ge¬
danken und liebenswürdig glattem Dialog. Eine gute Sache
für schauspielerische Betätigung, die Werner=Kahle wieder als
einen der trefflichsten Charakterdarsteller sehen ließ. Neben“
und mit ihm Didier, Millmann, Kundert und Marianne Ruß.
6.V
25. Professer rnhandi
1. 13A. 19“
Der Humorist, Wien
Ffeuilleton.
Theater.
Nicht daß unsere Bühnen der Artur Schnitzlerschen Ko¬
nödie „Professor Bernhardi“ bisher verschlossel ist
serstaunlich, sondern, daß sie als Buch nicht dem Scheiter¬
haufen überliefert wurde. Denn anno k. k. durfte das Be¬
kenntnis zum christlichen Staat Oesterreich, weder in Schrift,
noch in Wort ironisch unterstrichen werden, oder gar in nach¬
teiligem Gegensatz zur jüdisch=humanen Weltanschauung er¬
scheinen. Die müßige Frage, ob „Professor Bernhardi“ ein
Tendenzstück sei, erledigt sich am besten mit dem Hinweise,
daß jedes halbwegs brauchbare Bühnenwerk eine Tendenz
habe; wenn nicht gerade politische oder religiöse, soziale oder
moralische Ideen zu bekämpfen oder zu fördern, so doch die
große Menge zu belehren, anzuregen, zu spannen, zu amü¬
sieren. So wären neben „Professor Bernhardi“ auch die
„Brüder von St. Bernhard“ und „Onkel Bernhard“, die
komischerweise den wiener Weihnachtsspielplan beherrschten, als
Tendenzstücke anzusprechen. Darüber wollen wir uns um so
weniger aufregen, als die unheimlich schreibselige Jungfer Be¬
nedikt verriet, daß sie als Jugendfreundin des Dichters wisse,
dieser „Professor Bernhardi“ sei ein Haus= und Familien¬
stück, hinter dessen Gestalten teils abgeschiedene, teils noch
lebende Originale um die Zeit von 1900 stünden. Der Titel¬
held wäre der Vater des Dichters, der liberal gesprächige
Professor Cyprian der Papa der mitteilsamen Schmuserin;
hinter dem charakterlos gemütlichen Minister wäre der Fort¬
wurstler Taaffe oder die Kautschukerzellenz v. Gautsch zu
suchen. Vielleicht ist auch die in der Komödie mehrfach ge¬
nannte Fürstin Stixenstein Symbol für die höchste Patronesse
der Jesuiten in Oesterreich, und so fort mit der Schnitzler
eigenen boshaften Grazie.
Das Interesse an „Professor Bernhardi“ schon durch
die Zensurvorgeschichte erregt, wurde durch die Aufführung
box 31/2
gerechtfertigt. Ist es schon etwas Außerordentliches in un¬
seren Tagen, einem Stücke zu begegnen, das jenseits aller
Erotik liegt und eigentlich gar keine eigentliche Frauenrolle
enthält, so erhöht sich das Staunen, wenn man unter dem
Stücke den Namen Artur Schnitzler liest. Es gewinnt dann
die Version Benedikt Glauben, daß der gute Sohn mit dieser
ganz aus der Art geschlagenen Komödie pietätvolle Absichten
hatte, im Sinne Goethes: Zart' Empfinden und hold' Er¬
innern, macht den Menschen im tiefsten Innern. — Die Fabel
des Stückes mag auch einem wirklichen Geschehen im ärzt¬
lichen Hause Schnitzlers entsprungen sein. Sie ist mit so viel
Witz und polemischer Schärfe bedacht, daß ein restloser Bei¬
fall das Ergebnis des Abends war. Alle Darsteller zeigten
hemmungslose Spielfreude. Die Hauptrolle lag in den sicheren
Händen Direktor Bernaus, dem die aufrechten, gradlinigen
Kraftmenschen stets wirkungsvoll gelingen. Er war übrigens
diesmal Erster unter Gleichen. Denn alle Nebenfiguren wuchsen
zu erstklassiger Bedeutung. So Onno, Klitsch, Edthofer,
v. Goetz, Forest und die anderen, die ihr Bestes gaben. Man
erwärmte sich im ungeheizten Hause für Dichter und Schau¬
spieler. Selbst die Rote Garde des Stehparterres im Deutschen
Volkstheater gab ihren geräuschvollen Segen mit unermüdlichen
Händen
Am selben Abend blühte der anderen Bernau=Bühne
in der Rotenturmstraße ein schöner Erfolg. Man gab in
den Kammerspielen Ludwig Fuldas Komödie „Der Lebens¬
schüler" oder: Die Einführung in die höhere Liebeskunst mit
psychologischen Hintergründen und jenem gemäßigt Dämoni¬
schen, das Fuldas wohlerzogenen Muse eigen ist. Prinzen¬
erziehung mit germanisch=philosophischem Einschlag, klugen Ge¬
danken und liebenswürdig glattem Dialog. Eine gute Sache
für schauspielerische Betätigung, die Werner=Kahle wieder als
einen der trefflichsten Charakterdarsteller sehen ließ. Neben“
und mit ihm Didier, Millmann, Kundert und Marianne Ruß.
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