II, Theaterstücke 25, Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 475

25. Prefesser Bernhandi
„nustriertes Wiener Extrablaft, Wier
GAN 910

„Professor Bernhard).;
„Solangeich Minister in Oester¬
[reich bin — so lange ich etwas zn
gelten habe, wird dieses Stück in
[Oesterreich nicht gespielt werden!“
Also erklärte vor Jahren der damalige Minister
für Kultus und Unterricht Richard Freiherr von
Bienerth einem Abgesandten der Direktion des
Deutschen Volkstheaters. Das Stück, dem der
Minister die ewige Verbannung von der Bühne
diktieren zu können glaubte, hieß „Professor
Bernhardi“. Baron Bienerth befand sich in einem
doppelten Irrtum. Er glaubte Schnitler wollte ihn
in der Figur des Ministers der) Lächerlichkeit
preisgeden, ihm ein Spiegelbild vorhalten;
während dem Dichter tatsächlich als Modell für
den streberischen Staatswürdenträger ein Vor¬
gänger Bienerths der zum Minister emporgesti gene
Universitätsprofessor Dr. Hartel gedient hatte ...
Bienerth hörte auf zu regieren und der Zensur
läutet bald das Zügenglöcklein. „Professor Bernhardi“
aber ist aus dem Archivgrabe emporgestiegen und
bedeutet einen der stärksten Kassaerfolge des
Deutschen Volkstheaters. Man hat über die
Entstehung dieses Werles manches fabuliert.
In einem kleinen Kreise hat Schnigle.
erfählt, daß ihm eine Begebenheit auf der K.inik des
seinerzeit berühmten Psychlarers, Hofrates Profeslors
—.—
inersert den Sios in Presefer vendede i
einen bet. Der Bortel eu der ellit Gesten
zuerst nur wenigen Personen bekannt, bildete bald den
Gesprächsstoff, als von einem Erlasse des Direktors
des Allgemeinen Krankenhauses. Hofrats Böhm, ver¬
lautete, der sich über das Verhältnis zwischen Arit
und Seelsorger in den Spitälern verbreitete. Meynert
fand in dem Erlasse einen gegen seine Person und
seine Auffassung gerichtete Spitze ... Es gelang, den
Unmut des berühmten Gelehrten zu beschwichtigen ...
Das Aerztestück hätte bald einem Beamten der
Prager Statthalterei den Kragen gebrochen. Während
die Wiener Zensur das vielumstrittene Buch in
Ketten schlug, gab es ein Prager Rat zur Auf¬
führung frei. Ueber Rekurs der Theaterdirektion in
Reichenberg. wo der Bezirkshauptmann Widerstand
leistete. Minister Bienerth erfuhr davon und —
„verhob“, wie der neckische Amtsansdruck lautet, dem
Beamten seine unbormäßigen Anwandlungen. —Und
noch ein weiteres Opfer gab es: den Amtsdiener auf
der Kiinik Meynert, der nach der Werlunig des Ab¬
teilungevorstandes sich weigerte. Licen Seeisorger zu
holen. Der treue Diener des „Blimarius wurde ver¬
setzt ... Beiträge zur Kultargeschichte in dem alten
Oesterreich
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22. Mar 1Da# -Sur Sehal Wie
Lee.
Im Deutschen Volkstheater ist gestein
Artur Schnitzlers „Professor Bernhardi“ zum
50. Mal aufgeführt worden. Das seinerzeitige Zensurverbot hat
also dem Stück nicht geschadet. Die dunklen Mächte des klerikalen
Oesterreich, denen „Professor Bernhardi“ so gefährlich schien und
die in dem Milieu dieser „Komödie“ eine ziemliche Rolle spielen,
sind freilich für absehbare Zeit unschädlich gemacht, so daß das
Stück in dieser Hinsicht dem von Staats wegen revolutionären
Publikum nicht als Spiegel unserer Zeit, sondern einer über¬
Peinheien Pagengnsel ascheit. Aber es wist in schr aues
Vorzüge der Schnitzlerischen Dramatik auf, daß seine Bühnen¬
wirksamkeit nicht im geringsten leidet., Das volle Haus folgte dem
Werke auch gestern mit vollem Verständnis und zeichnete die
Darsteller insbesondere nach dem Pritten und den folgenden Akten
durch starken Beifall aus.
—escUPIE-PPR-
Sate Ilnstrierte Biunischen
Wien

——
Deutsches Volkskhealer. A. Schnißlers „Pro¬
ssor Bernhardi“ ist eine Tendenzkomödie, deren
Aufführung uns das verstorbene, österreichische Regime bis¬
nun vorenthalten zu müssen glaubte, ein Arztestück, in dem
der Autor im Gegensatze zu seiner Titelfigur bewußt und heute
sozusagen ante festum neben einer Reihe aktueller Fragen
ein Gebiet anschneidet, heikel genug, um
frei von jeglichem politischen Ubereifer,
nur von der hohen Warte wahrer
Menschlichkeit aus untersucht zu werden,
die Frage, ob der Arzt (Professor Bern¬
hardi) im Rechte
wenn er den
,
Priester vom Sterbelager seiner Patientin
fernhält, in der Überzeugung, daß sie,
die zwar unrettbar verloren, aber im
Zustande der Euphorie ist, durch das
Erscheinen des Priesters und den
Empfang des Sterbesakramentes aus
diesem Zustande gerissen werden könnte.
Gebricht es der Komödie auch aff
innerer, durch die Handlung bedingter“
Kraft, so ersetzt diesen Fehler reichlich das
hohe, #lg nein=persönliche Interesse des
Themas, die Spannung der Gedanken,
die Fülle heilerer, von treffender Ironie
getragener Episoden. Die Aufführung
stand durchwegs auf hohem Niveau.
Direktor Bernau als Bernhardi über¬
zeugend in der Menschlichkeit seiner
Weigerung,
rechtschaffen und
fest,
als die Folgen seines unbedachten
Aus der 7
Vorgehens über
ihn hereinbrechen; Fräulein Fiedler vom S#
als Darsteller lebendiger und mar¬
kanler Charakterlypen gebührt den Herren Goet, Forost,
Kutschera, Homma, Onno,
Teubler „und
Edthofer besondere Erwähnung. Starker, widerspruchs¬
loser Beifall klatschte Aulor und Mitwirkende immer“ wieder
vor don Borhana
Rober! G.